Lokalsport

Ein Blauer in Grün-Weiß

Vom VfL Kirchheim in die erste Bundesliga: Jona Schoch bastelt mit Erfolg an seiner Karriere als Handball-Profi

Studium und Handballkarriere unter einen Hut zu bringen, kostet Mühe. Auch wenn beides eigentlich gut zusammenpasst. Als angehender Ingenieur der Luft- und Raumfahrttechnik weiß Jona Schoch (20) ganz genau, was man als Senkrechtstarter braucht.

Handball Testspiel: Frisch Auf Göppingen - BregenzJona Schoch
Handball Testspiel: Frisch Auf Göppingen - BregenzJona Schoch

Kirchheim. Wenn Vereinsmenschen von Eigengewächsen reden, dann schwingt in der Regel eine Portion Stolz dabei mit. Eigengewächse sind vieles, eines ganz sicher nicht: Durchschnitt. Jona Schoch ist so ein Eigengewächs. Vielleicht das triebkräftigste, das die Handballsparte im VfL Kirchheim in den vergangenen Jahrzehnten hervorgebracht hat. Seitdem er vor fünf Jahren mit der B-Jugend der JSG Kirchheim-Reichenbach den Meistertitel in der Landesliga feierte, geht es steil bergauf: Jugend-Bundesliga mit dem TSV Wolfschlugen, süddeutscher Vizemeister mit der A-Jugend von Frisch Auf Göppingen, Toptorschütze beim Drittligisten SG H2Ku Herrenberg, Junioren-Nationalspieler und jetzt auch Bundesliga-Newcomer im Trikot der Göppinger. Seine Schnelligkeit, sagt er, sei seine größte Stärke. Das gilt nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch für das Tempo, mit dem Jona Schoch seine sportliche Karriere vorantreibt.

Was man dafür braucht, sind drei Dinge: Talent, eine günstige Gelegenheit und den Mut, sie entschlossen zu nutzen. Sein Talent ist unstrittig, die große Chance bot sich im Herbst, als bei Frisch Auf das Verletzungspech zuschlug. Michael Kraus, Tim Kneule, Daniel Fontaine – der halbe Göppinger Rückraum fiel wochenlang aus, und Schoch war bereit. „Das Pech der anderen war in diesem Fall mein Glück“, sagt der Kirchheimer. In fünf Spielen schoss ihm Trainer Magnus Andersson eine gehörige Portion Vertrauen vor. Sein Zögling beglich die Rechnung mit Leistung und Toren: 15 Treffer in sieben Spielen in Bundesliga und Pokal – für einen Debütanten auf der Königsposition im linken Rückraum eine beachtliche Bilanz. Einen Tag vor Heiligabend hat er sich dann selbst beschenkt: Bei der knappen Niederlage gegen die Berliner Füchse stand Schoch in der Max-Schmeling-Halle erstmals von Beginn an auf dem Spielfeld. Am Ende war der neben Marcel Schiller und Felix Lobedank mit fünf Treffern erfolgreichster Göppinger Werfer.

Schoch hat Glück. Anders als seinem Vorgänger Velimir Petkovic eilt dem Schweden Andersson ein Ruf als geduldiger Nachwuchsförderer vo­raus. Für Jona Schoch bedeutet das: Es ist an der Zeit, den nächsten Schritt zu tun. Noch heißt sein Stammverein SG H2Ku Herrenberg. Die Göppinger nutzen das Zweitspielrecht. In Herrenberg ist der 20-Jährige Dreh- und Angelpunkt in der Mannschaft, weshalb man beim Tabellenelften der dritten Liga Süd dem Saisonende mit gemischten Gefühlen entgegenblickt. Ihr Toptorjäger wird im Frühjahr in die zweite Liga wechseln, so viel steht fest. Wohin, das wird sich in den kommenden Tagen entscheiden. Der TV Neuhausen hat Interesse am talentierten Nachwuchsmann, wie Geschäftsführer Alexander Trost bestätigt. Noch ist nichts unterschrieben, doch Frisch Auf und der Ermstalklub stehen schon seit Jahren in engem Austausch bei der Nachwuchsförderung.

Schochs Ziel ist klar: Er will in den kommenden drei Jahren zur festen Größe in der ersten Bundesliga werden, meint er selbstbewusst. Dafür arbeitet er hart. Bis zu sechs Trainingseinheiten pro Woche in zwei verschiedenen Mannschaften, dazu nicht selten eine Doppelschicht am Wochenende. „Ob das alles der Gesundheit dient, weiß ich nicht“, meint er skeptisch. „Aber mit 20 steckt man ja so einiges weg.“ Und packt einiges drauf: Zwei Kilo Muskelmasse sind es seit dieser Saison, fünf weitere sollen noch drauf. Mit 90 Kilo bei einer Körpergröße von 1,92 Meter ist er als Rückraumspieler in der Bundesliga ein Leichtgewicht. Ein Nachteil, der sich vor allem in der Abwehr bemerkbar macht, wo ihm – wie er selbst sagt – mitunter noch die nötige Härte fehlt.

Schoch ist ein sympathischer Typ. Er redet ungeschminkt, ist schlagfertig und strahlt jene Ernsthaftigkeit aus, die braucht, wer ganz nach oben will. Von sich selbst sagt er: „Ich bin ein zielstrebiger Mensch.“ Im Kraftraum der Vaihinger Uni, nur etwas mehr als einen Steinwurf von seiner Studentenbude entfernt, trifft man ihn deshalb häufiger als im Vorlesungssaal. Die morgendlichen Trainingseinheiten lässt er sich nicht nehmen. Sein Lernpensum im dritten Semester absolviert er tagsüber, meist alleine, bis es am Abend wieder ins Training geht. „Bisher“, so sagt er, „funktioniert das ganz gut.“

Locker bleiben, auch wenn der Tageskalender aus allen Nähten platzt. Wenn er seine Freizeit nicht gerade bei der Freundin in Wendlingen verbringt, trifft er sich in Kirchheim mit den alten Freunden vom VfL oder mit ehemaligen Klassenkameraden am Ludwig-Uhland-Gymnasium. Vor zwei Jahren hat er dort das Abitur gemacht hat. Der Kontakt ist ihm wichtig. Sein Motto: Immer schön geerdet bleiben. Dabei war er es, der als Erster erkannte, dass es Zeit sein würde, Abschied von Kirchheim und dem VfL zu nehmen. Mit 15 Jahren und gegen den Rat seiner Eltern, die zunächst nicht verstanden, dass dem Sohn sportlicher Erfolg wichtiger ist als der vertraute Freundeskreis. Heute liefert er den Beweis, dass das eine das andere nicht ausschließt. Er will sich nicht mit Kompromissen begnügen. Er sagt: „Ich will immer das Maximum.“