Nürtingen. Mit Erfahrung fährt man besser – so könnte Wolf Henzlers Lehre aus seiner neunjährigen Tätigkeit als Rennpilot in den USA lauten. 2005 gab Henzler in der American Le Mans Series (ALMS) zum ersten Mal Gas – Spaß hatte er jedoch meist nur auf und weniger neben der Piste, wo er solch landestypischen Gepflogenheiten wie den Einpackservice an US-Supermarktkassen eher als lästig und zeitraubend, denn als nützlich und nett empfand. Tausende von Aufenthaltstagen in den USA und Hunderte Sportwagenrennen später hat sich das Amerika(ner-)Bild von Henzler entscheidend gewandelt. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten findet er („Amerikaner sind sehr geduldig“) jetzt vieles besser als einst. „Die Rennen dort würden mir fehlen, wenn ich sie nicht mehr bestreiten könnte“, sagt er.
Doch der zweifache Familienvater aus Zizishausen, bekanntestes Mitglied des Kirchheimer Motorsportclubs (MCKT), bei dem als junger Kartfahrer seine Laufbahn begann, macht auch 2014 auf ausgesuchten US-Pisten wieder Jagd auf die Sportwagenkonkurrenz von Ferrari, BMW, Dodge Viper und Co. Die kommende Saison wird Henzler erneut mit dem 31-jährigen US-Piloten Bryan Sellers als Cockpit-Partner bestreiten – so wie es schon in den vergangenen vier Jahren der Fall war. „Die Chemie zwischen uns stimmt“, betont Henzler. Gemeinsam treffen sich beide auch schon mal zu einer privaten Trainingseinheit auf der auch in den USA bekannten Nordschleife des Nürburgrings – für die achtminütige Tempojagd über 21 anspruchsvolle Kurven-Kilometer scheut Sellers einen mehrstündigen Hinflug nicht.
Wenn die neue Sportwagensaison mit dem 24-Stunden-Rennen von Daytona am letzten Januar-Wochenende eröffnet wird, haben sich die Konkurrenten auf Neuerungen einzustellen. Die wichtigste: Die alte Rennserie American Le Mans Series (ALMS) existiert nicht mehr – die Nachfolge-Veranstaltung heißt United SportsCar Championship (USCC). Sie soll die GT-Rennszene mit einigen modifizierten Regularien beleben. Henzler/Sellers werden den neuen, etwa 480 PS starken Porsche 911 RSR pilotieren – ein Renngeschoss, zu dem der Schwabe im Team erst noch finden muss: Für längeres, intensives Training im RSR-Cockpit hat Henzler bisher noch keine Zeit gehabt. Und weil keiner im Falken-Tire-Team derzeit richtig einzuschätzen vermag, wie schnell Ferrari und Co. in der künftig sogenannten GTLM-Klasse die Drehzahlen hochschnellen lassen, gibt es vom japanischen Reifenhersteller-Team auch kein erklärtes Saisonziel – zumindest ist keines offiziell bekannt.
Geschätzte „80 bis 100 Tage“ wird Wolf Henzler 2014 in den Staaten verbringen – grob gerechnet ein Vierteljahr. Wer so viele Auslands-Termine hat wie er, darf weder Flugangst noch Konditionsdefizite haben. Erstere ist kein Thema, und gegen Letztere hilft das Fitnesscamp, das die Firma Porsche für seine (derzeit) elf offiziellen Werksfahrer alljährlich vor dem Saisonstart veranstaltet. Demnächst wird es vom 7. bis 15. Januar auf Teneriffa abgehalten. „Wer da an Urlaub denkt, liegt falsch“, sagt Henzler, auf den an den acht Übungstagen bis zu jeweils sechs Stunden Ausdauer-, Kraft- und Gerätetraining warten.
Danach geht‘s für den Rennfahrer wieder ab nach Amerika. Dort gibt es zwar keine Linsen mit Spätzle, dafür aber amerikanisch-mexikanische Burritos. Die gefüllten Weizenmehl-Tortillas, von Henzler irgendwann mal probiert in einem Lokal nahe der Rennstrecke, sind inzwischen Henzlers Ersatz-Spezialität.