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„ES 07 ist erledigt“

Artenschutz macht Windkraft im Kirchheimer Bettenhart den Garaus

Lange Zeit barg der sperrige Begriff „Vorranggebiet ES 07“ großen lokalpolitischen Zündstoff. Gegen eine mögliche Windkraftanlage im Bettenhart östlich des Schafhofs hatte sich eine Bürgerinitiative heftig gewehrt. Jetzt allerdings kam das unspektakuläre Aus für diesen Standort: Nach einer „artenschutzrechtlichen Vorprüfung“ ist „ES 07“ endgültig vom Tisch.

Der Wasserturm bleibt das einzige Bauwerk von Menschenhand, das im Bettenhart in die Höhe ragt. Windräder zumindest werden sich
Der Wasserturm bleibt das einzige Bauwerk von Menschenhand, das im Bettenhart in die Höhe ragt. Windräder zumindest werden sich nicht dazugesellen. Der Artenschutz hat sich an dieser Stelle durchgesetzt.Foto: Deniz Calagan

Andreas Volz

Kirchheim. Neun von 85 verbliebenen Vorranggebieten in der Region Stuttgart hat der Regionalverband letzte Woche aussortiert. Für sechs Gebiete führte der Artenschutz zum Ausschluss, darunter auch für das Gebiet „ES 07“ im Bettenhart. Eine Nachfrage des Teckboten beim Verband Region Stuttgart brachte keine wesentlich detaillierteren Auskünfte zu den schützenswerten Arten im Bettenhart: Pressesprecherin Dorothee Lang nannte „nicht diesen Vogel oder jenen“. Vielmehr sprach sie von einer ganzheitlichen Betrachtung von „Lebensräumen, po­tenziellen Lebensräumen und Jagdhabitaten“. Bei den „Jagdhabitaten“ geht es aber nicht etwa um die Reviere von Hubertusjüngern, sondern um die Reviere diverser Tierarten.

Die artenschutzrechtliche Vorprüfung habe die Region Stuttgart nicht bei sämtlichen Vorranggebieten vorgenommen: „Überprüft wurden nur die Gebiete, bei denen mit Konflikten zu rechnen war.“ Beim Standort Bettenhart jedenfalls war mit Artenschutzkonflikten zu rechnen, und das Ergebnis der Prüfung hat das auch bestätigt. Das wichtigste Ergebnis für alle Kirchheimer – seien sie nun Befürworter oder Gegner des Projekts – fasst Dorothee Lang folgendermaßen zusammen: „Das Vorranggebiet ES 07 ist definitiv raus.“

Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker dagegen konnte gestern genauere Auskünfte geben. An der entscheidenden Sitzung im Planungsausschuss der Regionalversammlung habe sie letzte Woche zwar nicht teilgenommen, dafür aber an den Vorberatungen. „Wenn es um den Artenschutz geht, dann betrifft das den Rotmilan und das Große Mausohr“, sagt sie. Wenn eine dieser Arten – eine Vogel- und eine Fledermausart – gefunden werde, bleibe der Standort ES 07 außen vor. Das sei von vornherein klar gewesen, und so habe es jetzt auch die Prüfung bestätigt.

Auch sie fasst das Ergebnis in klaren Worten zusammen: „ES 07 ist gleich nach der Artenschutzprüfung rausgefallen. ES 07 ist erledigt.“ Somit habe es also in Kirchheim „viel Aufregung um nichts“ gegeben. Sie selbst habe immer gesagt, dass man doch erst einmal abwarten solle, was die weiteren Prüfungen des Regionalverbands ergeben: „Wenn es diese Arten bei uns gibt, dann fällt der Bettenhart sowieso raus, und da muss die Stadt gar nichts unternehmen. Das geht alles seinen Gang.“

Und wenn der Standort nicht am Artenschutz gescheitert wäre, dann sei immer noch die „Windhöffigkeit“ ein Ausschlusskriterium gewesen. Ein möglicher Investor hätte im Bettenhart nicht unbedingt damit rechnen können, dass dort beständig ein ausreichend starker Wind weht, um wirklich einigermaßen verlässlich Energie erzeugen zu können. Selbst wenn der Standort ES 07 bis zum Schluss in den Planungen der Region Stuttgart eine Rolle gespielt hätte, wäre einem tatsächlichen Bau von Windrädern eine einjährige Überprüfung der Windhöffigkeit vorausgegangen. Der Standort im Bettenhart hätte auch dieser Prüfung nicht standgehalten, davon ist die Oberbürgermeisterin überzeugt.

Dennoch ist sie der Meinung, dass es richtig war, ein mögliches Vorranggebiet in Kirchheim vorzusehen und es entsprechend ins Verfahren einzubringen: „Wenn alle Voraussetzungen gegeben gewesen wären, dann hätten wir dem nähertreten müssen. Man hat da eine gewisse Verpflichtung. Wenn es über alle gesellschaftlichen Schichten hinweg einen Konsens zum Atomausstieg und zur stärkeren Nutzung erneuerbarer Energien gibt, dann muss man alle denkbaren Standorte überprüfen.“ Andere Interessen hätte sie dann auch nicht gelten lassen. Was gar nicht gehe, sei die Einstellung: „Wir wollen alles, aber bitte nicht vor unserer Haustür.“

Für Kirchheim habe sich das jetzt aber erledigt, stellt Angelika Matt-Heidecker fest und fügt hinzu: „Es ist genauso gekommen, wie ich es immer prognostiziert habe: Wenn etwas Gravierendes dagegenspricht, wird der Bettenhart als Vorranggebiet gestrichen.“

Gewinner auf allen SeitenKommentar

Vermutlich dürften sich jetzt alle Beteiligten als „Sieger“ fühlen. Das ist zwar nicht das, was man unter einer klassischen „Win-win-Situation“ versteht, weil hier nicht unbedingt der eine vom anderen profitiert hat. Aber immerhin dürfte jeder froh darüber sein, mit den eigenen Aussagen richtig gelegen zu haben.

Die beiden „Seiten“ beim Thema „Vorranggebiet ES 07“ im Bettenhart sind zum einen die Bürgerinitiative, die vehement gegen Windräder an diesem Standort gekämpft hat, und zum anderen die Kirchheimer Stadtverwaltung, allen voran Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker. Sie hatte die Haltung vertreten, auf jeden Fall eine Fläche für ein Vorranggebiet vorzuhalten und dann abzu­warten, was damit im Verfahren des Regionalverbands geschieht.

Eines der Argumente, das die Bürgerinitiative ins Feld geführt hatte, war der Artenschutz. Und der Artenschutz hat die Debatte um einen Windpark im Bettenhart nun auch ein für alle Mal beendet. Dadurch können sich die Bürger bestätigt fühlen. Und über weitere Argumente braucht gar nicht mehr entschieden zu werden, denn das eine Ausschlusskriterium genügt vollauf.

Die Oberbürgermeisterin wiederum hat immer wieder darauf verwiesen, dass der Bettenhart nicht zwangsläufig der ideale Standort sei und dass sich das im Lauf des Verfahrens schon erweisen werde. Nun hat bereits der Artenschutz für das Ende der Debatte gesorgt, wodurch sich auch die Rathauschefin in ihrer Argumentation bestätigt fühlen darf.

Auch wenn beide Seiten das Thema nach wie vor aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten dürften, können sie nun zumindest „das Kriegsbeil begraben“. Dem Frieden in der Stadt dient die jüngste Entwicklung auf jeden Fall. Und wer hat noch gewonnen? Ganz klar: Rotmilan und Großes Mausohr.ANDREAS VOLZ