Lokalsport

Komfortable Mehrheit für den Bau

Befürworter des Sportvereinszentrums kommen auf 61 Prozent der abgegebenen Stimmen

Der VfL Kirchheim hat eine erste wichtige Hürde auf dem Weg zum geplanten Sportvereinszentrum beim Stadion genommen. 61 Prozent der Stimmberechtigten entschieden sich in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Freitag für den Bau des 4,3 Millionen Euro teuren Vorhabens. Der Beschlussfassung ging eine mehr als dreistündige Debatte voraus.

Außerordendliche Mitgliederversammlung VfL Kirchheim, Diskussion und Abstimmung Baubeschluss VfL-Vereinszentrum, hier OBin Matt-
Außerordendliche Mitgliederversammlung VfL Kirchheim, Diskussion und Abstimmung Baubeschluss VfL-Vereinszentrum, hier OBin Matt-Heidecker, BM Riemer

Kirchheim. Gegen 23.20 Uhr am Freitagabend war Doris Imrich am Ziel. Als Tennis-Abteilungsleiter Günther Kirchner das Ergebnis verlas, brandete Beifall auf im aufgeheizten Rund der Stadiongaststätte, wo eine gute halbe Stunde vor Mitternacht fast saunaähnliche Temperaturen herrschten. 98 von 160  Stimmberechtigten bekannten sich zu dem Projekt, 61 stimmten dagegen, bei einer Enthaltung. Teils stehend, auf Tischen sitzend und in engen Stuhlreihen, drängten sich die Mitglieder, um einen für den Verein historischen Moment mitzuerleben. Sichtlich geschafft, von einer Zentnerlast befreit, nahm Doris Imrich die Umarmungen und Glückwünsche all derer entgegen, die die VfL-Frontfrau auf ihrem steinigen Weg in Richtung Vereinszukunft unterstützt und begleitet hatten. „Besser als erwartet“, so ihre erste Reaktion auf das Stimmergebnis, das nun den Weg in die politischen Gremien ebnet.

Sie weiß: Es hätte auch anders kommen können. In einer mehr als dreistündigen und hitzig geführten Debatte, drohte die Stimmung einige Male zu kippen. Dass die Diskussion größtenteils sachlich blieb, war mit ein Verdienst von Winfried Möck. Der Vertreter des für die Wirtschaftlichkeitsrechnung zuständigen Beraterbüros übte sich als Moderator erfolgreich in der Rolle des Wellenbrechers. Erwartet heftiger Widerstand kam vor allem aus den Reihen der VfL-Sportkegler. Einer Abteilung, die als der größte Verlierer im Spiel gilt. Mit dem Abriss des bestehenden Stadiongebäudes samt integrierter Kegelbahn verliert die Sparte ihre sportliche Existenzgrundlage. „Wir werden gemeinsam nach Lösungen suchen“, versprach Doris Imrich, ohne allerdings konkret zu werden. Die Frage nach der Zukunft der Abteilung blieb an diesem Abend unbeantwortet.

Antworten gab es vor allem zum Stand der Planungen wie er auch auf der Homepage des Vereins dokumentiert ist. Um den vielfach geäußerten Vorwurf schlechter Informationspolitik zu entkräften, hatte die Vereinsspitze alle am Projekt Beteiligten aufs Podium geholt. Kritik gab es vor allem am Finanzierungskonzept. Die Sorge, der Verein könnte angesichts des Investitionsvolumens finanziellen Schiffbruch erleiden, trieb viele Zuhörer um. Zweifel an der Ertragskraft und an der Mitgliederprognose, eine Finanzierung ohne Eigenkapital – „Diese Berechnung fußt auf dem Prinzip Hoffnung,“ schlussfolgerte Dieter Helber, Banken-Vorstandsmitglied im Ruhestand und ehemaliger Leiter der Leichtathletik-Abteilung im VfL. Der Finanzexperte ging sogar noch einen Schritt weiter und bezeichnete das Vorhaben als „unverantwortlich.“

Einer, der neben der Theorie auch die Praxis kennt, hielt den Skeptikern Erfolgszahlen entgegen: Roland Medinger, Geschäftsführer des VfL Sindelfingen, der seit vier Jahren ein Zentrum mit gleichem Investitionsvolumen erfolgreich betreibt, sprach den Befürwortern erkennbar aus der Seele: Medinger konnte von satten Gewinnen berichten, die das Vereins­zentrum abwerfe. Demnach sorgen 8 500 Mitglieder in der Mercedes-Stadt dafür, dass der Verein jährlich 200 000 Euro in die Kredittilgung stecken kann. Der VfL Sindelfingen, der inzwischen einen Aufnahmestopp verfügt hat, denkt nicht zum ersten Mal über Erweiterungsmöglichkeiten nach. Das Konzept sei vielfach erprobt, meint Medinger und schwört: Alle Zentren, die ich kenne, verdienen Geld.“ Er sagt aber auch: „Hundertprozentige Gewissheit kann es natürlich nicht geben.“

Für Kirchheims Oberbürgermeis­terin – selbst Mitglied im VfL – stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit eines individuell nutzbaren und flexiblen Sportangebots ohnehin nicht. „Sport im Verein, wie wir ihn heute kennen, wird es in 25 Jahren nicht mehr geben“, sagt sie. Einen Dämpfer erteilte Angelika Matt-Heidecker dagegen allzu optimistischen Prognosen über eine mögliche Kredit-Bürgschaft seitens der Stadt. Eineinhalb bis zwei Millionen Euro liegen der aktuellen Berechnung zugrunde. „Das sehe ich so nicht“, betonte die Rathauschefin mit Verweis auf die laufenden Verhandlungen mit den beteiligten Banken. Die Bürgschaftssumme wurde daraufhin kurzerhand aus dem Beschlussantrag gestrichen.

Jetzt drängt die Zeit. Bis zur nächs­ten Ratssitzung Anfang Februar muss mit den Banken ein beschlussfähiges Finanzierungskonzept ausgehandelt werden. Spätes­tens im Frühsommer soll mit dem Bau begonnen werden. Anfang 2014 könnte das Gebäude schließlich bezugsfertig sein. Erst dann soll der Abriss des alten Stadiongebäudes erfolgen.

Darüber wurde abgestimmt

Der Beschlussantrag, über den die VfL-Mitglieder zu entscheiden hatten, im Wortlaut: „Der VfL Kirchheim soll ein Sportvereinszentrum mit einem Investitionsvolumen in Höhe von circa 4,3 Millionen Euro brutto auf der Grundlage des vorliegenden Planentwurfs errichten. Es soll eine Fremdkapitalaufnahme von circa 4,3 Mil­lionen Euro zur Finanzierung des Sportvereinszentrums erfolgen. Die Vereinsgaststätte mit Kegelbahnen und Gymnastikhalle soll an die Stadt Kirchheim veräußert und von der Stadt Kirchheim im Tausch ein Grundstück im Wege des Erbbaurechts zum Bau eines Sportvereinszentrums erworben werden. Der Vorstand wird ermächtigt, alle im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben erforderlichen Verträge zu schließen und Maßnahmen zu treffen, um das Projekt sach- und zeitgerecht zu erstellen. Dieser Beschluss gilt für den Fall, dass eine Bürgschaft der Stadt Kirchheim bewilligt wird, der Grundstückserwerb (Erbbaurechtsbestellung) für den Bau mit der Stadt Kirchheim zustande kommt und die erforderlichen Darlehen von den Kreditinstituten bewilligt werden. Wird eine der Voraussetzungen nicht erfüllt, ist der Beschluss hinfällig.“