Lokalsport

In die Fußballprovinz der Liebe wegen

Er will alle im Jahr 1881 gegründeten Fußballvereine einmal live spielen sehen und reist dafür seit knapp einem Jahr quer durch Europa. Am Samstag führte ihn sein Weg ins Kirchheimer Stadion zum VfL. Der Engländer Ashley Greb (46) ist ein sogenannter Groundhopper, der seine Liebe zum Amateurfußball bereits in einem Buch verewigt hat.

Bitte recht freundlich: Groundhopper Ashley Greb hält im Kirchheimer Stadion seine Eindrücke fest.Foto: Genio Silviani
Bitte recht freundlich: Groundhopper Ashley Greb hält im Kirchheimer Stadion seine Eindrücke fest.Foto: Genio Silviani

Kirchheim. Eine gute Stunde lang ist der Mann mit dem stoppelkurzen Haarschnitt und dem verschmitzten Grinsen aufmerksam durchs Stadion an der Jesinger Allee getigert, hat die Heimstätte des VfL aus jedem erdenklichen Winkel mit seiner Kamera abgelichtet. „Very impressive“, lobt er mit einem Blick ins weite Rund, „nicht jeder Fußballverein hat so eine große und schöne Anlage.“ Nach ausgiebiger Fototour geht er eiligen Schrittes zum Kassenhäuschen, um brav Eintritt zu bezahlen. „Sonst bekomme ich ein schlechtes Gewissen“, lacht er mit ernstem Unterton, „schließlich können kleine Vereine nur so überleben.“

Ashely Greb liebt und lebt Fußball, besonders den auf Amateurebene. Der 46-jährige Lehrer aus England ist ein sogenannter Groundhopper, unterscheidet sich aber von den klassischen Exemplaren dieser Fußballfan-Spezies. Statt aus purer Sammelleidenschaft heraus möglichst viele verschiedene Stadien zu besuchen, hangelt sich Greb von Projekt zu Projekt. Vor zwei Jahren besuchte er in jeder Runde des englischen Verbandspokals ein Match. Da es bei Unentschieden Wiederholungsspiele gibt, manchmal sogar mehrere. Weil der FA Cup anders als der DFB-Pokal aus zwei Vorbereitungsrunden, vier Qualifikationsrunden, sechs normalen Pokalrunden, zwei Halbfinals und dem Finale besteht, kam er am Ende auf stolze 26 Partien – ein langer Weg, weswegen er das Buch, das er über dieses Thema schrieb, sinnigerweise „The Long Way“ nannte.

Seit vergangenem Mai reist er nun kreuz und quer durch Europa, um sein neues Ziel zu erreichen: Ashley Greb will jeden Verein, der wie sein Heimatklub FC Watford im Jahr 1881 gegründet wurde, einmal live spielen sehen. Nach seinen Recherchen sind das weltweit gerade mal 28, wobei er nicht ausschließen kann, dass es noch mehr gibt. „Zuverlässige Quellen gibt es nicht, da in vielen Ländern Fußball noch keine offizielle Sportart war“, weiß er. Auch, dass der VfL als Verein zwar 1881 gegründet wurde, die Kicker jedoch erst 30 Jahre später in Erscheinung traten, ist ihm bekannt. „Ich sehe das nicht so eng. Wenn es den Verein seit so langer Zeit gibt, ist das für mich Anlass genug.“

Seine Leidenschaft, über die er ausgiebig im Internet (putajumperon.wordpress.com) bloggt, bedarf sorgfältiger Planung. „Ich habe zu Hause einen großen Terminkalender hängen, in dem alle Saisonspiele der 28 Teams eingetragen sind“, erzählt er. Zupass kommt ihm dabei, dass insgesamt nur sechs Teams außerhalb Englands liegen. Außer Girondins Bordeaux, die er vergangenen Sommer gemeinsam mit seiner verständnisvollen Frau besuchte, sind alle in Deutschland beheimatet.

Den VfL, Nummer 26 auf seiner Liste, quetschte er dabei quasi dazwischen: Bereits am Freitag war Greb von London nach München geflogen, um von dort mit dem Mietauto nach Ingolstadt zu fahren. Die Zweitligapartie am Abend zwischen dem FCI und Hertha BSC Berlin wollte er sehen, da der Vorgängerverein der Ingolstädter ebenfalls aus dem Jahr 1881 stammt. Um auf Nummer sicher zu gehen, besuchte er nach der Rückkehr aus Kirchheim und einer Nacht im Hotel gestern noch den Kick des tatsächlich vor 132 Jahren gegründeten MTV Ingolstadt gegen den TSV Gaimersheim II – was ein echter Groundhopper ist, den schreckt auch die Kreisliga A nicht.

„Ich liebe Fußball ganz einfach“, erklärt er mit entwaffnendem Charme die Motivation für sein extravagantes Hobby, das ihn entgegen aller Vermutungen nicht arm zu machen scheint. „Flug, Mietauto und Hotel kosten auch nicht mehr, als eine Karte für ein Premiere League-Spiel“, rechnet Greb, der kein gutes Haar an Englands höchster Spielklasse lässt. „Da geht‘s nur um Geld, Macht und Merchandise“, grantelt er, „und die Fans lassen alles mit sich machen.“ Weitaus ehrlicher und bewundernswerter ist für ihn die Unterstützung von kleinen Amateurvereinen wie dem VfL – Ashley Greb zückt begeistert seine Kamera, als er auf die Handvoll „Teck Tigers“ aufmerksam wird, die kurz vor Spielbeginn auf der Gegengeraden Position beziehen. „Herrlich“, schwärmt er, „genau deswegen wird Fußball doch erst gespielt.“

Sein nächstes Projekt hat er übrigens schon im Kopf: Sobald er seine 1881-Tour beendet hat, will er alle Mannschaften besuchen, die wie sein geliebter FC Watford in Gelb spielen. „Das ist doch mal eine echte Herausforderung“, lacht er.