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„Die Bauern sind die Verlierer der Reformation“

Vortrag Bezirksbauernpfarrer Harald Geyer sprach zum Thema „Luther und die Bauern“.

Köngen. Passend zum Jahr des Reformationsjubiläums hatte das Evangelische Bauernwerk in den Kirchenbezirken Kirchheim und Nürtingen und die Landfrauen Köngen-Denkendorf zu einem Abend mit dem Titel „Luther und die Bauern“ eingeladen. Die Zuhörer ließen sich von Harald Gey-er, Bezirksbauernpfarrer des Dekanats Nürtingen und Gemeindepfarrer in Kohlberg, in diesen weniger erfreulichen Teil der Reformationszeit mit hineinnehmen.

„Das Reformationsjubiläum lässt sich nicht begehen, ohne des Bauernkriegs zu gedenken, und wir wollen an diese Zeit mit Respekt und ohne Verurteilung herangehen“, begann Harald Geyer seinen Vortrag. Er gab zu: „Für mich als großer Luther-Fan war es nicht einfach, auch diese Seite in seinem Vorgehen den Bauernaufständen gegenüber zu sehen und zu akzeptieren.“

Der Bauernkrieg sei eine Folge verschiedener kleinerer Bauernaufstände gewesen: Durch den Druck der Fürsten und des Klerus hatten die Bauern unter kaum aushaltbaren Zuständen zu leiden. Der Hochadel als Gewinner dieses Systems war an der Änderung dieser Lebensumstände nicht interessiert.

Bauern litten unter Missernten

Auch Luther hatte sich in diesem System eingerichtet und wollte diesem nicht in den Rücken fallen. Dass dabei die Bauern die Last trugen, diese Gesellschaft zu erhalten, interessierte nicht. Sie litten unter wirtschaftlicher Not und Verarmung durch Missernten, Wachstum der Bevölkerung und Abgaben des Zehnten. Gleichzeitig waren sie Leibeigene und der Willkür der Fronherren ausgeliefert. Rechte wurden abgeschafft und die Abhängigkeitsverhältnisse gegenüber ihrer Herren verstärkt. Nur zu verständlich sind daher die Forderungen der Bauern: Rechte zu erhalten, Lasten zu mindern und dabei ein gottesfürchtiges Leben zu führen.

Diese Forderungen rüttelten jedoch an den Resten der Ständegesellschaft. Während die oberen Geistlichen ein ausschweifendes Leben führten, mussten die Bauern diesem Treiben machtlos zusehen. Auch Luther prangerte diese Zustände an - doch auch er war ein „Kind seiner Zeit“ und geprägt durch das Denken der Ständegesellschaft.

Seine Überzeugung „Der Christenmensch ist ein freier Mensch und niemandem untertan“ veranlasste die unterdrückten Bauern, für ihre Freiheit zu kämpfen. Doch Luther ruderte wieder zurück: „Der Christenmensch ist gleichzeitig ein Knecht und jedermann untertan.“ Nun war den Bauern die biblische Begründung für ihre Aufstände entzogen. Luther wurde somit hineingezogen in die Auseinandersetzung mit den Ständen und von der Obrigkeit für die Geschehnisse der Bauern verantwortlich gemacht - auch deshalb, weil keine klare Position von ihm dazu erklang. So kritisierte Luther zunächst noch das hochmütige Verhalten der Fürsten, um nach der Bluttat von Weinsberg die Bauern mit ihren Aufständen scharf zu verurteilen.

Diese Tat im April 1525 ging als die Weinsberger Bluttat in die Geschichte des Bauernkrieges ein und veränderte Luthers Haltung gegenüber der Bauernschaft gewaltig. Wenige Tage später verfasste er die Schrift „Wider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauern“. Schon der Titel zeigt, in welche Richtung Luther nun eindeutig Position bezog. Das Geschehen wurde für Luther zum Anlass, zu fordern: „Sei untertan der Obrigkeit.“ Die Leibeigenschaft sei nicht frevelhaft, und die Bauern hätten nicht das Recht, sich gegen die Herrschaft der Obrigkeit aufzulehnen. Auch Melanchthon als reformatorischer Zeitgenosse blies in dieses Horn.

Im Krieg mit Sensen bewaffnet

Nach vielen kleineren Aufständen kam es 1524 zum Bauernkrieg. Die Bauern verfassten ihre Forderungen in zwölf Artikeln, die sich in Windeseile über das Land verbreiteten. Mit diesen traten sie erstmalig einheitlich gegen die Obrigkeit auf. Im Krieg waren die Bauern mit Sensen und Dreschflegel und ohne den Schutz von Pferden massiv unterlegen. Dennoch gingen auch sie über die Grenzen, plünderten die Klöster und stachen die Adligen ab. Das entsetzte Luther, und das Bild des mörderischen Bauernvolkes war entstanden.

Harald Geyer als Luther-Sympathisant musste abschließend feststellen, dass diese Ära „kein Meisterstück Luthers“ war. Als Vertreter eines völlig anderen Standes als die Bauern war er für diese keine verlässliche Größe und zu stark verhaftet im damaligen politischen Denken. Nachdem er zunächst die Bauern bestärkt hatte und befürwortete, dass die Basis mitspricht, war seine Schlussüberzeugung: „Gewalt ist das Monopol der Obrigkeit, der gegenüber gibt es absoluten Gehorsam. Bauern sollen sich als Friedensstifter hervortun. Die Fürsten sollen hart vorgehen.“

Luther hatte nie mehr einen Zugang zu den Bauern gefunden - und die Bauern sind laut Geyer „die Verlierer der Reformation.“ Über drei Jahrhunderte blieben sie von der Obrigkeit abhängig. „Die Bauern wären nur Werkzeuge Satans gewesen“, zitierte Pfarrer Geyer abschließend das Resümee Luthers zu den Bauernkriegen, der das reformatorische Anliegen durch die Bauernaufstände außer Kontrolle geraten sah. smw