Lokalsport

Bonus-Track auf der letzten Rille

Basketball Die einen haben alles, die anderen nichts zu verlieren. Was das für das Kräfteverhältnis im Play-off-­Halbfinale zwischen dem MBC und Kirchheim bedeutet, wird sich heute Abend zeigen. Von Bernd Köble

Es sind bekanntlich die Aufgaben, mit denen man wächst. Die Frage wird sein, ob die Kraft für weiteres Wachstum reicht. Wie die Chancen der Kirchheimer Basketballer zu bewerten sind, im heute beginnenden Play-off-Halbfinale der Pro A gegen den Titelfavoriten für die große Überraschung zu sorgen, darüber herrscht Einigkeit: äußerst gering. Die Neuauflage des Finales von 2012 steht unter anderen Vorzeichen. Der MBC aus Weißenfels, seit Jahren ein Team mit Erstliga-Erfahrung und BBL-tauglichem Umfeld, die Kirchheimer, ein Klub, der nach dem knapp verlorenen Finale vor fünf Jahren auf der Stelle tritt.

Zwar verfügen die Knights auch 2017 über Personal, das die Bezeichnung Überraschungsteam verdient. Dass die Zahl derer, die sich überraschen lassen, auf dem Weg ins Finale kleiner wird, liegt in der Natur der Sache. Bis hierhin war es eine Frage des Willens und der Kraft. Mit einem zuletzt neunköpfigen Kader, zu dem zwei Nachwuchsspieler aus der Regionalliga zählen. Einer Startfünf, die seit Beginn der Finalserie ausnahmslos mehr als 30 Minuten pro Spiel auf dem Parkett stand. Dazu diese Zahl: 9:4 zugunsten des Gegners, was die Anzahl der Erholungstage seit dem letzten Auftritt betrifft.

Also alles aussichtslos? „Natürlich nicht“, sagt Kirchheims Chefcoach Michael Mai. „Wir werden um unsere Chance kämpfen und glauben an uns.“ Zwei Tage hat er seinen Jungs nach dem kräftezehrenden Kampf gegen Heidelberg freigegeben. Viel Zeit haben sie dennoch miteinander verbracht. Gestern beim dritten gemeinsamen Mittagessen. Ansonsten: Entspannungstraining, Videoanalyse. Wie es klappen könnte? „Unsere Guards müssen die Freiräume an der Dreierlinie schaffen, wir müssen die Schlacht an den Brettern gewinnen und unsere Turnovers in Grenzen halten“, meint der Coach. „Das sind die Schlüssel zum Erfolg.“

Das Problem: Das schnelle Umschaltspiel ist gegen einen sehr erfahrenen aber auch leicht angegrauten Gegner zwar die gefährlichste Waffe. MBC-Spielmacher Marcus Hatten ist 36, sein Backup Zazai Achmadschah 32 Jahre alt, ebenso wie Stammcenter Djordje Pantelic, der sich mit Andreas Kronhardt eines der entscheidenden Duelle unterm Korb liefern wird. Doch um diesen Vorteil wirklich ausspielen zu können, braucht es eine Bank, die für Entlastung sorgt, ohne dass ein Bruch ins Spiel kommt. Angesichts der kleinen Rotation fast unmöglich.

Auf der Gegenseite ist dies dennoch der Punkt, dem man am meisten Aufmerksamkeit widmet. „Das Transition-Spiel der Kirchheimer ist beeindruckend“, stellt MBC-Team­manager Martin Geissler fest. „Dem müssen wir mit einer aggressiven Defense begegnen.“ Geissler hat gut reden. Die Verteidigung des MBC zählt zum Besten, was die Liga zu bieten hat. Offensiv stehen vor allem US-Guard Andrew Warren und der deutsche Forward Sergio Kerusch für Hochprozentiges. Warren trifft 53,6 Prozent aus dem Feld, fast jeder zweite Distanzversuch sitzt. Kerusch ist mit 16,2 Punkten und 5,7 Rebounds im Schnitt eine Allzweckwaffe.

Der Reboundvergleich ist im Übrigen der einzige, der für die Kirchheimer spricht. „Die Knights haben da viel Qualität und spielen mit enormer Leidenschaft“, sagt Geissler. „Crailsheim sollte uns Warnung genug sein“, meint er mit Blick aufs überraschende Ausscheiden des Tabellenzweiten. „Wenn wir glauben, es geht mit halber Kraft, werden wir scheitern.“ Gegen die Kölner, die dem MBC immerhin eine von nur drei Saisonniederlagen verpassten, reichten im Viertelfinale drei Spiele. Gegen die Knights gab es zuletzt zwei klare Siege. Gründe, den Gegner auf die leichte Schulter zu nehmen, gibt es also.