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Trauer in „Klein-Paris“

Nach den Attentaten in Paris klettert Jürgen Schweizer den Lindorfer Eiffelturm hoch und hisst auf sechs Meter Höhe die schwarze Trauerflagge. Den Turm hat er selbst gebaut – als Geschenk für sein „Klein-Paris“.

Eifelturm in Lindorf mit schwarzer Flagge und fränzösicher von Bächle
Eifelturm in Lindorf mit schwarzer Flagge und fränzösicher von Bächle

Kirchheim. Wer in diesen Tagen an der Ötlinger Straße vorbeifährt, staunt nicht schlecht: Ein Eiffelturm mitten in Lindorf. Im ersten Stock weht eine französische Fahne, auf der letzten Etage klemmt eine schwarze Trauerflagge im Blech. Was wirkt wie eine gigantische Geste an Paris, hatte zunächst einen ganz anderen Hintergrund. Tatsächlich schlummerte der Plan für den Lindorfer Eiffelturm schon seit letztem Jahr in Jürgen Schweizers Schublade.

Seit er seinen selbstgebastelten Eiffelturm vor drei Wochen in den Hof seiner Eltern gestellt hat, zieht das Sechs-Meter-Gestell die Blicke der Passanten auf sich. „Manche halten mit dem Auto an, um zu staunen. Manche klettern sogar hoch und machen ein Foto“, sagt Schweizer. „Damit hätte ich nie gerechnet.“

Für ihn bedeutet Blech das tägliche Brot. Nur ausgerechnet mit dem aufsehenerregenden Turm verdient er keinen Pfennig. Der sei auch nichts Spektakuläres, winkt der Schlosser ab: Man schweiße lediglich ein paar ausgeschnittene Blechplatten aneinander. Et voilà: ein fertiger Eiffelturm. Diesen wird er dem Ort Lindorf schenken – auch bekannt als „Klein-Paris“.

Auf sein eigenes Wahrzeichen wartet Lindorf schon lange. Sein Spitzname rührt noch vom deutsch-französischen Krieg in den Jahren 1870 und 1871, erklärt der Lindorfer Ortsvorsteher Stefan Würtele. Beim heutigen Hain der Kulturen in Kirchheim habe es damals ein Zelt-Lazarett gegeben, in dem rund 290 Verwundete gepflegt wurden. Sowohl Deutsche als auch Franzosen durften ausgehen, wann und wohin sie wollten. Viele von ihnen landeten laut Würtele schließlich in Lindorfs Gasthöfen. „Hier hat schon damals ein interessanter Haufen an Leuten gelebt“, sagt der Ortsvorsteher.

Etwa eine Woche nachdem Schlosser Jürgen Schweizer den Eiffelturm draußen aufstellte, starben in Paris rund 130 Menschen bei den Terroranschlägen. „Ich bin eigentlich kein politischer Mensch“, sagt Schweizer, „aber als ich davon gehört habe, musste ich daran denken, wie die Eltern der Opfer leiden.“ Deshalb kletterte er am Gerüst seines Eiffelturms hoch und hisste eine schwarze Trauerflagge auf der obersten Etage.

Dass im Ort immer noch ein Hauch französischer Flair aus alten Zeiten in der Luft hängt, können Fremde ab kommendem Frühjahr auf den ersten Blick sehen: Der Eiffelturm soll ein neues Zuhause auf einem schönen Platz im Ortskern bekommen, verspricht Würtele – wenn möglich gleich gegenüber vom Rathaus.

FOTO: JÖRG BÄCHLE