Kirchheim

Flüchtlinge werden zu Azubis

Integration Die Stiftung Tragwerk hilft minderjährigen Ausländern, in Deutschland Fuß zu fassen und einen Ausbildungsplatz zu finden. Von Daniela Haußmann

Manfred Sigel freut sich mit engagierten Jugendlichen wie Muhammadu (Name von der Redaktion geändert) zu arbeiten. Der 17-jährig
Manfred Sigel freut sich mit engagierten Jugendlichen wie Muhammadu (Name von der Redaktion geändert) zu arbeiten. Der 17-jährige Nigerianer möchte sich in Deutschland eine Existenz aufbauen.Foto: Daniela Haußmann

Ahmed, Anwar und Muhammadu (Namen von der Redaktion geändert) blicken lieber nach vorne als zurück. Sie alle sind sogenannte UMA, unbegleitete minderjährige Ausländer, die ohne einen erwachsenen Angehörigen aus ihren Heimatländern geflohen sind. Die drei wollen in Deutschland vorankommen und sich Schritt für Schritt eine Existenz aufbauen. Unterstützung finden sie zusammen mit 109 anderen UMA im Alter von 13 bis 17 Jahren bei der Kirchheimer Stiftung Tragwerk. In den vergangenen Sommerferien haben laut Manfred Sigel 16 Jugendliche ein Berufspraktikum gemacht. „Drei von ihnen haben einen Ausbildungsplatz bekommen. Zwei andere müssen noch ihre Deutschkenntnisse verbessern“, sagt er.

Eine Umfrage seiner Stiftung hat ergeben, dass die Arbeitgeber mit den Praktikanten sehr zufrieden waren. „Die UMA wurden als pünktlich, zuverlässig und hilfsbereit wahrgenommen“, so Sigel weiter. Die Kontakte zu den Firmen seien teilweise über persönliche Kontakte, die Schule oder durch Veranstaltungen der Stiftung Tragwerk zustande gekommen.

Anwar aus Afghanistan, der dort vier Jahre die Schule besuchte und seit Dezember 2015 in Deutschland ist, hat mithilfe der Stiftung vor wenigen Wochen ein Praktikum absolviert. „Ich war total überrascht, dass mir gleich danach ein Ausbildungsplatz als Metallbauer angeboten wurde“, erzählt der 17-Jährige stolz. „Das ist super.“ In den vergangenen Monaten hat Anwar viel Sprachunterricht genommen. Manche Fachbegriffe versteht er nicht. Aber die wird er in der Ausbildung noch lernen, da ist sich der junge Afghane sicher. „Anwars Ausbildungsbetrieb hat einigen jungen Männern die Chance auf eine Lehre geboten, obwohl sie keinen Werkrealschulabschluss haben“, erzählt Manfred Sigel. „Sie konnten mit guten Sprachkenntnissen und handwerklichem Geschick punkten. Deshalb haben sie die Chance auf eine Ausbildung bekommen.“ Sie sollen so zu ihrem Schulabschluss kommen.

Ahmed, der vor dreieinhalb Jahren nach Deutschland gekommen ist, besucht derzeit noch die Werkrealschule. Der 16-jährige Afghane hat drei Praktika als Erzieher, Schreiner und Kfz-Mechatroniker absolviert. „Dass ich in Deutschland erst einmal die Schule besuchen, die Sprache lernen und mich einleben muss, war mir bewusst“, sagt Ahmed. „In Afghanistan gibt es keine Berufsausbildung wie hier. Das war neu für mich.“

Aus diesem Grund würde sich Manfred Sigel wünschen, dass mehr Betriebe auf seine Stiftung zukommen. In Kooperation mit den Firmen hat er eine Ausbildungsmesse organisiert. „Wenn es in den Herkunftsländern der Jugendlichen bestimmte Ausbildungen nicht gibt, wäre es sinnvoll ihnen die Möglichkeit zu geben, sich zu informieren.“ Die Mehrheit der UMA ist Manfred Sigel zufolge „engagiert und hoch motiviert“.

Der in Nigeria aufgewachsene Muhammadu ist fest entschlossen, sich in seinem Gastland eine Existenz aufzubauen. Er hat ein Malerpraktikum absolviert. Seither steht für ihn fest, dass er auf dem Bau arbeiten möchte. „Ich will die Schule abschließen, eine Ausbildung machen und einen Arbeitsplatz finden“, berichtet der 17-Jährige. „Dann kann ich eine Familie gründen und meinen Kindern ein gutes Leben ermöglichen.“

Trotzdem hat der Nigerianer noch Träume. Er spielt leidenschaftlich gerne Fußball. „Mein Traum wäre es, als Profifußballer für den VfB zu spielen“, erzählt Muhammadu, der im Verein etliche Freunde kennengelernt hat – auch Deutsche. Mit ihnen verbringt er seine Freizeit. Die Vereinsmitgliedschaft ist laut Manfred Sigel neben dem Schulbesuch und der Berufsausbildung ein wichtiger Baustein bei der Integration und dem Spracherwerb.

47 UMA sind laut Manfred Sigel im Verein aktiv. Anwar, der ebenfalls Fußball spielt, hat über den Sport auch neue Freunde gefunden. Ahmed konzentriert sich lieber auf die Schule. Die Stiftung ist für ihn, Anwar und Muhammadu wichtig. „Tragwerk ist wie eine Familie für mich“, sagt Ahmed. „Wenn ich Sorgen, Probleme oder Fragen habe, gehe ich zu den Mitarbeitern, die helfen mir weiter und unterstützen mich.“ Ähnlich sieht es Muhammadu, dem die Stiftung Rückhalt gibt.

„Die jungen Menschen haben den Ehrgeiz und den Willen sich hier zu integrieren und schulisch, aber auch beruflich zu qualifizieren“, betont Manfred Sigel. „Unter den 112 UMA befinden sich nicht nur Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten, sondern auch aus Europa.“ Sie alle würden sich laut Manfred Sigel freuen, ein Praktikum oder einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Interessierte Unternehmen können mit Tragwerk deshalb jederzeit Kontakt aufnehmen.