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„Das Leben ist zu kurz, um schnell zu fahren“

Frauen und ihre Traktoren (1): In einer neuen Serie stellt der Teckbote Trecker-Liebhaberinnen aus der Region vor

Während sich andere auf das Fahrrad schwingen oder joggen, um einen freien Kopf zu bekommen, fährt Katrin Strobel aus Dettingen einfach mit ihrem Traktor spazieren. Die 45-Jährige liebt den Dieselgeruch, das Motorengeräusch – und die Langsamkeit als Gegengewicht zur alltäglichen Hektik.

Katrin Strobel aus Dettingen fährt mit ihrem elf PS starken ¿Eicher EKL 11¿ oft durch ihre Wahlheimat.Fotos: Jean-Luc Jacques
Katrin Strobel aus Dettingen fährt mit ihrem elf PS starken ¿Eicher EKL 11¿ oft durch ihre Wahlheimat.Fotos: Jean-Luc Jacques

Dettingen. Tock, tock, tock, tock, tock . . . dröhnt der Traktormotor gleichmäßig. Dieselgeruch liegt in der Luft, und feine, dunkle Auspuffwolken schweben über Dettingens Straßen. Gemächlich tuckert Katrin Strobel mit ihrem Trecker durch ihre Wahlheimat und genießt den leichten Fahrtwind, der ihr entgegenweht. Derweil vibriert der mit einem Heidschnuckenfell bestückte Traktorsitz im Rhythmus des hämmernden Motors.

„Fußgänger machen immer große Augen, wenn sie mich auf dem Traktor sehen. Sie winken, grinsen oder rufen mir ein freundliches ,Hallo‘ zu“, erzählt die 45-Jährige. Das Spazierenfahren mit ihrem 57 Jahre alten und elf PS starken „Eicher EKL 11“ ist ihre Leidenschaft – und nicht nur deshalb fällt die Dettingerin auf: Auch ihre flippigen, knallrot leuchtenden Haare stechen ins Auge. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man ein weiteres charmantes Kuriosum: rot lackierte Fußnägel in Outdoor-Sandalen, die auf dem Gaspedal des Treckers liegen. Wenn Katrin Strobel dann noch ihr „My Girl“ trällerndes Plüschtier „Phil“ auf der gepolsterten Beifahrerbank platziert hat, dann ist die amüsante Attraktion perfekt.

Katrin Strobels Leidenschaft für Traktoren begann schon in ihrer Kindheit. Auf dem Land im Hohen-lohischen aufgewachsen, hatte die Grundschülerin viele Klassenkameraden, deren Großeltern und Eltern eine Landwirtschaft betrieben. „Die größte Belohnung nach den Hausaufgaben war, im Hof eines Schulkameraden mit dem Traktor ein paar Runden zu drehen“, erinnert sich die 45-Jährige. Schon damals faszinierten sie der Dieselgeruch, die „einfache Technik“, das „geniale Geräusch“ – und die Langsamkeit. „Beim Traktorfahren kann ich herunterkommen von der hohen Geschwindigkeit des Alltags. Es ist ein Gegengewicht zur täglichen Hektik“, betont die Dettingerin.

Über 30 Jahre dauerte es dann allerdings, bis Katrin Strobel den Wunsch nach einem eigenen Trecker entwickelte. Saß sie zuvor nur ab und zu am Steuer eines Schleppers, wenn sich die Gelegenheit bei Freunden oder Verwandten ergab, dachte sie sich irgendwann: „Andere kaufen sich Motorräder. Warum soll ich mir nicht einen Traktor zulegen?“. Und so kam es, dass die quirlige und aufgeschlossene Dettingerin im Internet ihren Liebling fand: „Karl-Ludwig“ oder „der kleine Karl“ – so nennt sie ihren „Eicher EKL 11“. Das Gefährt gehörte einem älteren Mann aus Remshalden, der den Traktor für seine Arbeit in den Weinbergen nutzte.

Im Juli 2010 holte Katrin Strobel gemeinsam mit ihrem Mann ihr „Karlchen“ im Remstal ab – und fuhr damit die 35 Kilometer lange Strecke zurück nach Dettingen. „Zuerst war ich total nervös, mit dem Traktor so weit zu fahren. Aber der ältere Herr in Remshalden meinte: ,Do hocksch halt oifach druff.‘“ Und so kam die Dettingerin nach einer gemütlichen, zweieinhalb Stunden andauernden Fahrt wohlbehalten zu Hause an.

Dort erhielt „der kleine Karl“ gleich einen Platz in der Garage – und Katrin Strobels Auto wurde kurzerhand an den Straßenrand verbannt. „Ich möchte meinen Traktor ungern Nässe aussetzen, denn dann setzt er Rost an. Ich will ja schließlich mit ihm fahren und ihn nicht restaurieren“, unterstreicht Katrin Strobel.

Zwei bis drei Mal in der Woche fährt die Bürokauffrau – je nach Wetterlage – mit ihrem „Karlchen“ zur Arbeit nach Weilheim. Bei ihren Kollegen der Firma Kesseböhmer habe es zuerst „fassungslose Reaktionen“ gegeben, als Katrin Strobel mit dem Traktor vorfuhr. „Aber dann waren sie begeistert – genauso wie meine Freunde, Bekannten und Nachbarn“, erzählt die Traktorliebhaberin, die in der Mittagspause mit ihren Kollegen schon einige Runden durch die Stadt gedreht hat.

Etwa 40 Minuten dauert die Fahrt von Dettingen nach Weilheim. Diese genießt die 45-Jährige in vollen Zügen. „Man nimmt dabei Tiere und Gerüche wahr, die man im Auto nie entdeckt hätte.“ Traktorfahren bedeutet für Katrin Strobel Energie zu tanken und Zeit zum Nachdenken zu haben – aber auch, sich eine Auszeit von der „atemberaubenden Geschwindigkeit zu nehmen, mit der unsere Gesellschaft unterwegs ist“.

Doch nicht nur für den Weg zur Arbeit holt Katrin Strobel ihren „Karl-Ludwig“ aus der Garage – auch vor dem Supermarkt oder Bäcker zieht sie mit ihrem Traktor Blicke auf sich. Außerdem unternimmt die Dettingerin mit ihrem Gefährt Ausflüge in den Biergarten nach Owen, zur Eisdiele in die Teckstadt, zu Oldtimer-Treffen, zu ihren Vereinskameraden der „Schwungradfreunde“ nach Bad Boll und auf die Alb zu Wanderwochenenden.

Häufig kommt es dabei vor, dass Katrin Strobel auf der Straße eine lange Autoschlange hinter sich herzieht. „Ich fahre aber zur Seite, sobald ich die Möglichkeit dazu habe“, betont sie. Mit einigen Autofahrern habe sie trotzdem schon schlechte Erfahrungen gemacht. „Ich habe wüste Gesten gesehen und Beschimpfungen gehört. Aber es sind nicht alle so“, verdeutlicht Katrin Strobel. Mit ihrem Traktor darf sie übrigens nicht auf Feldwege ausweichen. Das wäre nur dann möglich, wenn „Karl-Ludwig“ anstatt einem schwarzen ein grünes Kennzeichen besäße. Doch ein solches gibt es nur für Traktoren, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden.

„Der kleine Karl“ jedenfalls ist mit seinen maximal 17 Kilometern pro Stunde gemütlich unterwegs – für seine Besitzerin ist dieses Tempo genau richtig. Schließlich hat sie sich voll und ganz ihrem Motto verschrieben, das da lautet: „Das Leben ist zu kurz, um schnell zu fahren.“

Katrin Strobel, Hintere Str. 102, Dettingen, fŠhrt regelmŠ§ig mit Traktor zur Arbeit nach Weilheim

Katrin Strobel fäŠhrt regelmŠäßig mit Traktor zur Arbeit nach Weilheim.