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Teures Pflaster für Ladenbesitzer

Hohe Mieten für Geschäftsräume in der Kirchheimer Innenstadt machen Selbstständigen zu schaffen

Sabine Schneider und ihr Mann Karl-Heinz betreiben 15 Jahre lang das „Foto-Magazin“ in Kirchheim. Dann kündigt der Vermieter wegen Eigenbedarfs. Einen neuen Laden hat das Paar nicht gefunden: Die Mieten in der Kirchheimer Innenstadt seien einfach viel zu hoch, sagen sie.

Zu den 1-A-Lagen in Kirchheim zählt die Max-Eyth-Straße.Foto: Jean-Luc Jacques
Zu den 1-A-Lagen in Kirchheim zählt die Max-Eyth-Straße.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Mit 55 Jahren hatte Karl-Heinz Schneider eigentlich noch nicht ans Aufhören gedacht. Seit 15 Jahren steht er im „Foto Magazin“ am Kirchheimer Krautmarkt hinter Ladentheke und Kamera, Inhaberin ist seine Frau Sabine. Als der Vermieter – die Stadt Kirchheim – fristgerecht wegen Eigenbedarfs kündigt, macht sich das Paar auf die Suche nach einem neuen Ladengeschäft. Die Auswahl ist nicht riesig, aber auch nicht klein. Momentan stehen in Kirchheim einige Geschäfte leer, auch in Top-Lagen.

Ein halbes Jahr später hat Karl-Heinz Schneider die Suche eingestellt. „Die Mieten in der Kirchheimer Innenstadt sind nicht realisierbar“, sagt er. Schneider hat sich beispielsweise ein Geschäft angesehen, das zwar innerhalb des Alleenrings, aber in einer Nebenstraßen liegt. Wahnsinnig viel Publikumsverkehr ist dort nicht zu erwarten. Kosten soll der Laden 2 500 Euro Miete im Monat. Kalt. „Dazu kommen Nebenkosten, Kosten für Ware, Kredite, Werbung. Und meine Angestellten und ich wollen ja auch noch etwas verdienen“, rechnet Schneider vor. Für das Geschäft in der Alleenstraße 3 hatte der Vermieter eine vergleichsweise geringe Miete verlangt, die Karl-Heinz Schneider als „fair“ bezeichnet. „Damit lief der Laden. Aber mehr als 1 500 Euro können wir einfach nicht bezahlen.“ Die Mieten, die in der Kirchheimer Innenstadt verlangt würden, seien nicht zu erwirtschaften. „Es geht nur, wenn man alteingesessen ist und einem das Geschäft gehört.“

Auch außerhalb des Alleenrings hat Schneider sich umgesehen, die Idee allerdings schnell verworfen. „Ich habe mit Inhabern in der Dettinger Straße gesprochen, die mir davon abgeraten haben“, sagt er. Eine habe ihm wortwörtlich gesagt: „Ich bin tagelang da oben gesessen, und es kam keine Sau.“ Besser seien Einkaufszentren wie das Teck-Center oder das Nanz-Center. Dort gebe es einiges an Publikumsverkehr, auch die Mieten seien erschwinglicher. „Aber in Einkaufszentren ist man bei vielen Entscheidungen gebunden und muss mitmachen, ob man will oder nicht. Sei es bei den Öffnungszeiten oder bei Werbeaktionen. Das muss man sich auch erst mal leisten können“, sagt Schneider.

Karl-Heinz Schneider sorgt sich um die Vielfalt in der Kirchheimer Innenstadt. Menschen, die ein neues Geschäft eröffnen wollen, hätten kaum Chancen. „Wenn es keine inhabergeführten Geschäfte gibt, sehen die Innenstädte irgendwann alle gleich aus. Dann gibt es nur noch Drogerien, Bäcker und Handygeschäfte“, sagt er. Die Kunden, die Waren zunehmend per Mausklick ordern, will er gar nicht pauschal für die Krise des Einzelhandels verantwortlich machen. „Mich ärgern Menschen, die viel Zeit haben, super informiert sind, sich von mir beraten lassen und dann doch woanders kaufen“, sagt er. Bei ihm seien das hauptsächlich Männer 60 plus gewesen. „Es ist nicht fair, den Handel die Arbeit machen zu lassen und sein Geld dann woanders auszugeben“, sagt er.

Künftig ist die Alleenstraße 3 in Kirchheim und das angrenzende Geschäft die neue Heimat der Stadtwerke. In dem Gebäude der Stad
Künftig ist die Alleenstraße 3 in Kirchheim und das angrenzende Geschäft die neue Heimat der Stadtwerke. In dem Gebäude der Stadt sind unter anderem die Stadtbücherei und die Technischen Ämter untergebracht. Foto: Jean-Luc Jacques

Neue Läden haben's schwer

Kirchheim ist eine attraktive Einkaufsstadt. Noch. Wer das Kommen und Gehen der Läden in der Altstadt beobachtet, hat das Gefühl, dass für jedes inhabergeführte Geschäft ein Filialist nachrückt. Für den Otto-Normal-Selbstständigen sind die Mieten in den Top-A-Lagen schlicht und einfach nicht bezahlbar. Leichter haben es Ladenbesitzer, die keine Miete zahlen müssen, weil sie ihre Geschäft irgendwann geerbt haben.

Das Ergebnis kann jeder besichtigen, der die Marktstraße und die Max-Eyth-Straße entlang geht. Dort finden sich vor allem Geschäfte, die es in jeder deutschen Fußgängerzone gibt und Läden, die es in Kirchheim schon immer gab. Gegen traditionelle Geschäfte ist rein gar nichts zu sagen. Traurig ist nur, dass in dieser Mischung der Platz fehlt für innovative Ladenkonzepte, die dafür sorgen würden, dass Kirchheim als Einkaufsstadt bunt und vielfältig bleibt. Vermieter, die auf ihren Forderungen beharren, anstatt sich ein wenig kulant zu zeigen, tragen ihren Teil zur Verödung bei. Die Erfahrung in anderen Städten zeigt, dass Leerstand meistens noch mehr Leerstand nach sich zieht.ANTJE DÖRR