Lokale Kultur

„Bücherwurm“ trifft „Leseratte“

Vielversprechender Auftakt der Kinder- und Jugendtheaterwochen „Szenenwechsel“ in der Raunerschule

Ein aufgeschlagenes Buch diente nicht nur als stimmiges Bühnenbild und Handlungsort der Geschichte um den Eskimo-Jungen Allack,
Ein aufgeschlagenes Buch diente nicht nur als stimmiges Bühnenbild und Handlungsort der Geschichte um den Eskimo-Jungen Allack, sondern war auch komfortable Wohnung des Bücherwurms und lockte zuletzt die Leseratte zum Einzug in eine vielversprechende Wohngemeinschaft. Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Mit gleich vier fast ausverkauften Aufführungen erlebten die Kinder- und Jugendtheaterwochen „Szenenwechsel“ gestern einen vielversprechenden Auftakt.

Wolf-Dieter Truppat

Auf Einladung der Kirchheimer Buchhandlung Margot Schieferle gastierte „Theatrino“ – das „Theater für kleine Leute“ – in der Raunerschule. Auf dem Stundenplan stand mit dem Stück „Der Bücherwurm“ ein für die Klassen eins bis vier bestens geeignetes Theaterstück über das Lesen. Entsprechend stark war dann erfreulicherweise auch die Nachfrage.

Erika Domenik verstand es von Anfang an, die Kinder als leibhaftiger Bücherwurm und in der gleichzeitig immer wieder eingenommenen Hauptrolle des Eskimo-Jungen Allack zu fesseln und ihre eigene grenzenlose Begeisterung für das Lesen gelungen weiterzugeben. Zwischendurch telefonierte sie immer wieder mit einer anonym bleibenden Leseratte, die dringend auch so eine schöne Wohnung suchte, wie der Bücherwurm sie ja schon längst hatte.

Dass sie am Ende sogar noch eine Wohngemeinschaft bilden würden, war nicht zu erahnen, gehörte aber zu den vielen Überraschungen und guten Einfällen des so lehrreichen wie vergnüglichen und kurzweiligen Theaterstücks.

Die pädagogisch äußerst geschickt aufbereitete Botschaft zum Start in die Kinder- und Jugenttheaterwochen „Szenenwechsel“ lautete: „Lesen ist Abenteuer“. Absolut überzeugend wurde dann auch vermittelt: „Wer liest, dem eröffnet sich eine neue Welt“. Da Lesen ja ein grenzenloses Vergnügen ist, das nicht nur Herz und Verstand wach macht, sondern zugleich auch verlässlich und ohne zu befürchtende Nebenwirkungen drohende Dummheit konsequent gefährdet und überbordende Fantasie nachhaltig fördert, kann es auch von jedem Arzt oder Apotheker uneingeschränkt empfohlen werden.

Wie sich die segensreiche Wirkung des Lesens sinnstiftend und gesundheitserhaltend ausbreitet, wurde in homöopathischer Dosierung verträglich verabreicht. Zugleich wurde behutsam aufgezeigt, wie man richtig mit Büchern umgehen sollte. Da sie voll wertvoller Informationen stecken, sollte man sie immer pfleglich behandeln, damit stets sichergestellt bleibt, dass alles, was von Kinderbuchautoren zwischen schützenden Buchdeckeln an wertvollen Informationen gewissenhaft zusammengepackt wurde, auch dauerhaft gut lesbar bleibt.

Der Bücherwurm ärgert sich schließlich zunächst erst einmal darüber, dass er auf einer fleckigen Seite gar nicht mehr erkennen kann, was da in „seiner“ Geschichte gerade passiert. Am Ende muss er auch noch feststellen, dass die entscheidenden letzten Seiten seiner spannenden Geschichte durch Wassereintritt und daraus resultierende Schimmelbildung unrettbar zusammengeklebt sind. Nach einer von Anfang an mitreißenden und geradezu miterlebten Lektüre muss er fürchten, wohl nie zu erfahren, wie die Geschichte eigentlich enden sollte.

Dass ein Buch von vorne nach hinten gelesen werden muss, ohne gelegentlich ein paar Seiten zu überspringen oder gar schon das Ende vorweg zu lesen, wurde ebenfalls als nicht zu brechendes Gesetzt klar vorgegeben. Überzeugend wurde aufgezeigt, welch großes Vergnügen die an sich ja toten Buchstaben und leeren Worte in der Fantasie der Leser bereiten können.

Im Mittelpunkt der von Erika Domenik virtuos vermittelten Geschichte steht der Eskimo-Junge Allack. Beim täglichen Kampf ums Überleben trifft er beim Angeln auf einen sprechenden Fisch, der ihm Hilfe in der Not zusichert, wenn er ihn verschont und am Leben lässt. Nachdem Allack dann auf tragische Weise seine Familie verliert, ist ihm der sprechende Fisch tatsächlich eine große Hilfe.

Als dieses Buch, in dem der Bücherwurm sich festgefressen hat, plötzlich in Flammen steht, ist es gut, dass er dank seiner unbändigen Lesewut sofort weiß, wo genau er in der ihn umgebenden Bibliothek einen Feuerlöscher finden könnte. Nur dadurch kann er ein größeres Unglück gerade noch einmal abwenden.

Völlig allein in der Welt begeisternder Bücher lebend, lernt der gefräßige Bücherwurm zu schätzen, wie gut es sein kann, jemanden zu haben, mit dem man sich anschließend auch über die vielen in Büchern zu findenden Ideen und Gedanken unterhalten kann. Er schafft es daher nicht nur, die von ihm begeistert gelesene Geschichte mit der Kraft seiner eigenen Fantasie zu Ende zu denken.

Er findet in der immer wieder einmal anrufenden Leseratte eine ideale Mitbewohnerin, die in das große aufgeschlagene Buch des gelungenen Bühnenbilds einziehen und den Bücherwurm auch noch durch viele weitere spannende Geschichten begleiten wird.