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Ohne Schulabschluss geht gar nichts

KiZ befragt Betriebe aus Kirchheim und Umgebung zu ihren Anforderungen an Auszubildende

Klagen über fehlende Ausbildungsreife sind ebenso häufig wie pauschal. Das Kommunikationszentrum für interkulturelle Zusammenarbeit (KiZ) hat nun konkret bei Betrieben in Kirchheim und Umgebung nachgefragt. Zwei wichtige Ergebnisse: Ein Problem ist das schlechte Image vieler Handwerksberufe, und auch Betriebe können beim Umgang mit Azubis dazulernen.

Ausbildung im Handwerk: Etlichen Betrieben im Raum Kirchheim fehlt es an geeigneten Bewerbern für eine Lehrstelle. Manche forder
Ausbildung im Handwerk: Etlichen Betrieben im Raum Kirchheim fehlt es an geeigneten Bewerbern für eine Lehrstelle. Manche fordern deshalb, das Image von Handwerksberufen zu verbessern. Nicht jeder junge Mensch müsse später einmal studieren.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Das KiZ bietet an der Kirchheimer Raunerschule Projekte zur Berufsvorbereitung an. Häufig wird auch einzelnen Jugendlichen gezielt unter die Arme gegriffen – sei es bei Bewerbungen oder auch bei Schwierigkeiten, die bei den ersten Schritten im Berufsleben auftreten. Nach diesen Schwierigkeiten, aber auch nach Wünschen der Ausbilder hat sich das KiZ-Team jetzt erkundigt – im Projekt „Praktisch berufsfähig“, das die Diözese Rottenburg-Stuttgart mit der „Aktion Martinusmantel“ unterstützt.

434 Betrieben hat das KiZ einen Online-Fragebogen zugesandt. 70 Antworten sind zurückgekommen, weshalb sich Wolfgang Schinko, der Leiter des KiZ, über eine überdurchschnittlich hohe Rücklaufquote von 16,1 Prozent freuen kann. Repräsentativ im objektiv-wissenschaft­lichen Sinn sind die Ergebnisse vielleicht nicht, aber doch richtungsweisend. Jessica Villamar-Ruiz vom Brückenhaus, die als Schulsozialarbeiterin an der Raunerschule seit vielen Jahren eng mit dem KiZ zusammenarbeitet und die deshalb auch an dem Projekt beteiligt war, berichtet von Antworten „aus fast allen Branchen“. An den 70 Betrieben, die sich beteiligt haben, werden junge Menschen in 62 verschiedenen Berufen ausgebildet.

Mehr als die Hälfte der Auszubildenden konnte zwar die mittlere Reife vorweisen, mehr als ein Drittel aber auch „nur“ den Hauptschulabschluss. Das heißt, dass Hauptschüler in den Betrieben durchaus willkommen sind. Ein Abschluss ist aber grundsätzlich erforderlich: Keiner der Betriebe hatte Auszubildende ohne entsprechende schulische Qualifikation.„Auf dem ersten Arbeitsmarkt geht gar nichts ohne Schulabschluss“, stellt Jessica Villamar-Ruiz fest.

Mitunter war der fehlende Schulabschluss sogar der Grund dafür, dass ein Unternehmen eine Ausbildungsstelle zum Herbst 2015 noch nicht vergeben hatte: Ein Auszubildender hat die mittlere Reife nicht geschafft und muss sie nächstes Jahr erst noch nachholen. 60 Prozent der Betriebe, die keine Auszubildenden oder noch unbesetzte Stellen hatten, gaben an, keine geeigneten oder auch gar keine Bewerber gefunden zu haben.

Defizite der Bewerber wurden vor allem bei Lernbereitschaft, Motivation und Interesse gesehen sowie bei Rechenfertigkeiten und Ausdrucksvermögen, schriftlich wie mündlich. Es gab aber auch individuelle Antworten. Ein Handwerker beklagte „den niedrigen Stellenwert einer Lehre“. So würden viele nach der Lehre wieder auf die Schule gehen und später studieren. Diese Leute seien oft unglücklich, „weil sie an ihren Talenten vorbei sich unnütz durch Theorie quälen, anstatt in der Praxis mit Freude und Anerkennung tätig zu sein“.

Wolfgang Schinko berichtet auch von einem Betrieb, der ein Umdenken seitens der Chefs fordert: „Da hieß es, dass nicht nur die Azubis geschult werden müssen, sondern auch die Ausbilder, um mit Auszubildenden umgehen zu können.“ Gegen Defizite lässt sich auch während der Ausbildung noch etwas unternehmen. In vielen Betrieben gibt es eigene Nachhilfeangebote. Damit hat das Umdenken schon eingesetzt: Wenn die optimalen Bewerber fehlen, müssen Betriebe dazu übergehen, vorhandene Bewerber zu optimieren – auch wenn das zunächst als Zumutung erscheinen mag, angesichts fehlender Grundkenntnisse.

Ausbildungsabbrüche waren bei der Umfrage ebenfalls ein Thema. Als häufigster Grund wurde genannt, dass die Auszubildenden falsche Vorstellungen vom Beruf hatten. Für ein Viertel der Abbrecher war die Ausbildung zu schwierig. Bei 17 Prozent hatte es „Schwierigkeiten mit Mitarbeitern“ gegeben. In den Unternehmen wird durchaus erkannt, dass die Anforderungen steigen, weil der Druck im Geschäftsalltag zunimmt, weil sich die Technik immer schneller entwickelt und weil die Kunden höhere Ansprüche stellen.

Was lässt sich tun, um die Lage zu verbessern? Die Betriebe bieten immer mehr Praktika im Vorfeld an. Und von Jugendberufshilfeträgern wie dem KiZ wünschen sie sich Beratung in Konflikt- und Krisensituationen sowie Angebote zur Teambildung oder zur Schulung sozialer Kompetenzen. Das KiZ bleibt also im Gespräch mit den Betrieben, um Schüler und Auszubildende gemeinsam fit zu machen für die Anforderungen im Beruf.