Kirchheim. Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker sprach zunächst von einer „einmaligen Chance, ein solches Filetstück mitten in der Stadt bebauen zu können“. Zugleich sei diese städtebauliche Aufgabe eine große Herausforderung. Es gehe nicht nur um Gebäude, sondern auch um das künftige gesellschaftliche Zusammenleben im Quartier. Deshalb soll die Bebauung bei weitem nicht so eng erfolgen wie noch in einem Plan aus den 90er-Jahren vorgesehen. Was jetzt geplant ist, nennt sich „Kirchheimer Modell“. Die Stadt Kirchheim betrete damit Neuland. Aber in anderen Städten seien vergleichbare Projekte bereits erfolgreich umgesetzt worden.
Auch das „Kirchheimer Modell“ könnte durchaus zum Erfolgsmodell werden. Zumindest freute sich Gernot Pohl, der Leiter des Kirchheimer Fachbereichs Planung, über „284 Interessenten“, die es bislang gebe. Pohl zufolge zeichnet sich eine attraktive Stadt vor allem durch ihre Kleinteiligkeit aus: „Jedes Gebäude ist individuell und gehört einem anderen.“ Die Häuser wiederum wiesen zumeist „schöne Fassaden und wohlproportionierte Dächer“ auf. Das alles reiche aber noch nicht aus, denn bei einer wirklich attraktiven Stadt komme noch etwas Wichtiges hinzu: „Zwischen den Häusern müssen Menschen laufen.“
Das alles gelte für Kirchheims Innenstadt, und es soll künftig auch für das Steingau-Quartier auf dem ehemaligen EZA-Gelände gelten. Die Stadt Kirchheim möchte dadurch unter anderem erreichen, nach über 40 Jahren endlich den Bahnhof städtebaulich an die Innenstadt anzuschließen. 1975 war der Bahnhof vom heutigen Teck-Center an seine jetzige Stelle verlegt worden. Pläne für diese Verlegung waren aber bereits vor dem Ersten Weltkrieg diskutiert worden. Die Pläne für die neue Gestaltung des Steingau-Quartiers sind nicht noch nicht ganz so alt. Und dennoch liegt der Wettbewerb, den das Kirchheimer Architekturbüro KLE gewonnen hat, inzwischen auch schon fünf Jahre zurück.
Matthias Gütschow, Architekt und Projektmanager aus Tübingen, zählte auf, was im Steingau-Quartier alles möglich sein soll: Ob „Stadthaus“ oder Doppelhaus, alles lässt sich individuell gestalten. Doppelhäuser können auch so gebaut werden, dass der etwas größere Teil das Dach des kleineren Teils als Balkon nutzt. Sie können aber auch horizontal statt vertikal geteilt sein. Dann unterteilen sie sich nicht nach rechts und links, vorne oder hinten, sondern eben nach oben und unten.
Bauträger, aber vielleicht auch Baugemeinschaften können durchaus größere Wohnblocks erstellen, bei denen es Geschosswohnungen gibt. Grundsätzlich ist auch daran gedacht, im Erdgeschoss Geschäfte, Arztpraxen, Büros oder Werkstätten unterzubringen. Das würde nicht nur das Quartier lebendig machen, sondern auch Wohnen und Arbeiten miteinander verbinden – was nicht ganz unbedeutend ist in Zeiten, in denen die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gefordert wird.
Gütschows Kollege Thomas Gauggel ging schließlich auf die praktische Umsetzung des „Kirchheimer Modells“ ein: Zunächst sollen „Ankernutzer“ eine Tiefgarage für einen bestimmten Block im Quartier erstellen und zugleich mit ihrem eigenen Hochbauprojekt beginnen. Nach einer gewissen zeitlichen Verzögerung beginnen schließlich die „Anlieger“ mit ihren eigenen Projekten. Alle zusammen teilen sich nicht nur die Tiefgarage in ihrem Block, sondern auch den Innenhof, von privaten Terrassen im Erdgeschoss einmal abgesehen. Jeder Eigentümer wird somit automatisch auch Mitglied der Tiefgarageneigentümergemeinschaft und der Gemeinschaft der Eigentümer des Innenhofs. Gegebenenfalls gehört er auch einer Eigentümergemeinschaft im Gebäude selbst an, wenn es gemeinschaftliche Treppenhäuser oder Aufzüge gibt.
Zugeteilt werden die Bauplätze letztlich vom Gemeinderat, nachdem eine Vergabekommission eine Empfehlung abgegeben hat. Die Kommission entscheidet anhand der Projekte, die spätere „Ankernutzer“, aber auch „Anlieger“ einreichen – mit Angaben zum Platzbedarf und zur Grundidee des jeweiligen Konzepts.
Im Anschluss an die allgemeine Vorstellung der Planer war Zeit für die vielen Fragen des Publikums. Zur Frage nach der Heizung hieß es, dass die Energie Kirchheim derzeit über ein Gesamtkonzept nachdenke. Bei den Innenhöfen wiederum sei daran gedacht, dass diese „halböffentlich“ genutzt werden und auf jeden Fall einen Spielplatz aufweisen sollen. Zur Höhe der Gebäude sieht der Bebauungsplan drei Vollgeschosse und ein viertes Geschoss mit reduzierter Fläche vor. Zu den Grundstückspreisen, die zwischen 400 und 700 Euro pro Quadratmeter liegen, merkte Gernot Pohl an, dass 210 Prozent der Grundfläche bebaut werden können. Außerdem habe jeder einzelne die Baukosten ein Stück weit selbst im Griff, etwa durch die gewählten Standards. Für Besucher soll es eigene Parkplätze außerhalb der Tiefgarage geben. Aber Gernot Pohl hat in diesem Fall schon ein Problem erkannt: „Meistens parken dann die Bewohner auf den Besucherparkplätzen.“