Lokalsport

Neun Jahre Übersee sind nicht genug

Porsche-Rennfahrer Wolf Henzler pendelt 2014 erneut zwischen Zizishausen und den USA – Burritos statt Linsen mit Spätzle

Auf seine geliebten Linsen mit Spätzle würde Wolf Henzler wohl für nichts in der Welt verzichten: Der 38-jährige Zizishausener Porsche-Werksfahrer fährt auf klassische Schwabenkost ab. Trotz der kulinarischen Präferenzen steht sein Arbeitsplatz freilich auch künftig in den Vereinigten Staaten von Amerika: Der Vertrag mit dem Falken-Tire-Team wurde um ein weiteres Jahr verlängert. Damit geht Henzler 2014 in sein ­zehn­tes US-Jahr.

Rennserie und Rennauto sind bald nicht mehr die Alten: Wolf Henzler steht vor neuen Herausforderungen. Foto: Porsche AG
Rennserie und Rennauto sind bald nicht mehr die Alten: Wolf Henzler steht vor neuen Herausforderungen. Foto: Porsche AG

Nürtingen. Mit Erfahrung fährt man besser – so könnte Wolf Henzlers Lehre aus seiner neunjährigen Tätigkeit als Rennpilot in den USA lauten. 2005 gab Henzler in der American Le Mans Series (ALMS) zum ersten Mal Gas – Spaß hatte er jedoch meist nur auf und weniger neben der Piste, wo er solch landestypischen Gepflogenheiten wie den Einpackservice an US-Supermarktkassen eher als lästig und zeitraubend, denn als nützlich und nett empfand. Tausende von Aufenthaltstagen in den USA und Hunderte Sportwagenrennen später hat sich das Amerika(ner-)Bild von Henzler entscheidend gewandelt. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten findet er („Amerikaner sind sehr geduldig“) jetzt vieles besser als einst. „Die Rennen dort würden mir fehlen, wenn ich sie nicht mehr bestreiten könnte“, sagt er.

Doch der zweifache Familienvater aus Zizishausen, bekanntestes Mitglied des Kirchheimer Motorsportclubs (MCKT), bei dem als junger Kartfahrer seine Laufbahn begann, macht auch 2014 auf ausgesuchten US-Pisten wieder Jagd auf die Sportwagenkonkurrenz von Ferrari, BMW, Dodge Viper und Co. Die kommende Saison wird Henzler erneut mit dem 31-jährigen US-Piloten Bryan Sellers als Cockpit-Partner bestreiten – so wie es schon in den vergangenen vier Jahren der Fall war. „Die Chemie zwischen uns stimmt“, betont Henzler. Gemeinsam treffen sich beide auch schon mal zu einer privaten Trainingseinheit auf der auch in den USA bekannten Nordschleife des Nürburgrings – für die achtminütige Tempojagd über 21 anspruchsvolle Kurven-Kilometer scheut Sellers einen mehrstündigen Hinflug nicht.

Wenn die neue Sportwagensaison mit dem 24-Stunden-Rennen von Daytona am letzten Januar-Wochenende eröffnet wird, haben sich die Konkurrenten auf Neuerungen einzustellen. Die wichtigste: Die alte Rennserie American Le Mans Series (ALMS) existiert nicht mehr – die Nachfolge-Veranstaltung heißt United SportsCar Championship (USCC). Sie soll die GT-Rennszene mit einigen modifizierten Regularien beleben. Henzler/Sellers werden den neuen, etwa 480 PS starken Porsche 911 RSR pilotieren – ein Renngeschoss, zu dem der Schwabe im Team erst noch finden muss: Für längeres, intensives Training im RSR-Cockpit hat Henzler bisher noch keine Zeit gehabt. Und weil keiner im Falken-Tire-Team derzeit richtig einzuschätzen vermag, wie schnell Ferrari und Co. in der künftig sogenannten GTLM-Klasse die Drehzahlen hochschnellen lassen, gibt es vom japanischen Reifenhersteller-Team auch kein erklärtes Saisonziel – zumindest ist keines offiziell bekannt.

Geschätzte „80 bis 100 Tage“ wird Wolf Henzler 2014 in den Staaten verbringen – grob gerechnet ein Vierteljahr. Wer so viele Auslands-Termine hat wie er, darf weder Flugangst noch Konditionsdefizite haben. Erstere ist kein Thema, und gegen Letztere hilft das Fitnesscamp, das die Firma Porsche für seine (derzeit) elf offiziellen Werksfahrer alljährlich vor dem Saisonstart veranstaltet. Demnächst wird es vom 7. bis 15. Januar auf Teneriffa abgehalten. „Wer da an Urlaub denkt, liegt falsch“, sagt Henzler, auf den an den acht Übungstagen bis zu jeweils sechs Stunden Ausdauer-, Kraft- und Gerätetraining warten.

Danach geht‘s für den Rennfahrer wieder ab nach Amerika. Dort gibt es zwar keine Linsen mit Spätzle, dafür aber amerikanisch-mexikanische Burritos. Die gefüllten Weizenmehl-Tortillas, von Henzler irgendwann mal probiert in einem Lokal nahe der Rennstrecke, sind inzwischen Henzlers Ersatz-Spezialität.

Neue Rennserie und neuer Rennwagen, aber das alte Rennziel

Gefüllter Terminkalender Die United SportsCar Championship (USCC), gemeinsame Nachfolgeserie der bisherigen American Le Mans Series (ALMS) und der Grand-Amheißt das neue Betätigungsfeld von Wolf Henzler. Die neue Rennserie umfasst in der Premieren-Saison 2014 zwölf Rennen. Hier der komplette Terminkalender: 25./26. Januar 24 Stunden von Daytona, 15. März 12 Stunden von Sebring, 12. April Long Beach, 4. Mai Monterey/Laguna Seca, 31. Mai Detroit, 29. Juni Sechs Stunden von Watkins Glen, 13. Juli Mosport, 25. Juli Indianapolis, 10. August Elkhart Lake, 24. August Virginia, 20. September Austin, 4. Oktober Petit Le Mans in Braselton Starke Konkurrenz „Die neue Rennserie ist naturgemäß stärker besetzt als es jede der beiden alten Serien war“, sagt Wolf Henzler. Corvette, Ferrari, BMW und Dodge Viper gelten als die größten Konkurrenten in der neuen Leistungsklasse GTLM, die PS-Zahlen von weit über 450 aufweist. Henzler, im fünften Jahr für das Falken-­Tire-Team auf dem neuen Porsche 911 RSR unterwegs, macht sich nichts vor: Ein Gesamtsieg 2014 würde anmuten wie Weihnachten und Ostern an einem Tag. „Wenn wir wieder einen einzigen Tagessieg landen wie 2013, bin ich schon zufrieden“, umschreibt er seine persönlichen Erwartungen. Neuer Bolide ist schneller Trotzdem sieht Henzler im Ranking Steigerungspotenzial – dank des neuen Boliden, der zum Einsatz kommen wird. „Verglichen mit unserem ‚alten‘ Auto hat der neue 911 RSR einen längeren Radstand, ein besseres Bremsverhalten und eine verbesserte Aerodynamik. Außerdem ist er etwas schneller“, sagt der Pilot über den „gefühlten“ 480-PS-Boliden. Im Finale der abgelaufenen ALMS-Saison in Braselton (US-Bundesstaat Georgia) hatten Henzler/Sellers nach einem Crash notgedrungen einen älteren Porsche 911 GT3 RSR pilotieren müssen – und kurioserweise gewonnen. Henzlers Highlights Größte Erfolge in seiner 20-jährigen Rennfahrerlaufbahn sind der GT2-Gesamtsieg mit Jörg Bergmeister in der ALMS, der Le Mans-Klassensieg (beide 2008), der GT2-Sieg bei den 24 Stunden von Spa im Team mit Martin Ragginger, Bergmeister und Romain Dumas (2010) sowie der GT-Sieg bei den 12 Stunden von Sebring (2004). Derweil war der Gesamtsieg im Porsche-Supercup 2004 das Sprungbrett für sein US-Engagement.top