Weilheim · Lenningen · Umland

Die Sache mit dem Ei

Vergnüglicher literarisch-musikalischer Abend als Abschlussveranstaltung der Vesperkirche

Die Sache mit dem Ei
Die Sache mit dem Ei

Kirchheim. Wie wohl ist dem, der dann und wann sich was Schönes dichten kann! In der Auferstehungskirche begeisterten Gerhard Lan-dauer und Hartmut Schallenmüller

vergangenen Freitag das Publikum mit ihrem humorvollen Streifzug durch deutsche Dichtkunst. Melanie Schallenmüller (Gesang) und Dankward Radunz am Flügel rundeten das abendfüllende Programm musikalisch ab.

Die beiden pensionierten Lehrer aus Kirchheim sind seit Jahren bekannt für ihr umfassendes Wissen um und ihre große Leidenschaft für die Literatur. Mit diversen Benefizveranstaltungen haben sie sich in Kirchheim und Umgebung bereits einen Namen gemacht. Ihr aktuelles Programm heißt „Der ewige Brunnen“. Das ist der Titel eines dicken Wälzers, einer Sammlung deutscher Gedichte aus acht Jahrhunderten und eine schier unerschöpfliche Quelle von sprachlichen Kunstwerken. „Also, aus diesem Riesenschatz haben wir ausgesucht“, sagte Gerhard Landauer, „das sind die Klassiker.“

Bei der Zusammenstellung besinnlicher, heiterer, ja – sogar frivoler Häppchen ging es den beiden Hauptdarstellern des Abends zunächst darum, das „Dichten“ als solches einmal näher zu beleuchten, mit vielen Beispielen. Hartmut Schallenmüller fand: „Dichter sind ja auch nur Menschen!“ Wo und unter welchen äußeren Bedingungen müssen die Gedanken zuverlässig sprühen? Mit Brummschädel und keinen „g’scheiten“ Ideen? Egal, ob sie da Goethe oder Mörike heißen: Alle haben in der Not schon so manchen Stiefel zusammengedichtet. Hauptsache, es reimt sich! Gerhard Landauer zitierte den bekannten zeitgenössischen Dichter und Satiriker Robert Gernhardt: „Ich wähn mich schon im Grabe, wenn ich nichts zu dichten habe!“

In der „zweiten Abteilung“ beleuchtete das Duo die Liebe in all ihren Facetten. Einige der schönsten Liebesbriefe schrieb Eduard Mörike, vielleicht sogar in Ochsenwang. Völlig unromantisch ließ dagegen Siegfried Lenz seinen Protagonisten Josef Gritzan nicht vom „Pfeil“ Amors treffen, sondern direkt mal von einer Axt. Oder Friedrich Holländer, ein deutscher Kabarettist, brachte eine vom Lover verschmähte Dame im Gedicht zu folgender Erkenntnis: „Wenn man liebt, dann ist man doof.“ Der junge Erich Kästner klopfte einst frivole Sprüche. Und Loriot zeigte gerne die Abgründe von Beziehungsdramen. Ein Highlight des Programms war ganz sicher Loriots Parade-Sketch „Das Frühstücksei“, der mit einem „Morgen bring ich sie um ...“ endet.

Dramatik pur gab es im dritten Programmteil. Balladen sind ja oftmals der spaßverhindernde Teil des Deutschunterrichts, doch Johann Wolfgang von Goethe bezeichnete die Ballade als das „Ur-Ei“, in dem dichterisch alles vorhanden ist. Dramatisches, Episches und Lyrisches. Es sind Erzählgedichte mit Handlung, und eines der berühmtesten ist „Der Erlkönig“. Hatten sich Gerhard Landauer und hartmut Schallenmüller bis dahin gegenseitig Bälle zugeworfen und teilweise vom Blatt zitiert, glänzten sie nun mit auswendig vorgetragenen langen Stücken wie Theodor Fontanes „Archibald Douglas“ oder „Der Ring des Polykrates“ von Friedrich Schiller.

Dankward Radunz am Piano begeisterte mit Ohrwürmern wie „Besame mucho“ oder „Somewhere over the rainbow“. Er begleitete auch die junge Sängerin Melanie Schallenmüller, etwa bei Reinhard Mey-Balladen („Alles, was ich habe, ist meine Küchenschabe“) oder auch beim „Erlkönig“ von Franz Schubert. Auswahl und Vortrag der Stücke waren sehr gelungen und ergänzten die literarischen Texte perfekt.

Diakoniepfarrerin Margarethe Oberle aus Brucken, die sich stark in der Vesperkirche engagiert, insbesondere im Kulturbereich, bezeichnete das Programm von „Der ewige Brunnen“ in ihrer Dankesrede als „deftig und duftig“. Sie habe genau beobachtet, wie es den einen oder anderen im Saal gewaltig „pfupferte“, selbst mitzusprechen oder zu singen. Und Diakon Uli Häußermann freute sich über 150 spendierfreudige Besucher: „Wir brauchen diese Spenden aus den Kulturveranstaltungen, um die preiswerten Essen im Rahmen der Vesperkirche zu finanzieren.“

Die Sache mit dem Ei
Die Sache mit dem Ei
Melanie Schallenmüller lockert die gesprochenen Gedichte mit gesungenen auf.Foto: Andrea Barner
Melanie Schallenmüller lockert die gesprochenen Gedichte mit gesungenen auf.Foto: Andrea Barner