Lokale Kultur

„Diner en blanc“ mit Verve

Frauenliste lädt zum szenisch-musikalischen Menü mit den „VokaLiesen“

Musikalisches Menü macht Lust auf Gaumenfreuden.Foto: pm
Musikalisches Menü macht Lust auf Gaumenfreuden.Foto: pm

Kirchheim. Ganz in Weiß kommen die Damen durch den Mittelgang, schwer bepackt mit Taschen und Körben. Dann wird erstmal die lange Tafel gedeckt, mit weißer Tischdecke, Gläsern, Geschirr und Leckereien. Willkommen zum „Diner en blanc“, zum Essen in Weiß, das die „VokaLiesen“ garniert mit reichlich szenischem Witz, Humor und Chansons in der Aula der Alleenschule in Kirchheim servierten.

Das musikalisch-szenische Menü, das die Sängerinnen Hilke Hänßler, Heinke Hoffmann, Alexandra Kapitz und Almut Weber-Kapp und ihre Pianistin Ursula Müller-Riether so einfallsreich anrichten, mundet perfekt und ist ganz nach dem Geschmack der zahlreichen Zuschauerinnen und Zuschauer: Es hat musikalische Würze dank der bezaubernden Stimmen und dem ausgefeilten Ensemble­gesang der VokaLiesen und der pfiffig arrangierten Lieder und Songs rund um das Thema Essen. Und es hat eine kräftige Prise schauspielerischer und musikkabarettistischer Verve.

Fünf Freundinnen, wie sie unterschiedlicher nicht sein können in Charakter, Stil und Ess-Vorlieben, treffen sich zu einem Dinner – alles soll weiß sein, die Dekoration, das Essen, die Kleidung. Natürlich geht die Schlacht am weißen Buffet nicht ohne Sticheleien, Zankereien und Zickigkeiten ab – sehr zum Vergnügen des Publikums.

In der amüsanten, mit vielen Pointen und Situationskomik angereicherten Inszenierung von Tim Krause, spielen die VokaLiesen gekonnt verschiedene Frauentypen: Hilke Hänßler, der wunderbar strahlende Sopran, gibt hinreißend die esoterisch und spirituell angehauchte Philomena, die nur von Licht und seltsamem China-Tee mit einem Tropfen Himalajawasser lebt. Altistin Heinke Hoffmann mimt elegant und schick die snobistische Klasse-Lady Charlotte, die einen Paris-Tick hat und der nur das Teuerste, Exklusivste und Edelste auf den Teller kommt: etwa Austern. So richtig schön geerdet agiert Alexandra Kapitz mit herrlich tiefem, warmem Alt und (pseudo-)russischer Seele als Olga, die unermüdlich in ihrem nahrhaften Borschtsch-Eintopf rührt, alles reinschmeißt, was ihr unter die Finger kommt, vom Kraut bis zum Knoblauch, und unentwegt irgendetwas schnippelt.

Das krasse Gegenteil zur kochfreudigen Olga ist Mezzosopranistin Almut Weber-Kapp als pragmatische Fanni, die sich mit Fünf-Minuten-Terrinen, Tütensuppen und Fruchtzwergen zufrieden gibt und sich als temperamentvolle Koch-Verweigerin outet. Vehement für ökologisch und ethisch korrektes Essen setzt sich Pianistin Ursula Müller-Riether als streitbare Vegetarierin Agnes ein, die Bio-Gemüse, Obst und Grünzeug anpreist und ihren Mit-Esserinnen ins Gewissen redet. „Was, du wirfst Essen weg, wo andere Menschen in Mülltonnen nach Essen suchen?“, empört sie sich über Charlotte.

Die Rollen sind also bestens verteilt an der weißen Tafel, und es zeigt sich, dass viele Köchinnen den Brei keineswegs verderben, sondern eine perfekt abgeschmeckte Musik-Theater-Kost anrühren: mal pfeffrig scharf, mal bittersüß, mal herzhaft, mal bissig. Auch die „Tafel-Musik“, die das Quintett dazu kredenzt, deckt die verschiedensten Aspekte rund um das Essen ab. Das fängt bei der Vorspeise an, einem wunderschön klar gesungenen französischen Trinklied aus dem 16. Jahrhundert, und geht in diversen Gängen weiter mit frechen, pikanten und schrägen Kabarett-Liedern, Songs und Schlagern, die von den VokaLiesen teils neu umgetextet und arrangiert wurden.

Als Rinder-Carpaccio aufgetragen wird, singen die Damen mit drastisch-satirischer Gestik das Lied „Rinderwahn“ von Max Raabe. Dass Austern als Aphrodisiakum gelten und Philomenas Teepilz die Sinne vernebelt, hört man im verführerisch-sinnlichen Gesang der Damen in Knef- und Jobim-Nummern. Sehr witzig-ironisch gerät Hugo Wieners musikalische Tortenschlacht „Wie man eine Torte macht“, in der die VokaLiesen mit augenzwinkernder Gesangs-Komik glänzen.

Vom Piaf-Chanson bis zu „Vega-Tables“, einer originellen Hymne aufs Grünzeug zur Musik der Beach Boys, reicht die musikalische Speisenfolge. Eine Glanznummer ist Hilke Hänß­lers Solo in Hollaenders satirisch-komischem Russen-Eifersuchtsdrama „Stroganoff“, das mit wildem Messergefuchtel erklärt, wie das Boeuf Stroganoff zu seinem Namen kam. Auch die anderen VokaLiesen haben stimmstarke Soli, etwa Alexandra Kapitz in „Schütt den Tee weg“ und dem happigen Song „Vergammelte Speisen“ von den „Prinzen“. Nach allerlei deftiger Satire, Lust am Genuss und Essens-Frust herrscht am Schluss, bei gemütvoll-österreichischem Schmäh und der leckeren „Mehlspeis“ von Benatzky, bei den Damen wieder Friede, Freude, Eierkuchen...

Riesenbeifall begleitet die umjubelten VokaLiesen, wenn sie den Tisch wieder abräumen. Und, dass dieses Programm Lust auf Leckereien, Gespräche und vor allem auch Durst macht, stellt das Publikum in der Pause und am Schluss am von der Frauen der Frauenliste abwechslungsreich bestückten Buffet mühelos unter Beweis.so