Lokalsport

„Untergräbt die Autorität“

Umfrage unter Fußball-Experten zur Einführung des Freistoßsprays für Schiedsrichters

Das Freistoßspray kommt – zwar nicht sofort zum Bundesliga-Auftakt 2014/15 am kommenden Freitag, aber spätestens dann, wenn die Erstliga-Schiedsrichter durch den Deutschen Fußball-Bund (DFB) die erste Einweisung erhalten haben.

Freistoßspray, Foto: Thomas Eisenhuth

Kirchheim. Macht ein Freistoßspray Sinn? Hilft es den Schiedsrichtern wirklich dabei, das Schinden von Zentimetern bei Freistößen durch Abwehrmauern und Schützen entscheidend einzudämmen? Und könnte es später auch den Referees in den unteren Spielklassen nützlich sein? Zum Thema haben wir Fußball-Experten aus der Region befragt. Überraschendes Ergebnis: Im Gegensatz zur großen BefürworterMehrheit der Bundesligavereine sind unsere Befragten in der Sache zweigeteilt.

 

Marc Schmohl (33), Abteilungsleiter des TV Unterlenningen: „Das Freistoßspray bringt zwei Vorteile – weder der Schütze noch die Abwehrmauer kann nach der Markierung künftig unbemerkt die eigene Position verändern. Das bringt mehr Gerechtigkeit in den Profifußball. Für den Amateurbereich könnte ich mir das Spray gut vorstellen. Allerdings müssten die Schiedsrichter dazu angehalten werden, es nur dann anzuwenden, wenn von einem Freistoß echte Torgefahr ausgeht.“

 

Jonas Thiele, 18-jähriger Abwehrspieler der VfL U19-Mannschaft: „Die Fußball-Funktionäre sollten über Wichtigeres diskutieren als über Rasierschaum auf dem Rasen – über Rassismus und Pyrotechnik in den Stadien zum Beispiel. Das Freistoßspray als Hilfsmittel für Schiedsrichter finde ich übertrieben und wenig hilfreich für den Schützen. Der niederländische Nationalspieler Wesley Sneijder hat einmal gesagt, dass bei ihm der Schaumkreis auf dem Spielfeld beim Schießen eines Freistoßes zu einer Art mentalen Barriere führe. Diese Haltung kann ich gut nachvollziehen.“

 

Hardy Wolf (51), Schiedsrichterbeauftragter der Gruppe Esslingen: „In der ersten und zweiten Bundesliga ist das Freistoßspray sicherlich eine gute Sache. Die Freistöße können damit schneller ausgeführt werden, weil das Nach-vorne-Laufen der Abwehrmauern wegfällt. So gesehen bringt das Freistoßspray keine Zeitverzögerung, sondern Zeitersparnis. Für unsere Amateurspielklassen würde ich das Spray aus Kostengründen dagegen ablehnen. Eine Spraydose, die im ­Übrigen für eine Linie von 40 Metern Länge reicht, bis sie leer ist, kostet um die 17 Euro. Bezahlen müssten sie unsere Schiedsrichter.“

 

Klaus Müller, 50-jähriger Jesinger Fußballtrainer: „Fußball-Schiedsrichter sollten sich besser auf das Wesentliche konzentrieren, nicht auf solche Kleinigkeiten. Das Freistoßspray ist überflüssig, zumal es die Unparteiischen ja auch andauernd mit sich rumschleppen und auspacken müssen – das ist doch umständlich. Es gibt wirklich Wichtigeres, was das Schiedsrichterwesen an Neuerungen braucht. Zum Beispiel die Torlinientechnik.“

 

Kai Hörsting, 29-jähriger Torjäger des TSV Weilheim: „Das Freistoßspray vermeidet Chaos im Spiel – wegen der klaren Positionierung von Abwehr, Schütze und Ball werden Freistoß-Szenen übersichtlicher. Im Amateurbereich wäre das Spray sogar noch einen Tick sinnvoller, weil dort bei Freistößen noch mehr geschummelt wird als bei den Profis.“

 

Sabine Bausch (26), Mitglied des Sportgerichts Neckar/Fils sowie aktive Bezirksliga-Schiedsrichterin (Männer) und Regionalliga-Schiedsrichterin (Frauen) aus Wendlingen: „Ich bin klar gegen das Freistoßspray – weil seine Anwendung die Autorität eines Schiedsrichters untergräbt. Ein Schiedsrichter muss fähig sein, durch seine Persönlichkeit und nicht durch ein Spray für Ordnung auf dem Spielfeld zu sorgen. Außerdem hat die Sache ja auch etwas Lustiges. Man stelle sich vor, es gibt Freistoß, der Schiedsrichter bückt sich zum Markieren der Linien, und plötzlich versagt die Spraydose . . . Besser als die Einführung eines Sprays wäre das Abschaffen der Doppelbestrafung bei einer Notbremse. Rote Karte und Elfmeter ist eine viel zu harte Strafe.“

 

Peter Steigele (84), vor Kurzem in den Ruhestand verabschiedeter Bezirksschiedsrichter, Referee des ersten Teckbotenpokal-Turniers (1961) und langjähriger Bundesliga-Schiedsrichter (ab 1963) aus Frickenhausen: „Man sollte am Regelwerk nicht jede Woche etwas ändern, sonst verliert der Zuschauer schnell den Überblick. Das Freistoßspray kann vielleicht für die erste Bundesliga nützlich sein, aber es im unterklassigen Fußball einzuführen, wäre für mich eine Katastrophe. Der Fußball lebt auch von Fehlentscheidungen. Die machen einen Teil seines Reizes aus und sollten erhalten bleiben.“