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Alles spricht für Tempo 30

Positive Bilanz: Eine niedrigere Geschwindigkeit hat viele Vorteile

Die neue Tempo-30-Regelung im Bereich der Stuttgarter Straße und der Paradiesstraße ist für Dieter Hutt mit vielen Vorteilen verbunden. Der Vertreter der Agenda 21-Gruppe „Initiative Fahr Rad“ ist überzeugt, dass mit der Senkung der Höchstgeschwindigkeit die Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer wächst.

Siegfried Hauff (links) und Dieter Hutt sehen Tempo 30 positiv - für alle Verkehrsteilnehmer. Foto: Daniela Haußmann
Siegfried Hauff (links) und Dieter Hutt sehen Tempo 30 positiv - für alle Verkehrsteilnehmer. Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim. „Verglichen mit 50 Stundenkilometern, ist der Bremsweg bei Tempo 30 kürzer und die Aufprallwucht geringer“, so Dieter Hutt. „Unfälle können glimpflicher ausgehen“, ist er überzeugt.‟ Schließlich übe die Geschwindigkeit einen erheblichen Einfluss darauf aus, ob eine Kollision schwere, leichte oder gar keine Schäden nach sich zieht. Einen Mehrwert sieht er auch in der Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Rad- und Kfz-Verkehr, die bei Tempo 30 deutlich geringer ausfällt. „Das wirkt sich positiv auf das Sicherheitsempfinden der Radler aus und nimmt vielen Menschen die Angst, das Fahrrad im Alltag zu benutzen“, erklärt er. Auf seinem Zweirad fühlt sich Hutt deshalb seit der neu eingeführten Basisgeschwindigkeit entlang von Stuttgarter Straße und Paradiesstraße wohler.

Ähnlich geht es Bernd Meyer. Der Sprecher der Motorradfreunde Ötlingen betont, dass Zweiradfahrer, ob mit oder ohne Motor, bei Kollisionen ein deutlich höheres Unfallrisiko tragen. Außerdem werden sie ihm zufolge wegen ihrer schmalen Silhouette häufig übersehen. „Wer langsam fährt nimmt nicht nur die Straße, sondern auch die Umgebung kon­zentrierter und aufmerksamer wahr, dass sich mit Tempo 30 durchaus viele gefährliche Begegnungen vermeiden lassen“, erklärt er.‟

Siegfried Hauff, Sprecher der Kirchheimer Arbeitsgruppe Verkehr, betont, dass sich bei einer Regelgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern „eine kooperative Verkehrskultur“ deutlich besser herausbilden kann, als bei höheren Geschwindigkeiten. Der Respekt und die gegenseitige Rücksichtnahme unter den verschiedenen und ganz unterschiedlich schnellen Verkehrsteilnehmern werde gefördert. Erste Erfahrungen entlang der neuen Tempo-30-Abschnitte deuten Hauff zufolge darauf hin, dass dies auch in Kirchheim und Ötlingen der Fall ist. „Was sich aber jetzt schon sagen lässt, ist, dass sich die Lärmsituation deutlich verbessert hat“, berichtet Siegfried Hauff, für den Stadtstraßen nicht nur Verkehrsstraßen sind.

Für ihn stellen sie auch Aufenthalts- und Kommunikationsräume für Menschen dar. „Die Lebensraumqualität ist meiner Ansicht nach gestiegen, seit mit der niedrigeren Regelgeschwindigkeit die Lärmwerte gesunken sind“, sagt er, und weiter: „Das kommt der Lebensqualität von Anwohnern und der Aufenthaltsqualität von Passanten zugute.“ Vorteile sieht Siegfried Hauff aber nicht nur bei der Lärmbelastung, sondern auch in punkto Schadstoffausstoß.

Eine langsamere und gleichmäßigere Fahrweise verringere die Schadstoffbelastung. Besonders trifft das laut Hauff auf den Feinstaub zu, der bei niedrigeren Geschwindigkeiten nicht so stark aufgewirbelt werde. Der Motor selbst stoße zwar kaum weniger Partikel aus, doch die Menge der Stickstoffoxide steige mit der Temperatur des Motors und der sei bei Tempo 30 tendenziell weniger warm. „Natürlich hängen die Emissionen vom persönlichen Fahrstil ab. Wer im ersten Gang 30 fährt bläst viel in die Luft“, so Siegfried Hauff. Deshalb raten Experten zu niedrigtourigem Fahren – sprich, Tempo 30 sollte also im höchstmöglichen Gang gefahren werden.

Damit der Verkehr auch zu Stoßzeiten bei Tempo 30 besser fließt und sich der Zeitverlust in Grenzen hält, sollte nach Ansicht von Bernd Meyer über einen Kreisverkehr in Ötlingen nachgedacht werden. „Ich denke, dass das mit Blick auf die Gleichmäßigkeit des Verkehrs eine gute Optimierungsmöglichkeit wäre“, so der Sprecher der Motorradfreunde Ötlingen.

„Ich habe mit weitaus mehr Gegenwind gerechnet“

Marcus Deger
Marcus Deger

Herr Deger, Kirchheim ist um zwei Tempo-30-Abschnitte reicher. Gab es schon die ersten Beschwerden?

MARCUS DEGER: Die gab es. Vier Personen haben sich über die Neuregelung der Geschwindigkeit in der Stuttgarter Straße und der Paradiesstraße beschwert. Die Anzahl hat mich überrascht. Ich hatte mit weitaus mehr Gegenwind gerechnet.

Was haben die Messungen mit den Radardisplays ergeben?

DEGER: Bei den Messungen zwischen 25. Februar und 9. März kam heraus, dass 85 Prozent der Fahrer in der Stuttgarter Straße mit einer Geschwindigkeit von unter 39 Stundenkilometern unterwegs waren. Besser wäre es, wenn der Großteil der Fahrzeuge mit einer Geschwindigkeit unter 36 Stundenkilometern fahren würde. In der Paradiesstraße ist das der Fall. Ich denke, in der Stuttgarter Straße bekommen wir das auch hin.

Und wie?

DEGER: Es wird in den Bereichen der neuen 2,1 Kilometer langen Tempo-30-Strecke mit mobilen Radaranlagen der Verkehr überwacht. Der damit entstehende Kontrolldruck wird sicherlich dazu beitragen, dass die vorgeschriebene Geschwindigkeit künftig noch besser eingehalten wird.

Tempo 30 war die Voraussetzung für ein Lkw-Durchfahrtsverbot. Lässt sich jetzt schon sagen, ob tatsächlich weniger Laster unterwegs sind und Autofahrer die 30er-Abschnitte meiden?

DEGER: Erste Feedbacks von Bürgern deuten darauf hin, dass die Lkw-Zahlen in einem gewissen Maß zurückgegangen sind. Mit Blick auf die Autofahrer versuchen wir einen entsprechenden Trend über die Geschwindigkeitsdisplays zu ermitteln. Es wird aber noch dauern, bis verlässliche Ergebnisse vorliegen. Es könnte aber durchaus ein Nebeneffekt des Tempolimits sein, dass der eine oder andere Autofahrer auf die Autobahn oder die Landstraße ausweicht. Insgesamt würde sich das positiv auf das Verkehrsaufkommen in den Ortsdurchfahrten auswirken.

Aber das Lkw-Verbot ist letztlich nicht der einzige Grund, weshalb das Tempolimit eingeführt wurde.

DEGER: Das ist richtig. Nach geltender Gesetzeslage sind Kommunen verpflichtet, bei einer Überschreitung der Lärmgrenzwerte – von 70 Dezibel am Tag und 60 Dezibel bei Nacht – entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den Lärmpegel und die mit ihm einhergehenden Belastungen für die Bevölkerung zu minimieren. Da Lärmwerte in Höhe von über 73 Dezibel berechnet worden sind, waren wir also gezwungen zu handeln.

Wie hat sich die Geräuschsituation durch Tempo 30 verbessert?

DEGER: Der Lärmpegel kann bei Tempo 30 um etwa 2,5 Dezibel gesenkt werden. Das klingt nach wenig, aber Studien belegen, dass eine Senkung der Lärmwerte in Höhe von 2,5 Dezibel den tatsächlichen Verkehr in der subjektiven Wahrnehmung halbiert.

Hat sich auch die Verkehrssicherheit erhöht?

DEGER: In den neuen 30er-Abschnitten ist es für Fußgänger einfacher und sicherer geworden, die Straße unabhängig von den Ampeln zu queren. Ich denke, dass angesichts des demografischen Wandels Tempo 30 auch älteren Autofahrern entgegenkommt, die vielleicht nicht mehr so reaktionsschnell sind wie jüngere. Vorteile ergeben sich natürlich auch bei Unfällen, die bei Tempo 30 bei Weitem nicht so große Schäden nach sich ziehen wie bei Tempo 50. Und die Fahrer können besser wahrnehmen, was auf Gehwegen passiert. Das erhöht die Sicherheit. Es ist aber zu früh, um zu sagen, ob sich die Unfallzahlen in der Stuttgarter Straße und der Paradiesstraße verringert haben.