Lokalsport

„Viele Vereine haben im Training ein Qualitätsproblem“

Handball HVW-Nachwuchsförder Hans Hahn ist um die Zukunft der Handballvereine nicht bange – solange sie ihre Aufgaben im Nachwuchsbereich ernst nehmen. Von Bernd Köble

Wer als Verein auf lange Sicht Zukunft haben will, braucht den Nachwuchs als stabile Basis. Um den muss man sich kümmern. Am besten mit motivierten und gut ausgebildeten Trainern, meint Hans Hahn, einer der engagiertesten Nachwuchsförderer im Handballverband Württemberg (HVW).

Herr Hahn, Sie waren spontan bereit, im Handballcamp in Lenningen dabei zu sein. Warum sind solche Veranstaltungen für den Handball so wichtig?

Hans Hahn: Meist stammen mehr als die Hälfte der Jugendlichen, die daran teilnehmen, aus dem eigenen Verein. Sie sehen, der Verein tut etwas. Da ist etwas los, auch in den Ferien. Da kann man hingehen. Solche Aktionen haben zwei Effekte: Die Kinder lernen etwas, und es entsteht eine Bindung zum Verein. Wichtig sind dabei nicht große Trainernamen, sondern dass so ein Training Qualität hat. Dass es den Alters- und Kenntnisstand der Kinder trifft. Der Motivationseffekt ist relativ schnell verflogen. Was bleibt ist, wenn man lernt.

Viele Vereine klagen trotzdem über Nachwuchsmangel. Steuert der Handball in Württemberg in eine ungewisse Zukunft?

Hahn: Das Problem lässt sich am Besten an einer Pyramide veranschaulichen. Wir haben unten im Altersbereich 12 bis 13 Jahre einen ordentlichen Zuwachs. Ich kenne kaum Vereine, die in diesen Jahrgängen über Spielermangel klagen. Das Problem ist die Altersgruppe 14 bis 18. Dort haben wir im HVW einen Schwund von etwa 50 Prozent. Das ist in anderen Landesverbänden übrigens kaum anders. Das heißt, wenn ich zehn E-Jugendspieler habe, bleiben bis zur A-Jugend noch fünf übrig.

Was also tun?

Hahn: Vereine müssten ihre Jugendtrainer häufiger auf Fortbildungen schicken und so für zeitgemäßes Training sorgen. Sie brauchen einen Jugendkoordinator, der sich um die Nachwuchstrainer kümmert und sie müssen aktiv sein und Dinge in die Hand nehmen. Turnierwochenenden, Trainingslager, Mannschaftsfahrten. Viele Vereine tun das und wissen, dass solche Aktionen Wunder bewirken.

Wie steht es Ihrer Meinung nach um die Qualität des Trainings im Durchschnittsverein?

Hahn: Das kann man natürlich nicht verallgemeinern, aber in vielen Vereinen liegt da einiges im Argen. Es ist so, dass sich Handball immer mehr zur Individualsportart entwickelt. Gruppengefühl, Mannschaftsverantwortung, das spielt zwar immer noch eine große Rolle, die Funktion des Spielers wird aber immer wichtiger. Ein Kreisläufer muss völlig andere Probleme lösen als ein Außen- oder Rückraumspieler. Vor 30 Jahren gab es ein Programm für alle. Da heißt es heute umdenken. Positionsspezifische Merkmale erfordern oft völlig anderes Training. Das gilt schon in der B-Jugend. Es gibt immer noch zu viele Vereine, bei denen es im Jugendtraining nur um Betreuung geht. Wenn ich drei Jahre lang als Spieler nichts lerne, höre ich irgendwann auf. Viele haben da ein Qualitätsproblem.

Das heißt, es gibt zu wenig Bereitschaft zur Fortbildung?

Hahn: Auch das lässt sich nicht mit einem Satz beantworten. Unsere C-Lizenz-Lehrgänge im HVW sind alle voll. Das gibt es sogar Wartelisten. Wir haben aber einen sehr hohen Anteil an Trainern, die zwar Lehrgänge besuchen, um ihre Lizenz zu verlängern, die aber keine Mannschaften mehr trainieren. Das gilt vor allem für die Altersgruppe 50 plus.

Sie haben vor Jahren schon ein Trainingskonzept speziell für Kinder entwickelt. Worum geht es darin?

Hahn: Es geht um Vielseitigkeit und die Ausbildung motorischer Fähigkeiten in einem Spielmodus abseits vom eigentlichen Handballspiel. Etwa die Hälfte der Vereine im HVW haben das verinnerlicht und arbeiten danach. Der Handball hat da gegenüber Sportarten wie Fußball oder Basketball Nachholbedarf. Leider wird das immer noch uneinheitlich gehandhabt. Seit vergangener Saison kann jeder Verein wieder frei entscheiden, ob er E-Jugendmannschaften für den normalen Spielbetrieb anmeldet. Der DHB ist offenbar der einzige Verband, der die Meinung vertritt, dass für Achtjährige das Gleiche gelten sollte wie für Erwachsene.

Zur Person

Hans Gerhard Hahn (61) ist verantwortlicher Jugend-Koordinator bei der JSG Echaz-Erms, einem Kooperationsmodell des Zweitligisten TV Neuhausen und des VfL Pfullingen. Er ist Mitglied im Lehrteam des HVW und im Verbandsausschuss Jugend, Schule, Bildung.