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„Fleisch kann kein Billigprodukt sein“Interview

Dr. Ulrich Jaudas, Agraringenieur aus Schlattstall, über die unterschiedlichen Fleischpreise und die wertvollen Inhaltsstoffe von Weidetieren

Viele Konsumenten bringen eine Sympathie für Bioprodukte und nachhaltig produzierte Güter, darunter Fleisch, zum Ausdruck. Laut Foodwatch geben allerdings zwei Drittel der Verbraucher den höheren Preis für ihre Kaufzurückhaltung an. Agraringenieur Dr. Ulrich Jaudas erklärt, wie die Fleischpreise bei ökologischer und konventioneller Haltung zustande kommen.

„Fleisch kann kein Billigprodukt sein“Interview
„Fleisch kann kein Billigprodukt sein“Interview

Herr Jaudas, ist Ziegenfleisch mit einem Preis von fast 20 Euro pro Kilo tatsächlich zu teuer?

ULRICH JAUDAS: Wenn 500 Gramm Schweinesteak zum Grillen 2,99 Euro kosten, ist Ziegenfleisch im Verhältnis dazu auf dem Markt nicht konkurrenzfähig. Im Grunde muss der Verbraucher nicht nur zum Gesunden hin umdenken, sondern auch einen Bewusstseinswandel dahin gehend vollziehen, dass Fleisch kein Billigprodukt sein kann. Und das gilt für alle Fleischsorten. Der Fleischpreis steht und fällt mit der Art der Haltung.

Wie hoch ist schätzungsweise der Kostenunterschied zur Massentierhaltung?

JAUDAS: Bei der Erzeugung von Schweinefleisch fallen zum Beispiel in der ökologischen Haltung von der Aufzucht bis zur Schlachtung doppelt so hohe Kosten an wie in der intensiven konventionellen Schweinemast. Die Kosten für die Erzeugung von Ziegenfleisch sind sogar über zehnmal so hoch. Preise üben eine Signalfunktion im Markt aus und bestimmen maßgeblich das Verbraucherverhalten. Um dem Konsumenten eine nachhaltige Schiedsrichterfunktion zu eröffnen, müssen Preise die Qualität und Kosten eines Produkts widerspiegeln.

Was muss sich damit bei der Vermarktung ändern?

JAUDAS: Der Marktpreis müsste die Kosten für die Erzeugung von Fleisch unter artgerechten, umweltschonenden und sozial gerechten Bedingungen widerspiegeln. Angesichts der im Lebensmittelhandel bestehenden Dominanz von einigen wenigen großen Ketten weiß ich aber auch nicht, wie solche für Tier und Mensch fairen Bedingungen verwirklicht werden können. Als Verbraucher habe ich aber durchaus auch eine gewisse Marktmacht. Ich kann der Qualität und der Herkunft des Fleisches Vorrang geben gegenüber der verzehrten Menge. So kann ich auf Schnäppchenpreise im Verbrauchermarkt verzichten und direkt beim mir bekannten Bauern oder beim lokalen Metzger einkaufen, wo mir die Herkunft des Fleisches bekannt ist.

Das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung begründet die Preisunterschiede aber auch damit, dass bei der konventionellen Fleischerzeugung die relativ hohen Kosten für Umweltschäden nicht eingerechnet werden. Würden sich die Marktchancen für Ökofleisch also verbessern, wenn die Verursacher die produktionsbedingten Umweltkosten tragen müssten?

JAUDAS: Bei dieser Frage gilt es zu differenzieren. Eine in den bäuerlichen Betrieb integrierte Tierhaltung, wie sie bei uns in Baden-Württemberg doch auch in der Mehrzahl der konventionellen Betriebe praktiziert wird, lässt sich nicht einfach mit spezialisierten Tierproduktionsbetrieben des „Güllegürtels“ im Nordwesten Deutschlands vergleichen. Deren Produktion prägt aber auch den Markt bei uns, weil in Baden-Württemberg zum Beispiel nur die Hälfte des hier verzehrten Schweinefleisches auch erzeugt wird. Das industriell erzeugte Fleisch drückt den Marktpreis auf ein Niveau, das selbst unseren konventionellen Höfen nicht mehr erlaubt, ihre Vollkosten zu decken. In diesem Sinne kann ich der Feststellung zustimmen. Nicht das ökologisch erzeugte Fleisch ist zu teuer, sondern das konventionell erzeugte ist zu billig.

Welche wertvollen Inhaltsstoffe weist das Fleisch von Weidetieren auf?

JAUDAS: Fleisch von Weidetieren oder solchen aus Freilaufhaltung, die Gras und Heu gefressen haben, ist am gesündesten. Es ist mager und enthält ein Fettsäuremuster, das für die menschliche Gesundheit vorteilhaft ist. Untersuchungen haben gezeigt, dass ihr Fleisch einen hohen Gehalt an ungesättigten Fettsäuren enthält. Hervorzuheben ist die Omega-3-Fettsäure und die konjugierte Linolsäure (CLA). Letztere ist gerade im Ziegenlammfleisch besonders reichlich enthalten und ihre antikanzerogene sowie fettabbauende und muskelaufbauende Wirkung ist nachgewiesen. Artgerechte und umweltschonende Weidehaltung führt also zu verbesserten ernährungsphysiologischen Eigenschaften beim Fleisch.

Foto: Daniela Haußmann