Kirchheim

Altersheim? Nein danke!

Pflege Was früher illegal war, dafür gibt es heute einen Markt: Hilfskräfte aus der Ukraine, Polen und Russland werden über Agenturen nach Deutschland vermittelt. Sie sind eine große Hilfe für Senioren. Von Melissa Seitz

Dr. Julia Nill informiert über Pflegemöglichkeiten im Alter, denn das ist ein Thema, das jedem früher oder später begegnen wird.
Dr. Julia Nill informiert über Pflegemöglichkeiten im Alter, denn das ist ein Thema, das jedem früher oder später begegnen wird.Foto: Carsten Riedl

So ist der Lauf der Dinge: Der Mensch wird alt, und mit dem Alter kommen die gesundheitlichen Probleme. Erste Anlaufstelle der Senioren: die Familie. Denn wenn es nach den Senioren geht, gehören Altenheime abgeschafft. Am liebsten bleiben die meisten für ihren Altersruhesitz im gewohnten, gemütlichen Zuhause. Doch wenn die Angehörigen zwischen dem Beruf und der eigenen Familienplanung mit der Pflege der Mutter oder des Vaters einfach nicht hinterherkommen und der ambulante Pflegedienst nicht ausreichend helfen kann – was dann?

Eine Pflegekraft aus Osteuropa scheint für immer mehr Familien die optimale Alternative zu sein. Doch bei der Suche nach einer geeigneten Person gibt es einiges zu beachten. Das machte Dr. Julia Nill von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg deutlich bei dem Vortrag „Wenn die Pflegerin bei mir wohnt“ im Central-Kino in Kirchheim.

Pflegekraft ist nicht gleich Pflegekraft. Denn es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, eine Hilfskraft anzustellen. „Man hat die Möglichkeit, eine osteuropäische Pflegekraft auf selbstständiger Basis einzustellen,“ erklärt Julia Nill. Doch hier mahnt die Expertin zur Vorsicht. Es bestehe die Gefahr, dass die Beschäftigung illegal ist, da es sich dabei vielleicht um eine Scheinselbstständigkeit handelt. Die Scheinselbstständigkeit ist eine sozialversicherungspflichtige Beschäfti­gung. Das heißt, dass hier auf jeden Fall eine Versicherungspflicht besteht, obwohl die Pflegekraft angibt, sie sei selbstständig.

„Sicherer ist es eine Pflegekraft selbst anzustellen,“ sagt Julia Nill und erläutert, „das bedeutet, dass der Pflegebedürftige der Arbeitgeber ist.“ Jedoch fällt damit auch eine Menge Arbeit an. Formalitäten, Verträge und Steuerabrechnungen sind hier nur einige Aufgaben, die auf den Arbeitgeber zukommen. Eine Besucherin aus dem Publikum weiß das nur zu gut: „Wir haben unsere bulgarische Hilfskraft auch selbst versichert. Das ist mit hohen Kosten verbunden.“

Den Schwerpunkt ihres Vortrages legt die Pflegekraft-Expertin aber auf die Vermittlungsagenturen. Formalitäten fallen nicht an, denn: „Sie sind nicht der Arbeitgeber, sondern die Vermittlungsagentur.“ Wichtig ist es aber, zu prüfen, ob die osteuropäische Pflegekraft legal bei der Agentur angestellt ist. Ob die Hilfskraft deutsch sprechen kann, nur für die Körperpflege zuständig ist oder doch auch ab und zu mal den Rasen mähen sollte – all das kann der Agentur mitgeteilt werden, und so wird die passende Person gefunden. Je nachdem, welche Kenntnisse die Pflegekraft mitbringen soll, bewegen sich die Preise zwischen 1 500 und 2 500 Euro im Monat. „Manche hätten doch lieber eine Dame, die einen Führerschein hat, da der nächste Supermarkt ein Stück entfernt ist,“ sagt die Expertin, „da zahlt man dann natürlich wieder mehr.“

Wen dieser Betrag erst einmal abschreckt, den kann die Expertin beruhigen: „Wenn Sie eine Pflegestufe haben, dann steht ihnen das Pflegegeld zur Verfügung, um diesen monatlichen Betrag zu bezahlen.“ Wohnen und essen darf die Pflegekraft aber umsonst. Weitere Voraussetzungen sind ein Fernseher, Internetanschluss und ein Telefon im Zimmer der Hilfskraft. Auch für den Aufenthalt gibt es Regeln: „Sollte die Dame oder der Herr aus Osteuropa länger als zwei Monate bei Ihnen wohnen, muss der Wohnort gemeldet werden.“

Hilfreiche Tipps hat die Referentin für Gesundheitsdienstleistungen auch im Gepäck. Sollten sich Interessierte nach einer Agentur umschauen, ist auf einige Dinge zu achten: Die Agentur sollte jahrelange Erfahrung vorweisen können und zudem eine große Bandbreite an Pflegekräften haben, die alle über verschiedene Kenntnisse verfügen.

Doch Vorsicht: Egal ob eine Pflegekraft von der Agentur, eine selbstständige oder eine angestellte Pflegekraft – freie Zeit und Ruhepausen stehen dem Mann oder der Frau zu: „Sie können nicht erwarten, dass die Pflegekraft Sie den Tag über und nachts pflegt und am nächsten Tag wieder topfit ist“, betont Nill.