Kirchheim/Weilheim. Pa Modou lädt jeden Monat 15 Euro Guthaben auf, bleiben 310 für Essen und alles andere. Telefonieren sei sehr teuer: Für zehn Euro könne man gerade mal zwanzig Minuten mit Gambia sprechen. Um teure Roaming-Gebühren zu umgehen, braucht er das Internet. Telefonieren mit Apps wie Skype und Viber ist viel günstiger. Und auf herkömmlichen Handys unmöglich. Er war eineinhalb Jahre unterwegs von der gambischen Hauptstadt Banjul nach Kirchheim. Mit dem Bus über Land nach Libyen, dann auf dem Seeweg nach Italien. Familie und Freunde hat er wie vieles andere in Gambia zurückgelassen. Sein Handy ist der Draht in die Heimat.
Wer flieht, tut dies nicht mitsamt gesammeltem Hausstand. Wer illegal reist, bewegt sich selten auf bequemen Routen. Umso wichtiger ist es, alles an einem Flecken zu haben: Auf der Flucht ist das Smartphone längst nicht nur ein Handy – es ist Navigationsgerät, Übersetzer, Fotoalbum, Verbindung in die Heimat und ins Zielland. Das Smartphone haben viele schon vor Europa – zum einen ist es in vielen afrikanischen und einigen asiatischen Ländern günstiger, zum anderen der Mobilfunk oft viel besser ausgebaut als Festnetzverbindungen.
Fedaa Hanoun kommt aus den Trümmern Damaskus‘. Seine Eltern und zwei Schwestern sind noch da. „Überall sind Krieg und Bomben“, sagt er. „Nur beim Präsidenten nicht“, ergänzt er und kann sich ein zynisches Lachen nicht verkneifen. Er macht sich große Sorgen um seine Familie, kann nachts oft nicht schlafen. Am liebsten würde er sie nachholen. Neulich war er im Krankenhaus. Sein Herz mache den ganzen Kummer nicht mehr mit, meint er. Ein- oder zweimal die Woche ruft er seine Familie an, obwohl die Verbindung nach Syrien sehr schlecht sei. Dafür hortet er fünf verschiedene Sim-Karten – für jeden Zweck hat der 27-Jährige die günstigste Variante bereit.
„Der Kontakt in die Heimat und zu Flüchtlingen in anderen Städten ist ganz wichtig“, weiß auch Jochen Ziegler vom AK Asyl in Weilheim. Ebenso wichtig ist es, schnell im neuen Land Fuß zu fassen. Die Zuständigen von der AWO haben nicht die Möglichkeit, jedem Einzelnen den Weg zu zeigen, und die Sprachkurse wollen auch erst organisiert sein. Das Smartphone sorgt in der Zwischenzeit für ein Minimum an Verständigung. „Viele benutzen die Übersetzungsfunktion von ihrer Heimatsprache ins Deutsche“, sagt Ziegler. „Man kann sich die Wörter dort auch vorsprechen lassen.“ Google Maps hingegen hilft, eigenständig den Weg zu finden. „Wenn ich in die Stadt wollte, hab ich nie gewusst, wohin“, erklärt Pa Modou aus Gambia. Auch in den Supermarkt ließ er sich von dem Gerät leiten. Ähnlich läuft es bei anderen Angelegenheiten. „Wenn wir Fragen haben und jemanden sehen, gehen wir natürlich zu den Ehrenamtlichen“, berichtet Pa Modou. „Wenn keiner da ist, gucken wir im Internet nach.“ Zu Besuchen sind die helfenden Hände in der Dettinger Straße einmal die Woche.
Weil die Helfer in Kirchheim und Weilheim wissen, welche Rolle die Smartphones für die Geflohenen spielen, gibt es hier wie dort Diskussionen darüber, einen WLAN-Zugang einzurichten. Bislang allerdings ohne Ergebnis. „AK Asyl, Stadt und Landkreis sind in Weilheim dabei, WLAN zu organisieren, aber da liegt noch nichts in trockenen Tüchern“, verrät Jochen Ziegler. Die Datentarife findet er fürchterlich teuer. Weil die Flüchtlinge kein dauerhaftes Bleiberecht haben, kriegen sie auch keine richtigen Verträge. Die wären wiederum bezahlbarer. In Weilheim gibt es das Café Wesley‘s, das Flüchtlinge sogar dazu einlädt, seinen Internetzugang zu nutzen. „In Kirchheim kenne ich keinen Platz“, sagt Pa Modou.