Weilheim · Lenningen · Umland

Ein offenes Wort mit Folgen

AfD-Kandidat im Wahlkreis Kirchheim nach Zeitungs-Interview vom Dienst suspendiert

Meinungsfreiheit ist ein wertvolles Gut. Dass man als potenzieller Volksvertreter seine Worte dennoch mit Bedacht wählen sollte, hat jetzt der Landtagskandidat der AfD im Wahlkreis Kirchheim erfahren.

Ärger mit der eigenen Meinung: AfD-Kandidat Günter Lenhardt haben „saloppe Äußerungen“ den Job gekostet.Fotos: Carsten Riedl/Hor

Ärger mit der eigenen Meinung: AfD-Kandidat Günter Lenhardt haben „saloppe Äußerungen“ den Job gekostet. Fotos: Carsten Riedl/Horst Rudel

Kirchheim. Günter Lenhardt ist offenbar keiner, der die große Bühne sucht. Der Mann, der im Wahlkreis Kirchheim bei der Landtagswahl für die „Alternative für Deutschland“ (AfD) antritt, ist 59 Jahre alt, verheiratet, Vater von drei Kindern und wohnt in Filderstadt-Harthausen. Zu Gesicht bekommt ihn in der Öffentlichkeit so gut wie niemand, von seltenen Auftritten an Infoständen oder noch selteneren Wahlstammtischen seiner Partei in Gaststätten einmal abgesehen. Von seinen Mitbewerbern der vier im Landtag vertretenen Parteien, die schon seit Wochen die politische Debatte in Bürgerhäusern und auf Podien führen, kennt den Mann keiner.

Das dürfte sich jetzt ändern. Günter Lenhardt hat der Stuttgarter Zeitung vergangene Woche ein Interview gegeben, in dem er seine Meinung zur Flüchtlingspolitik und zur umstrittenen Grenzsicherung äußert. Dabei wird der Reserveoffizier der Bundeswehr mit den Worten zitiert: „Dem Flüchtling ist es doch egal, an welcher Grenze, an der griechischen oder an der deutschen, er stirbt.“ Zu bewaffneten Grenzkontrollen an den EU-Außengrenzen stellte Lenhardt fest: „Wozu ist eine Waffe da, wenn nicht zum Schießen.“

Das Brisante an dem Fall, das auch erklärt, weshalb sich der 59-Jährige unter der Woche nicht der politischen Arbeit in seinem Wahlkreis widmen kann: Lenhardt arbeitet hauptamtlich für die Bundeswehr im Registrierungszentrum für Flüchtlinge in Heidelberg. Zumindest galt das bis Montag. Seitdem ist er vom Landeskommando der Bundeswehr in Baden-Württemberg vom Dienst in Heidelberg suspendiert. Gestern fand eine erste Anhörung statt. Es werde geprüft, was Lenhardt in der Erstaufnahmestelle genau gemacht habe und ob er diese Aussagen tatsächlich so getroffen habe, sagt Bundeswehr-Sprecher Andreas Steffan.

Lenhardt hingegen steht zu seinem Wort. In einem Telefongespräch mit unserer Zeitung am Montagabend bestätigte er seine Aussagen. Als Sachbearbeiter in Produktion und Logistik für einen Stuttgarter Autobauer sei er in der ganzen Welt herumgekommen, sagt Lenhardt. „Mir braucht keiner mit Rassismus zu kommen.“ Dass es im Umfeld der AfD und unter potenziellen Wählern klare rechtsradikale Tendenzen gebe, bestreitet Lenhardt nicht. Das zeige sich immer wieder an vereinzelten Personen, die zu den Wahlstammtischen kämen. Ein Problem, mit dem andere Parteien auch zu kämpfen hätten. „In einer Partei mit über 20 000 Leuten lassen sich solche Strömungen nicht verhindern“, meint Lenhardt, der nach eigener Aussage 40 Jahre lang CDU-Wähler war.

In Reihen der Bundeswehr sieht man das offenbar kritischer. Nach dem Landeskommando hat inzwischen auch der Reservistenverband – Lernhardt ist Mitglied der Reservistenkameradschaft Filder – dem Landtagskandidaten Konsequenzen angedroht. Nicht nur dessen Äußerungen lassen den Mann als nicht mehr tragbar erscheinen. Lenhardt hatte es offenbar auch versäumt, den Arbeitgeber über seine Kandidatur für den Landtag zu benachrichtigen.

Im Landesverband der AfD ging man gestern zwar auf Distanz zum Kandidaten, warb jedoch auch um Verständnis. Die Sätze seien aus dem Zusammenhang gerissen worden, meint Bernd Grimmer, einer von drei Sprechern im Parteivorstand. „Das war eine sehr saloppe Äußerung, die ich so nicht gemacht hätte und die auch nicht öffentlichkeitstauglich ist.“ Ob der Fall parteiintern Konsequenzen habe? Man werde mit Lenhardt reden und einen sensibleren Umgang mit dem Thema Flüchtlinge anmahnen, sagt Grimmer. Mehr Möglichkeiten habe man nicht. „Ein Parteiausschluss wäre sicherlich maßlos überzogen.“