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Wer will noch mal Grundschüler sein?

Zum Ganztagsbetrieb für die Dettinger Dritt- und Viertklässler trägt ab Herbst das halbe Dorf bei

Bei der Bürgerversammlung in der Schlossberghalle war der „Dettinger Dorftratsch“ über die neue Ganztagsschule nur ein Anspiel. Aber der Wortwechsel der beiden Damen wirkte sehr realistisch. Danach schlüpfte Marita Mayer wieder aus ihrer Tratschrolle. Als Rektorin erklärte sie, was geplant ist.

Zahlreiche Interessierte informierten sich in der Schlossberghalle über die neue Ganztagesschule.Foto: Peter Dietrich
Zahlreiche Interessierte informierten sich in der Schlossberghalle über die neue Ganztagesschule.Foto: Peter Dietrich

Dettingen. Marita Mayer tat das nicht alleine, sind doch am Ganztagsbetrieb der Teckschule ganz viele beteiligt. Die Präsentation erinnerte ein wenig an das afrikanische Sprichwort „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Im Fall von Dettingen ist es ein fittes Dorf: Mit einer einzigen Ausnahme beim Tanzunterricht kommen alle Vereine, alle Mitwirkenden, alle Ressourcen aus Dettingen selbst.

Der Ganztagsbetrieb beginnt nicht mit den Erst-, sondern mit den Dritt- und Viertklässlern. Sie sind beim Umzug in die bisherige Werkrealschule die Ersten; die anderen sollen in etwa drei Jahren folgen. Sie ziehen in ein Gebäude aus Betonfertigteilen, das 1964 nach den Plänen des Architekten Günter Behnisch entstand – später plante er am Münchner Olympiastadion. Ein Gebäude, für das die Gemeinde Dettingen eine Machbarkeitsstudie beauftragt hat: energetische Sanierung, Brandschutz, Vollküche, Schadstoffe. Die komplette Sanierung schätzt Bürgermeister Rainer Haußmann „locker auf fünf Millionen Euro“.

„Ganztags“ bedeutet in Dettingen von acht bis 15 Uhr an drei Tagen in der Woche, von Montag bis Mittwoch. Die Teilnahme ist freiwillig, aber für ein Schuljahr verbindlich. Wer nicht teilnimmt, geht weiterhin um zwölf Uhr nach Hause. Für das neue Schuljahr gibt es für den Ganztagsbetrieb 55 Anmeldungen. Die Klassen bleiben erhalten. Neu ist die Rhythmisierung des Vormittags, sie betrifft alle Dritt- und Viertklässler. Es gibt offene Lernangebote in Deutsch und Mathematik, zwei Bewegungspausen, eine Frühstückspause im Klassenzimmer und von 11.45 bis 12 Uhr eine freie Lesezeit. Dazu passt natürlich die Ortsbücherei als Partner der Teckschule.

Das Mittagsband besteht aus Essen, einer Lernzeit, also den Hausaufgaben, und Freizeit – echter Freizeit, ohne irgendwelche Angebote. Ab 13.30 Uhr folgen AG-Angebote oder dienstags die Ateliers. Die bisherige Betreuung von 7 bis 8 Uhr und von 15 bis 16 Uhr bleibt erhalten, sie kann in Modulen zugebucht werden und ist, im Gegensatz zum Ganztagsbetrieb, kostenpflichtig.

Die Schule selbst bietet verschiedene Dinge wie eine Filzwerkstatt und Inlineskating an. Für andere Angebote hat sie feste Kooperationspartner. Sie werden durch in Geld umgeschichtete Lehrerstunden bezahlt und müssen für eine zuverlässige Vertretung sorgen. Der Schülerhort bietet die AG „Fit für Fun“ mit Spielen in der Sporthalle und im Pausenhof, gemeinsam mit der Schule eine AG für den Schulgarten und einen Nähzirkel, bei dem die Schüler Handarbeitstechniken kennenlernen. Die AG „Ruheerlebnisse“ will gezielt Ruhemomente und Konzentrationsaufbau schaffen. Für die „AG Rhythmik“ sind keine musikalischen Vorkenntnisse nötig, aus ihr soll später ein Trommelkurs werden.

Die Sportfreunde Dettingen bieten Turnen, Leichtathletik und Spiele, Inge Eichler vom Familienzentrum lädt die Kinder in ein Detektivbüro ein, das sich „auf die Spuren von Herrn J.“ begibt. Beim Musikverein geht es nicht in erster Linie darum, ein Instrument zu erlernen – sondern darum, Musik zu entdecken und eigene Talente zu finden. Wer mit dem Tischtennisverein üben will, braucht dazu nur Sportkleidung, denn Schläger hat der Verein genug. Der Gesangverein bietet ein Chorprojekt, das im nächsten Jahr ein Kindermusical aufführen soll. Der Chor ist ein Angebot für alle, außerhalb der AGs. Die AGs sind so zahlreich, weil manche nur für kleine Gruppen geeignet sind. Wer zu Beginn keinen Platz in der Wunsch-AG bekommt, erhält ihn vielleicht ein halbes Jahr später, dann wird neu ausgewählt: Nimm zwei.

Ja, es ist eine ganz andere Art von Schule als früher. Auch eine ganz andere Art als die, die Bürgermeister Rainer Haußmann in seiner eigenen – gar nicht so fernen – Jugend erlebt hat. Das führte ihn zur Frage an die Zuhörer: „Wer von Ihnen will noch mal Schulkind sein und in die Grundschule gehen?“