Lokalsport

„Gegen Steffi Graf habe ich immer verloren“

Die Weilheimer Tennisspielerin Gerda Sigel galt einst als Ausnahmetalent der Region – Deutsche Mannschaftsmeisterschaft als größter Triumph

Es hat etwas von einem modernen Märchen: Landwirts-Tochter wird Tennis-Star. Diesen nicht ganz gewöhnlichen Karrieresprung hat vor über 30 Jahren die heute 56-jährige Gerda Sigel gemacht. Thomas Pfeiffer

Tennis Gerda Sigel TEC Weissenhof Stuttgart 1981 (hier beim Kirchheimer Advetns-Doppelturnier)

Gerda Sigel 1981 (beim Kirchheimer Advents-Doppelturnier).

Neckartailfingen. Die Weilheimerin Gerda Sigel, die nach einem lukrativen Angebot 1977 vom damaligen Oberligisten TC Kirchheim zum Renommier- und Regionalligaclub TEC Waldau Stuttgart gewechselt war und dort zwölf Jahre blieb, traf in dieser Erstliga-Zeit auf bekannte Court-Koryphäen wie Steffi Graf, Helena Suková und Heidi Eisterlehner. Nach einer ebenso langen wie erfolgreichen Karriere heiratete sie den Neckartailfinger Bürgermeister Willi Preißing, dessen Tennislehrerin sie war und der 1998 verstarb. Heute heißt Gerda Sigel mit Nachnamen Sigel-Preißing, ist Privatier, spielt Tennis weniger oft als früher und hat Golf zu ihrem Lieblingssport erkoren. „Golf macht Spaß“, sagt sie. Seit Jahren spielt sie für den GC Schönbuch, wo sie regelmäßig einer der gefeierten Seniorinnen-Stars ist.

Auch wenn Gerda Sigel schon eine halbe Ewigkeit in Neckartailfingen lebt, erinnern sich noch viele Leute in der Teckregion an sie. Als Ausnahmetalent hatte sie in jungen Jahren das geschafft, was nur wenige Sportlerinnen schaffen: Komplett von den mit dem eigenen Talent erzielten Einkünften zu leben. Mit 19 gab sie ihren Job als Handelskauffrau auf, wurde Vertragsspielerin beim TEC Waldau („wir wurden nach Einsätzen und Erfolgen bezahlt“) und begann die Ausbildung zur lizenzierten Tennistrainerin. Zwei Jahre später hatte sie zwei Einkommen – damit konnte sie prob­lemlos ihren Lebensunterhalt bestreiten. Und: Es ging weiter bergauf für sie. Irgendwann in den 1980er-Jahren fuhr sie auf der Anlage des TC Kirchheim nicht mehr im blauen Ford Capri, sondern mit einem Sportwagen aus Zuffenhausen vor – der äußere Ausdruck dafür, dass sich Gerda Sigels radikale Fokussierung auf das Tennisspiel in klingender Münze ausgezahlt hatte. „Mein Terminkalender war voll damals. In Deutschland hat der Tennissport geboomt, und ich habe als Tennislehrerin gutes Geld verdient“, erzählt sie im Rückblick-Gespräch. Es war die Zeit, als zwei junge Superstars namens Boris Becker und Steffi Graf nahezu im Alleingang Tennis-Deutschland rockten – und begeisterte Eltern von ähnlichen Karrieren ihrer Kinder träumten.

Mit ihrem Entschluss, zukünftig an der frischen Luft anstatt im Büro zu arbeiten, hatte Gerda Sigel in jenen Tagen alles richtig gemacht. „Büroarbeit war nicht meines. Tatsächlich habe ich mein Hobby damals zum Beruf gemacht“, betont sie heute hoch zufrieden im Rückblick-Gespräch.

Als Vertragsspielerin war Gerda Sigel zwölf Jahre beim TEC Waldau Stuttgart angestellt. Von 1977 bis 1989 spielte sie beim Süd-Regionalligisten in der obersten Spielklasse: Die Damen-Bundesliga wurde erst viel später (1999) eingeführt. Außer in ihrer Waldau-Beginnzeit und im letzten Waldau-Schlussjahr zählte sie stets zur ersten Sechs – von der Club-Historie der Stuttgarter ist Sigels Name nicht wegzudenken. Auch ohne große Einzeltitel, ohne DM-Sieg und ohne Top-Ten-Platzierung in der DTB-Rangliste („in meiner besten Zeit hatte ich einen Platz im die 20“), war die Leistung der Weilheimerin stets anerkannt. Wer fast ein Jahrzehnt auf höchster Ligaebene spielt, muss eine Gute sein.

Als ihr bestes Sportjahr gilt das Jahr 1986. Damals war der TEC Waldau wieder einmal in die DM-Endrunde der besten Regionalligisten eingezogen – mit Gerda Sigel „als Nummer drei oder vier. So genau weiß ich das nicht mehr“. Gegen den Heidelberger TC, der damals so etwas wie der FC Bayern München des nationalen Damen-Tennissports war, gelang den Stuttgarterinnen nach der Pleite im Vorjahresendspiel gegen exakt denselben Gegner (2:7) ein enthusiastisch gefeierter 5:4-Finalsieg. Prominente Mitspielerinnen im Waldau-Team waren die deutschen Fed-Cup-Spielerinnen Heidi Eisterlehner und Christina Singer – Letztere ist die Tochter des früheren Göppinger Handball-Nationalspielers Horst Singer. „Diese deutsche Mannschaftsmeisterschaft war der größte Erfolg in meiner Laufbahn“, ordnet Gerda Sigel den Triumph an erster Stelle ein.

Nachdem sie in der Landeshauptstadt zur festen Spielerinnen-Größe avanciert war, trat sie gegen die ganz Großen hierzulande an. Auch gegen Steffi Graf. An ein Regionalliga-Duell mit der aufstrebenden Brühlerin kann sich Sigel noch genau erinnern. „Steffi war damals 14 oder 15, ich demzufolge 25 oder 26. Sie kam mit ihrer Mutter Heidi auf die Waldau, und ich habe immer, wenn ich gegen sie gespielt habe, verloren, manchmal äußerst knapp. Wie sie menschlich war? Ich muss sagen, dass sie schon damals eine stets faire und angenehme Gegnerin war.“

Wer Gerda Sigel nach ihren (Erfolgs-)Trainern fragt, bekommt als Antwort vor allem einen Namen. Jenen von WTB-Ex-Trainer Theodor Sedmak, der die damalige württembergische Jugendauswahlspielerin Anfang der 1970er-Jahre vom TC Weilheim zum TC Kirchheim gelotst hatte und später auch an ihrem Waldau-Transfer beteiligt war. „Sedmak war vielleicht der wichtigste Trainer in meinem Leben“, betont sie. Randepisode: Weilheimer Schulbuben hatten ebenfalls Anteil daran, dass Gerda Sigel lernte, wie man sich gegen (stärkere) Konkurrenz durchsetzt. Mit sieben übte Klein-Gerda nämlich nicht zusammen mit ihren Freundinnen die damalige In-Sportart Gummitwist in irgendeiner Seitenstraße aus, sondern kickte auf dem Weilheimer Scholderplatz regelmäßig mit Jungs von der Grundschule. Ihre Eltern, ein Bauern-Ehepaar, hatten nichts dagegen.

Aus dem Kindheitstraum, Fußballerin zu werden, wurde aus nachvollziehbaren Gründen nichts. Dafür wurde Gerda Sigel die Tennisspielerin mit dem außergewöhnlichen Serve-and-Volley-Spiel – die in jener Zeit Beste in der Teckregion.

Zweifache Weltmeisterin bei den Damen 40

Nach der Karriere (1) Als sie 1989 im Alter von 31 ihre Erstliga-Laufbahn mit dem Weggang vom TEC Waldau beendete, suchte Gerda Sigel beim Oberligisten TC Pforzheim, mit dem der Regionalliga-Aufstieg glückte, eine neue Herausforderung. Weitere Vereinsstationen waren TC Nellingen (2005) und MTSV Olympia Neumünster, mit dem sie 2013 Deutscher Mannschafts-Vizemeister wurde. Nach der Karriere (2) Als Tennis-Seniorin war Gerda Sigel sehr erfolgreich. In der Altersklasse 40 wurde sie 1999 in Amsterdam Vizeweltmeisterin und Doppelweltmeisterin, zusammen mit der Argentinierin Beatrix Villaverde. Ebenfalls bei den Damen 40 stand sie bei der Team-Weltmeisterschaft 2000 in Buenos Aires mit der DTB-Auswahl ganz oben – nach einem 2:1-Finalsieg über die USA. Nach der Karriere (3) Heutzutage spielt Gerda Sigel in ihrer Freizeit fast nur noch Golf. „Ich besitze noch drei Tennisschläger“, sagt sie, die Spielerin des Golfclubs (GC) Schönbuch geworden ist. Umso größer ist der Raum, den inzwischen ihre Golf-Utensilien einnehmen. „Mehr als 30 Golfschläger“ haben sich nach eigener Aussage daheim bei ihr angesammelt.