Lokale Kultur

Dichter mit Humor

Ein Wilhelm-Busch-Abend in Owen

Owen. „Busch war bis in unsere Vätergeneration der meistzitierte deutsche Schriftsteller“. Diese Behauptung von Werner Haubrich zu Beginn seiner Wilhelm-Busch-Kostproben bestätigte das Publikum sofort, indem es sich vom Referenten Zitate entlocken ließ: „Es ist ein Brauch von alters her:/ Wer Sorgen hat, hat auch Likör“; oder: „Enthaltsamkeit ist das Vergnügen/an Sachen, welche wir nicht kriegen“. Buschs gereimte, rhythmisierte Zweizeiler sind Volksgut. Das ist erstaunlich. Denn sein Weltbild ist eigentlich düster. Der promovierte Germanist Haubrich verwies auf Busch, der von sich sagte, er trage unter dem einen Arm Schopenhauer, unter dem anderen Darwin. Das lässt alles andere als Lebenshilfe erwarten.

Trotzdem ist Buschs Popularität ungebrochen, und es wurde im Owener Gemeindehaus sicher selten so viel gelacht. Das lag auch am Referenten. Der pensionierte Lehrer aus Aachen hat sich Soloprogramme mit literarischen Themen erarbeitet, mit denen er durch Deutschland tourt.

Als gewiefter Pädagoge wusste Haubrich, sich Nähe zu seinen Zuhörern zu verschaffen, indem er heimische Dichter rezitierte und pries – Frühlingsgedichte von Mörike und Uhland. Das ist das Faszinierende an Haubrich und lässt den Funken überspringen: Er rezitiert völlig frei, mit lebendiger Gebärdensprache und Augenkontakt mit dem Publikum.

Natürlich waren auch Informationen über Buschs Leben fällig: geboren im Todesjahr Goethes, 1832, aufgewachsen als erstes von sieben Kindern bei einem Onkel, einem Pfarrer, der ihn sehr förderte. Die weitere Entwicklung ist von Abbrüchen und Wechseln geprägt: eine praktische Lehre und ein Kunststudium in Düsseldorf und Antwerpen. Das schien auf eine verkrachte Existenz hinauszulaufen. Doch in München bekam er als Zeichner Boden unter die Füße, und mit „Max und Moritz“ gelang ihm der Durchbruch mit seinen Bildergeschichten, den Vorläufern der Comics. Er blieb Junggeselle und Eigenbrötler. Dem Tabak- und Weingenuss nicht abgeneigt starb er 1908.

Haubrich beschönigte nicht die Grausamkeiten oder Sadismen, die sich in den Bildergeschichten finden (Böll beklagte die „Schadenfreude“ bei Busch). In den Gedichten, die Busch in seiner Spätphase schrieb, findet der Referent eher den „Philosophen im heiteren Gewande“. Diese Gedichte sind in drei Sammlungen erschienen, in der „Kritik des Herzens“, in „Zu guter Letzt“ und im posthum erschienenen „Schein und Sein“. Die Entlarvung von Schein, das heißt von Selbstgerechtigkeit, Scheinmoral und falscher Frömmigkeit, war Buschs Anliegen. Haubrich bündelte die Buschgedichte nach verschiedenen Themen wie „Tugend und Moral“, „Liebe und Ehe“ oder „Musik“. Trotz aller beißenden Kritik bleibt der Zuhörer aber in heiterer Stimmung. Busch bietet überraschende sprachliche Wendungen, originelle Reime, Selbstironie und vor allem Humor. Programmatisch ist sein Widmungsgedicht zu „Kritik des Herzens“: „ Es sitzt ein Vogel auf dem Leim/Er flattert sehr und kann nicht heim“ . . .Was macht der Vogel angesichts der nahenden Katze? Er „quinquilliert“, er singt noch ein Lied. Der Autor urteilt: „Der Vogel scheint mir, hat Humor“. Die Lesegemeinde Buschs vergisst angesichts des Galgenhumors das pessimistische Weltgefühl, das dahintersteckt.

Die Spenden des Abends kommen der Gemeindearbeit zugute. So hat der antiklerikale Busch indirekt doch noch eine christliche Tat getan.

ULRICH STAEHLE