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Sie sind die „Dampfverrückten“

Technik Beim Verein Historische Dampftechnik Kirchheim dreht sich seit 20 Jahren alles um Maschinen, etwa um die Restaurierung eines antiken Pflugsatzes. Von Sabrina Kreuzer

Sie nennen sich selbst die „Dampfverrückten“. Mit Herz und Seele sind die Mitglieder des Vereins Historische Dampftechnik Kirchheim (HDK) um den Vorsitzenden Achim Gold dabei, wenn es um die über 100 Jahre alten Dampfpfluglokomobile der Firma Fowler, die Zettelmeyer Straßenwalze oder zwei Pflüge geht.

Die aktiven Mitglieder treffen sich jeden Samstag. „Es ist ein Hobby, das wir nicht das ganze Jahr ausüben können“, sagt Achim Gold. Aber zur warmen Jahreszeit, und vor allem kurz vor einem wichtigen Termin, komme es schon vor, dass bis spät abends geschraubt werde. Die Werkstatt und die Maschinen stehen in der Boschstraße gegenüber dem städtischen Baubetriebsamt. Dort wird geschweißt und geputzt, was das Zeug hält. „Es gibt Arbeiten für alles und jeden“, erzählt Achim Gold. Ein wenig technisches Verständnis sollte vorhanden sein. Am wichtigsten ist aber die „Freude am Schaffen“.

Ein besonderer Termin für den HDK steht am 24. September an. An diesem Tag findet anlässlich des 20-jährigen Vereinsjubiläums ein Dampfpflügen mit dem Dampfpflugsatz bei der DEULA Kirchheim statt. Der HDK wurde am 6. Mai 1997 gegründet, dem 160. Geburtstag von Max Eyth. Der Kirchheimer Ingenieur arbeitete 20 Jahre lang für den englischen Dampfpflug-Hersteller John Fowler in Leeds. Er revolutionierte die weltweite Dampfpflugtechnik.

Auf seinen Dampfpflugsatz kann der Verein stolz sein. Er ist der letzte erhaltene in ganz Deutschland. „Zu Kriegszeiten war Eisen Mangelware. Da hat man alles eingeschmolzen, um Kanonenkugeln herstellen zu können“, sagt Peter Bay, der seit 2006 Mitglied ist. Er wurde beim Hägelesfest in Ötlingen auf den Verein aufmerksam und war fasziniert: „Mit dem Klang der Kurbelwelle hat mich das Fieber gepackt.“

Im August fahren Peter Bay und Achim Gold mit einigen anderen HDK-Mitgliedern nach Nordhorn an die holländische Grenze. Dort finden die historischen Feldtage statt, bei denen antike Dampfpflüge im Einsatz sind. Mit den beiden Fowler-Dampfpflügen 12136 und 12137 sowie dem Grubber von Heucke sind die Kirchheimer vor Ort.

Eine Pflugschau bedeutet Arbeit

Bei solchen Einsätzen ist volle Konzentration gefragt: Die Dampfpflüge werden jeweils an einem Ende des Feldes platziert. Dazwischen steht der Grubber, der durch zwei 300 Meter lange Seile mit den Dampfmaschinen verbunden ist. Die Fowler-Dampfpflüge ziehen den Grubber vom einen Ende des Feldes, wo er gedreht wird, zum anderen. „Dabei muss derjenige, der auf dem Dampfpflug steht, immer das Feld im Auge behalten“, erklärt Peter Bay. „Es kann vorkommen, dass in der Erde große Steine stecken. Das kann gefährlich werden.“ Bei einem Zusammenprall des Pflugs mit einem Stein kann die Schar beschädigt werden. Der Pflug bremst dabei abrupt ab. Im schlimmsten Fall wird der Fahrer abgeworfen. Nur durch gute Reflexe und das Abschalten des Seilzugs können solche Unfälle vermieden werden.

Auch der TÜV schaut vorbei

Um eines der Dampfpfluglokomobile zu betreiben, sind mindestens zwei Personen notwendig: Eine davon lenkt, die andere feuert an. „Wir heizen heute nicht mehr mit Kohle, sondern mit Holz“, sagt Achim Gold. Da der HDK die Loks nur zur Schau einsetzt, ist die Belastung niedriger, und sie brauchen nicht so viel Kraft. Trotzdem muss der Betrieb überwacht werden. Das geschieht durch den TÜV, der regelmäßig den Kesseldruck prüft und die Maschinen im Betriebszustand testet. „Man muss bedenken, dass alle unsere Dampfpflüge früher schwer gearbeitet haben. Da geht schon mal etwas kaputt“, sagt Peter Bay. Die Maschinen waren bis in die 1960er-Jahre voll im Einsatz. Im Falle eines Schadens muss der TÜV-Prüfer entscheiden, ob eine Reparatur noch möglich ist. Ersatzteile gibt es nicht mehr. Die Teile müssen in Handarbeit selbst hergestellt werden.

1 Infos, Bilder und Daten zu allen Maschinen gibt es auf www.historischedampftechnik.de

Historische Maschinen des Vereins

Fowler 12137 Der im Jahr 1909 erbaute Dampf-Pflug war 1967 ein Geschenk von der Firma Rau aus Weilheim an die Max-Eyth-Schule Kirchheim.

Kemna Kipp-Pflug Den vier Tonnen schweren Pflug aus dem Jahr 1919 erwarb der Landkreis Esslingen am 19. April 1994 von der Firma Rau.

Fowler 12136 Die 19 Tonnen schwere Lok wurde 1909 gebaut. Den Dampfpflug erwarb der Landkreis Esslingen am 19. April 1997 von der Firma Rau. 2006 restaurierte der HDK die Maschine. Dieses Dampfpfluglokomobil wird zusammen mit der 12137 eingesetzt, um den Ablauf beim Pflügen nachzustellen.

Grubber Heucke Der Wende-Kultivator aus dem Jahr 1926 wurde am 19. April 1997 vom Landkreis Esslingen erworben.

Zettelmeyer Walze Die Dampfstraßenwalze wurde 1934 gebaut. Im Jahr 1972 war sie ein Geschenk der Firma Kübel in Kirchheim an die Stadt Kirchheim.skr