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„Diese Reform ist deutlich überdimensioniert“

Joachim Lautensack, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, zu Gast bei der CDU

Im Café Bernauer in Notzingen war es eng: Rund 40 Zuhörer folgten der Einladung der CDU zum Thema „Auswirkungen der Polizeireform“. Joachim Lautensack, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ging mit grün-roten Reformplänen hart ins Gericht. Doch auch die Vorgängerregierung bekam bei der Veranstaltung Kritik ab.

Notzingen. In Frankreich sind die Gewerkschaften nach Weltanschauung sortiert. Auch der deutsche Polizist hat die Wahl: Anders als die zum DGB gehörige Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) im Deutschen Beamtenbund (dbb) eher konservativ orientiert. Dritter im Bunde ist der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK), der keinem Dachverband angehört.

Wenn sich aber der Arbeitsweg eines Polizeimitarbeiters plötzlich vervielfacht, dürfte sein Ärger kaum von der politischen Einstellung abhängen. Rund 4 000 Mitarbeiter der Polizeidirektionen müssten in die großen Polizeipräsidien umsiedeln, kritisierte Peter Schuster, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft, Kreisverband Esslingen, in seiner Einführung. „Das Wort von Innenminister Reinhold Gall, dass durch die Polizeireform mehr Polizisten auf die Straße kommen, erhält so eine ganz neue Bedeutung.“ Die Reform sei nicht aus der Polizei hervorgegangen. „Einige wenige Beamte aus der Führungsebene haben die Reform nach den Vorgaben des Innenministers umgesetzt.“ Für Schuster sind die Landkreise Esslingen und Göppingen Verlierer der Reform: „Wenn die zentrale Führung der Polizei nach Reutlingen und Ulm verlagert wird, dann fallen Ansprechpartner vor Ort weg.“

Rainer Staib, Vorsitzender des Arbeitskreises Polizei der CDU, Bezirksverband Nordwürttemberg, verwies auf die vielen neuen Aufgaben der Polizei. Heute sei sie bei Sportveranstaltungen, „die hat die Polizei vor zehn Jahren noch gar nicht gekannt, da musste sie nicht hin“. Staib kritisierte die Trennung in Ausbildung und Einsatz bei der Bereitschaftspolizei: Ausgebildet werden soll nur noch in Biberach und Lahr, Göppingen und Bruchsal sind nur noch Einsatzstandorte.

Lautensack griff diese Kritik auf: Genau diese Trennung sei vor zwei Jahren in Bayern geschehen. Eine Expertengruppe habe die Auswirkungen geprüft, mit negativem Ergebnis. „Sehenden Auges werden Fehler anderer Bundesländer wiederholt.“ Nie, so Lautensack weiter, wäre er als 17-jähriger Bruchsaler zur Polizeiausbildung nach Biberach gegangen. Dort fehlten nun Lehrsäle, während sie in Bruchsal leer stünden.

Bei zwölf Lenkungsausschusssitzungen zur Polizeireform war Lautensack als Berater dabei. „Jeder Einwand wurde runtergebügelt“, berichtet er. „Ich kann gegen die Polizeireform auf legale Art nichts mehr tun, wir werden mit ihr leben müssen. Da machst du nichts mehr rückgängig, auch bei einem Regierungswechsel.“ Statt heute 37 Polizeidirektionen gebe es nur noch zwölf regionale Polizeipräsidien, „für bis zu fünf Landkreise, da passt nichts zusammen“. Der Polizeipräsident von Tuttlingen habe fünf Ansprechpartner. Schaffe man Außenstellen, fräßen sie das Gewinnpotenzial der Reform wieder auf. Selbst bei einer 15-jährigen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bleibe bei der Polizeireform unterm Strich ein Verlust übrig.

Warum gibt es die Reform dann überhaupt? Weil der Polizei Personal fehlt – und für neue Stellen das Geld. Laut Projektgruppe lassen sich durch die Reform 650 Stellen freisetzen, die je zur Hälfte auf die Kripo und die Polizeireviere verteilt werden sollen. Warum fehlt der Polizei so viel Personal? Weil die CDU etwa 1 000 Stellen gekürzt hatte. „Sie hat mitzuverantworten, dass es so weit gekommen ist“, befand ein Zuhörer.

Wer als Polizist an einen anderen Ort muss, für den gab es drei Vorschläge. „Die Projektleitungen haben sich in der Zuweisung allergrößte Mühe gegeben“, lobte Lautensack. Doch sei die Entscheidung für manchen Polizisten die „Entscheidung zwischen Pest und Cholera“. Dass effizientere Strukturen nötig sind, bezweifelte Lautensack nicht. „Dazu wären wir bereit gewesen. Heidenheim kann im Mordfall Bögerl nicht zwei Jahre lang eine Sonderkommission mit 90 Leuten führen.“ Doch sei diese Reform „deutlich überdimensioniert“. Lautensack kritisierte auch die geplante Abschaffung des freiwilligen Polizeidienstes. Diese geschehe derzeit schleichend durch die Kürzung der Mittel für die Aufwandsentschädigungen. Der freiwillige Polizeidienst sei ein Erfolgsmodell gewesen. Was aber nicht richtig war: „Über viele Jahre wurden die Freiwilligen als voller Personalersatz missbraucht.“

Unterm Strich, so Lautensack, werde der Bürger die Auswirkungen der Reform merken. Doch breche am 1. Januar 2014 nicht die Welt zusammen. Die Reviere würden momentan nicht in großem Maße angetastet. „Die Polizei wird da sein, wenn sie vom Bürger gerufen wird.“

Nach so viel Inhalten hielt Frank Förstermann, Vorsitzender des Arbeitskreises Polizei der CDU, Kreisverband Esslingen, sein Schlusswort ganz kurz: Die baden-württembergische Polizei sei eine der besten und günstigsten in Deutschland. Warum könne man nicht einfach – statt einer Reform – die fehlenden 1 000 Stellen neu schaffen und bezahlen?