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Surfer beweist Näschen für den Wind und fürs Geschäft

Ideen Sportliches Pärchen entwirft aus ausgedienten Segeln hochstrapazierfähige Taschen und lässt sie im Frauengefängnis produzieren. Von Sebastian Steegmüller

Ganz schön robust müssen Surfsegel sein, besonders die von Windsurflegende Robby Naish.Foto: dpa
Ganz schön robust müssen Surfsegel sein, besonders die von Windsurflegende Robby Naish.Foto: dpa

Die Windrichtung ist günstig. Jetzt oder nie. Mit einem kräftigen Ruck zieht Kajus Daub das Segel aus dem Wasser, es bläht sich auf, sein Brett nimmt Fahrt auf. Jeder Handgriff sitzt, geschickt hält er die Balance. Die schnellen Bewegungen sind in Fleisch und Blut übergegangen. Kein Wunder: Der 43-Jährige, der aus Kirchheim stammt, surft von Kindesbeinen an, jede freie Minute verbringt er auf dem Wasser. „Es bedeutet für mich ein Stück Freiheit.“

Auch im Sommer 2014 genoss der Architekt mit seiner Lebenspartnerin Tina Schradi, ebenfalls begeisterte Windsurferin, diese Freiheit. Am Bodensee und an einem „ganz normalen Föhntag“, so Daub. Schlagartig wurde sie ihm jedoch nicht nur sprichwörtlich entrissen. Starke Böen machten das Segel von jetzt auf nachher unbrauchbar. „Man kann das Tuch zwar mehrfach flicken, irgendwann ist dann jedoch Schluss.“ Die verlorene Materialschlacht war am Abend noch ein Thema bei den Beiden. „Uns hat es einfach geärgert, dass wieder einmal ein Segeltuch, das neu rund 600 Euro kostet, in der Tonne landet“, sagt Schradi. Oder noch schlimmer, wie an vielen Surfspots einfach als Müll am Strand oder schließlich gar im Meer landet. Daraus müsste sich doch was machen lassen, lautete damals die Devise.

Gesagt, getan: „Wir haben uns einen einfachen Tacker und eine Schere genommen und dann sieben verschiedene Taschen entworfen“, so die 37-Jährige. – Prototypen, die mit der heutigen Kollektion nicht mehr viel gemein haben. In Zusammenarbeit mit Michael Stocker, Schneidermeister und Inhaber des Modeladens Amisura in der Cannstatter Liebenzeller Straße, wurden die Taschen ein Jahr lang weiterentwickelt. „Er brachte uns auch auf die Idee, sie in der Justizvollzugsanstalt Schwäbisch Gmünd fertigzulassen. Ein Modell, das uns sehr gut gefällt.“ Zum einen werde die Ausbildung und somit die Resozialisierung der Inhaftierten durch solche Aufträge gewährleistet, zum anderen stehe man mit den Schneiderinnen in regem Austausch, habe so auch eine direkte Qualitätskontrolle. „Die Rückmeldungen sind positiv. Die Frauen freuen sich, dass sie nicht nur Handtücher nähen.“ Eine Produktion in Fernost sei indes nicht infrage gekommen. „Der Fairtrade-Gedanke ist uns wichtig. Und man weiß ja, wie dort produziert wird.“

Plötzlich war es soweit. Unter dem Label „Beachbreak“ präsentierten die beiden Windsurfer ihre „hochstrapazierfähigen Taschen“, so Schradi, die sich als Online-Redakteurin um das Design, den Internetauftritt und die sozialen Netzwerke kümmert. Ihr Freund übernimmt indes die Finanzen und das Marketing. Zehn Monate sind die beiden Cannstatter mit ihren Kreationen nun am Markt und haben offenbar den richtigen Riecher gehabt. „Es läuft ganz gut.“ Auf der Messe Interboot in Friedrichshafen sei das Interesse riesig gewesen. So groß, dass man ohne Ware den Rückweg nach Stuttgart antreten konnte. „Wir waren ausverkauft, das war der Hammer“, sagt Schradi. Und das, obwohl die Produktpalette seit Jahresbeginn stetig gewachsen ist.

Vom Brillen-Etui, über den Kulturbeutel, die i-Pad-Hülle bis zur großen Einkaufstasche – dem Bestseller – gibt es eigentlich alles, was man aus einem Surf-Segel herstellen kann. Selbst die dünneren, aber ebenfalls sehr stabilen Kite-Tücher haben die Beiden für ihre Zwecke entdeckt. „Für Turnbeutel, die wieder sehr gefragt sind, das ideale Material.“

Zwölf verschiedene Beachbreak-Schablonen gibt es mittlerweile. Die Sorge, dass sich zwei Kunden exakt mit der gleichen Tasche über den Weg laufen, braucht man dennoch nicht haben. „Es sind alles Unikate“, verspricht Schradi, die den optimalen Ausschnitt jeweils von Segel zu Segel individuell festlegt. Beschwerden über ihre Auswahl habe es noch keine gegeben. Auch im Bezug auf die Stabilität gebe es keine Beanstandungen. „Wir benutzen die Taschen selbst im Alltag, bislang machen sie wirklich alles mit.“

Besonders beliebt bei Surfern seien Taschen aus eigenen Segeln. „Es hat einen über Jahre begleitet“, sagt Daub. „Oft hängen schöne Erinnerungen daran.“ Natürlich verlässt sich das Pärchen nicht nur auf die Zusendungen von Surfern und den eigenen Verschleiß. „Wir kooperieren mit Surfschulen und holen deren defekte Segel regelmäßig ab.“

Über Umwege, einen Kontakt beim Surf Magazin, sei man sogar schon zum Segel von Björn Dunkerbeck und an das Kite von Robby Naish gekommen – beides vielfache Windsurf-Weltmeister. „Zwei ganz besondere Schätze, die wir in einer speziellen Serie gesondert verkaufen. Die bereits daraus erstellten Taschen sind schon jetzt begehrte Sammlerstücke.“

Der Kirchheimer Kajus Daub und Tina Schradi entwerfen Taschen aus zerrissenen Surfsegeln.Foto: Sebastian Steegmüller
Der Kirchheimer Kajus Daub und Tina Schradi entwerfen Taschen aus zerrissenen Surfsegeln.Foto: Sebastian Steegmüller