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Vom Trockenfisch zum „Sari Sari Shop“

Finanzen Geld anlegen, etwas Gutes tun und Gewinn machen: Das ist bei „Oikocredit“ möglich. Roland Hübner aus Schlierbach war auf den Philippinen und machte sich ein Bild von der Arbeit der Genossenschaft. Von Melissa Seitz

Angelie Topas versucht sich an einer Dauerwelle bei Roland Hübner.
Angelie Topas versucht sich an einer Dauerwelle bei Roland Hübner.

Weiße Sandstrände, warmes Klima und eine bunte Unterwasserwelt - so kennt man die Philippinen aus unzähligen Urlaubskatalogen. Auch Roland Hübner aus Schlierbach trat im Januar seine Reise zum Inselstaat an. Doch er tat das keineswegs, weil ihn die Bilder im Reisebüro überzeugten, ganz im Gegenteil: Er war beruflich dort.

Vor drei Jahren hat der Schlierbacher seinen Job als Bankkaufmann aufgegeben und sich ganz seiner Leidenschaft gewidmet: dem sozialen Bereich. Seit 2004 ist Roland Hübner Vorstand des „Oikocredit Förderkreises Baden-Württemberg“. „Ich wollte mehr Zeit in meine Leidenschaft stecken.“ Sozial engagiert war er nämlich schon immer: „Wir hatten Patenkinder in verschiedenen Ländern, und ich habe dort auch ehrenamtlich mitgeholfen.“

Doch das war ihm nicht genug. Nach und nach kam er in Kontakt mit der Genossenschaft „Oikocredit“ und hat gemerkt: „Das passt einfach perfekt, ich kann mein Engagement und das Banker-Dasein verbinden.“

Aber was hat die Genossenschaft mit sozialer Arbeit und dem Bankwesen zu tun? „Oikocredit ist keine Bank,“ sagt Roland Hübner ganz deutlich. Denn ihr Ziel ist es, Privatpersonen oder ganze Gruppen in Entwicklungsländern zu helfen, sich selbst zu helfen. Das bedeutet, sie erhalten ein Kapital, mit dem sie sich ihren Traum von der Existenzgründung erfüllen können. Denn diesen Menschen ist der klassische Weg über eine Bank meist versperrt. Hier eilt „Oikocredit“ zur Hilfe.

Doch woher kommt das Geld, das vielen hilft, sich eine Existenz aufzubauen? „Es ist wie ein Kreislauf“, erzählt Roland Hübner, „Privatpersonen, aber auch Organisationen können Geld bei der Genossenschaft anlegen.“ Wer Geld anlegen möchte und damit etwas bewegen will, muss aber zwei Grundvoraussetzung erfüllen: Mitglied bei „Oikocredit“ sein und mindestens 200 Euro anlegen. Dieses Geld wird entweder direkt über „Oikocredit“ an Unternehmen zum Beispiel in der Landwirtschaft weitergeleitet oder durch Mikrofinanzinstitutionen an Kleinunternehmer vergeben. „Dabei kann es sich auch nur um einen Kredit von 20 Euro handeln.“ Der Kreditnehmer zahlt dann nach und nach das Darlehen an „Oikocredit“ zurück und die Anleger erhalten eine jährliche Dividende.

Wie nur ein paar wenige Euros den Menschen helfen können, davon wollte sich der Vorsitzende des „Oikocredit Fördervereins Baden-Württemberg“ selbst überzeugen. Von Stuttgart ging es auf die philippinische Insel Negros. Durch die „Negros Women for Tomorrow Foundation“ (NWTF) erhielt Roland Hübner einen Einblick in den Arbeitsalltag einer Mikrofinanzinstitution auf den Phi­lip­pi­nen. NWTF arbeitet seit 2015 mit „Oikocredit“ zusammen.

99 Prozent der Kreditkunden sind Frauen. Eine davon ist Theresa Tamaro. Ihren ersten Kredit bei NWTF bekam sie vor 15 Jahren und er umfasste gerade mal 60 Euro. Dadurch konnte sie sich Trockenfische kaufen und in einem Korb, den sie sich um den Bauch schnallte, in Markthallen wieder verkaufen. Heute hat die Philippina zwei „Sari Sari Shops“, die ähnlich wie ein Tante-Emma-Laden sind, betreibt ein Zuckerrohrfeld und hat einen eigenen Lkw. Bei Theresa Tamaro hat die Genossenschaft „Oikocredit“ ihr Ziel erreicht. „Sie braucht keinen Kredit mehr von uns. Sie hat sich ihr eigenes Unternehmen aufgebaut und kann jetzt davon leben,“ sagt Roland Hübner stolz.

Auch Angelie Topas ist eine Kundin von NWTF und hat sich ihren eigenen Friseursalon durch einen Mikrokredit finanziert. „Inzwischen hat sie über neun Geschäfte und in manchen bietet sie zusätzlich Massagen an“, weiß Roland Hübner. Von dem Können der Frau überzeugte sich der Schlierbacher dann selbst. „Ich ließ sie bei mir ihr neues Dauerwellengerät testen“, sagt Roland Hübner und lacht.

Auf seiner Reise durch die Phi­lip­pi­nen wurde ihm bewusst: „Egal, wo ich war und in welchen ärmlichen Verhältnissen die Menschen leben, sie haben wirklich immer ein Lächeln auf dem Gesicht.“ Außerdem findet er, dass man sich hier in Deutschland viel zu schnell beschwert, wenn etwas mal nicht funktioniert. Bestes Beispiel, dass man auch ohne Hektik Erfolg haben kann, ist Theresa Tamaro: In 15 Jahren schaffte sie es von der Trockenfisch-Verkäuferin zur Ladenbesitzerin.

Info Wer sein Geld anlegen möchte und dabei gleichzeitig etwas Gutes tun will, der kann bei „Oikocredit“ ganz einfach Mitglied werden. Weitere Informationen zu der Genossenschaft, den Förderkreisen und ihren internationalen Projekten gibt es auf der Homepage www. oikocredit.de.

So ein Zuckerohrfeld hätte sich Theresa Tamaro ohne den Mikrokredit nicht leisten können.
So ein Zuckerohrfeld hätte sich Theresa Tamaro ohne den Mikrokredit nicht leisten können.
Mit einer Starthilfe von nur 60 Euro konnte sich Theresa Tamaro eine Existenz aufbauen. Heute steht sie in ihrem eigenen Tante-E
Mit einer Starthilfe von nur 60 Euro konnte sich Theresa Tamaro eine Existenz aufbauen. Heute steht sie in ihrem eigenen Tante-Emma-Laden.Fotos: Oikocredit/Nicolas Villaume