Lokalsport

Zweieinhalb Stunden Vorfreude auf die Skisaison

Für die einen steht die Vielfalt und Auswahl an preisgünstigen Schneesportprodukten auf engem Raum im Mittelpunkt. Für die anderen sind sie Mittel zum Zweck, um den Nachwuchs mit passendem Equipment auszustatten: Skibasare wie der des VfL Kirchheim boomen auch nach über 50 Jahren und in Zeiten von Ebay & Co. noch zu Beginn einer jeden Wintersportsaison.

Der Skibasar des VfL Kirchheim in der Stadthalle lockte die Massen. Foto: Jörg Bächle
Der Skibasar des VfL Kirchheim in der Stadthalle lockte die Massen. Foto: Jörg Bächle

Kirchheim. Sonntag, Allerheiligen, 12.25 Uhr – in der Kirchheimer Stadthalle herrscht eine lässig-entspannte Stimmung. Fleißige Helfer der VfL-Skiabteilung legen letzte Hand an die Verkaufstische- und -ständer. Zehn lange Reihen Skistiefel von niedlicher Größe 35 bis zu mächtigen 47ern stehen bereit. Dazu vier lange Reihen Alpin- und Langlaufski, vier Ständer mit Snowboards – vom kurzen Freestyle­board über Freeride- und Race­boards bis zum Longboard – und jede Menge Zubehör in Form von Skistöcken, Skibrillen, Helmen, Handschuhen sowie Ski- und Snowboard-Funktionskleidung.

„Seit diesem Jahr haben wir auch einen Ständer nur mit Protektoren“, freut sich Ursula Wannenmacher, Abteilungsleiterin Ski im VfL Kirchheim und Vorstandsmitglied im Hauptverein, über das zunehmende Sicherheitsverständnis im Schneesport. „Bis vor ein paar Jahren hat man vielleicht die Kinder mit Protektoren ausgestattet, doch in letzter Zeit folgen auch mehr und mehr Erwachsene dem Trend zur Kunststoffschale“, weiß Wannenmacher.

Mittlerweile herrscht so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm in der Stadthalle. Noch zwei Minuten, bis die Türen am Parkhaus geöffnet werden. Wolfgang Butz, langjähriges Mitglied der VfL-Schirgler, ist nicht nur wegen seiner Erfahrung quasi der Organisationschef des Skibasars. „Vor 35 Jahren haben wir im Schützenhaus mit dem Basar angefangen. Danach waren wir viele Jahre in der Freihof-Realschule, dann kurz im Seminar und nun seit 2012 in der Stadthalle“, weiß Butz, der zu einem letzten Kontrollgang durch den Saal ansetzt. Dann warnt er alle, „die Einflugschneise“ – also den Raum vor der Saaltür – „zu räumen“ und gibt grünes Licht für die Türöffnung.

Was folgt ist keine apokalyptische Erfahrung, aber doch nahe daran. Wie eine Walze rollt die Menschenmasse auf den Verkaufssaal zu. Die Butz‘sche Warnung mit der Einflugschneise kam nicht von ungefähr. Im Saal teilt sich die Masse auf: nach rechts geht’s zu den Skiern und den Boards. Geradeaus befinden sich die Skistiefel, links die Kleidung. Nach knapp fünf Minuten steht der erste Käufer mit einem Paar Kinderski an einer der drei Kassen: neuer Rekord. Seither lag er, so Ursula Wannenmacher, „bei sechs Minuten“. Weitere zehn Zeigerumdrehungen später ist die Saaltür zu. „Aus Sicherheitsgründen“, erklärt Wolfgang Butz, der weitere 15 Minuten später die Tür wieder freigibt.

Drinnen herrscht geschäftiges Gewusel. Eine Mutter fragt Ursula Wannenmacher, wie lang denn ein Kinderski sein solle. „Die Faustformel ist: bis zur Nasenspitze – dann passen die Ski vielleicht auch noch in der nächsten Saison“, weiß die Abteilungsleiterin aus langjähriger Erfahrung.

Bei den Erwachsenen berät Hans-Joachim Brenner, im Hauptberuf Lehrer am Ludwig-Uhland-Gymnasium, einen Snowboard-Interessenten über die Vor- und Nachteile eines Raceboards. Die Expertise hat Brenner allemal. Er ist nicht nur Skilehrer, sondern auch selbst passionierter Boarder. Nebenan steht Axel Wagner, gleichfalls langjähriges VfL-Mitglied, einer Mutter bei den Kinderskistiefeln mit Rat und Tat zur Seite. Ab Schuhgröße 26 – die Stiefel sind gerade mal 16 Zentimeter lang – wird hier verkauft. Die Besucher nehmen den fachmännischen Rat der VfL-Crew, die auch schon mal Köpfe für die richtige Helmgröße vermisst oder Innenschuhe aus den Skistiefeln schält, dankbar entgegen.

Viele Erwachsene sind nur des Nachwuchses wegen hier. Wie beispielsweise Elke Miller aus Dettingen, die ein paar Kinderski unter dem Arm trägt: „Ich komme wegen der Kindersachen und habe auch einige zu kleine Artikel zum Verkauf abgegeben. Das Gedränge umgehe ich, indem ich früh da bin.“ Andere fahren eine andere Taktik: Markus Oßwald aus Kirchheim hat Kinderskistiefel für Tochter Lilly erstanden: „Die Kleine braucht jedes Jahr neue. Das ist ganz schön teuer. Hier kann man die alten abgeben und neue passende für kleines Geld wieder mitnehmen. Wir kommen übrigens erst, wenn der erste Ansturm vorbei ist. Dann gibt es vielleicht nicht mehr alles, aber dafür ist das Gedränge nicht so groß.“

Insgesamt werden bei diesem Skibasar über 2 500 Artikel – vom Skistock für einen bis zu neuwertigen Alpinski für 250 Euro – umgesetzt. Damit gehört der VfL-Basar zu den größeren im Ländle. 50 Cent pro Artikel nimmt der Veranstalter als Bearbeitungsgebühr für die händische Erfassung, die Buchführung und Auszeichnung der Waren vom Verkäufer. Sollte der Artikel veräußert werden, fallen weitere 15 Prozent des Verkaufspreises an Provision an: klingt viel – ist es aber nicht. Bei einem (verkauften) Paar Kinderski zu 20 Euro fallen somit beispielsweise 3,50 Euro Gebühren an. Der Skibasar 2016 wird übrigens mit einer Neuerung aufwarten: Erstmals wird dann eine Softwarelösung statt der seither geführten Bücher und manuellen Etiketten für den reibungslosen Ablauf sorgen.

Nach zweieinhalb Stunden gelebter Vorfreude auf die Skisaison haben sich gegen 15 Uhr die Reihen merklich gelichtet. Sowohl viele Artikel als auch die meisten Besucher sind verschwunden. An den Kassen wird akribisch gerechnet und im Verkaufssaal werden die nicht verkauft Artikel zusammengeräumt, ehe deren Abholung und die Auszahlung der Erlöse stattfindet.

Doch so mancher hinterlässt dem VfL seine meist museumsreifen Exponate, die eigentlich zum Sperrmüll gehören und am Ende von der Skiabteilung entsorgt werden müssen. „Das ist ein Preis, den wir jedes Jahr zahlen müssen“, weiß Axel Wagner, der dennoch wieder dabei sein wird, wenn Wolfgang Butz 2016 erneut um kurz vor 12.30 Uhr das Kommando zur Räumung der „Einflugschneise“ gibt.

Fotos: Deniz Calagan/Jörg Bächle