Lokales

„Metzger und Bäcker geht nicht“

Eine Familie hat den Selbstversuch gewagt

Portrait Syvia Dölker Ernährungsberaterin
Portrait Syvia Dölker Ernährungsberaterin

Neckartailfingen. „Probieren wird es mal aus.“ Als Sylvia Dölker ihrem Mann und ihren zwei Kindern vor vier Jahren vorschlug, beim Selbstversuch des Kreisdiakonieverbands „Vier Wochen mit Hartz IV“ mitzumachen, waren alle einverstanden. Vier Jahre später, bei der nächsten

Runde, hält sich bei Ehemann und Kindern die Euphorie in Grenzen – kein Wunder: Die Einschränkungen sind immens, wie die Familie aus Neckartailfingen feststellte.

„Zu viert mussten uns pro Woche 99 Euro für Lebensmittel und Getränke reichen“, berichtet Sylvia Dölker. Das ist der Anteil, der einer Familie wie den Dölkers mit zwei neun und 13 Jahre alten Kindern bei Hartz IV für die Ernährung zustehen würde. „Beim Metzger einkaufen – das geht gar nicht mehr. Fleisch und Wurst sind die größten Kostenblöcke.“ Auch Brot vom Bäcker sei einfach nicht mehr drin gewesen. „Beim Discounter wollte ich keine Backwaren kaufen. Deshalb habe ich angefangen, mein Brot selbst zu backen.“

Im Supermarkt gewöhnte sie sich an, sich streng an den Zettel zu halten und nur das Notwendigste zu kaufen. „Man darf nicht nach rechts und links gucken“, sagt die Ernährungsexpertin.

Kür gab es kaum noch: „Mal einen Kaffee trinken gehen, war nicht mehr drin“, erzählt Sylvia Dölker. Besonders hart traf das ihren Ehemann, der im Außendienst tätig ist. „Normalerweise hat er sich mittags immer einen Kaffee und eine Brezel geholt.“ Schnell stellte sich heraus, dass er damit über die Stränge schlug. „Er hat dann eine Thermoskanne und Vesper von zuhause mitgenommen.“

„Ein Problem war auch die Mensa, wenn die Kinder Mittagsschule hatten.“ 2,30 Euro kostete das Essen dort. „Wenn dem Kind aber nur 3,87 Euro zustehen, dann ist sonst kaum mehr was drin.“ Damals erfuhr Sylvia Dölker auch, dass es Möglichkeiten für Zuschüsse gibt. „Aber das sind alles bürokratische Monster.“

Besonders schwierig wurde es, als der 13-Jährige Geburtstag feierte. „Mit seinen Freunden Billard spielen durfte er trotzdem“, berichtet Sylvia Dölker. „Sonst wäre es zu hart geworden.“ Essen gab es aber zu Hause: drei Bleche selbst gemachte Pizza. „Dafür musste ich zwei Tage vorher und nachher extrem rechnen.“

Als „sehr spannend“ hat Sylvia Dölker die vier Wochen empfunden, aber auch als enorm anstrengend – und konfliktträchtig. „Meine Familie hat zwar mitgezogen, ist aber von Tag zu Tag knatschiger geworden.“ Manchmal gab es Streit, wenn ihr Mann abends beichtete, dass er sich doch etwas vom Bäcker geholt hatte. Zur Disziplin kam ein enormer Zeit- und Planungsaufwand. „Meine Bewunderung für Leute, die das über Jahre machen, ist enorm gestiegen“, sagt Sylvia Dölker und gibt zu bedenken: „Wir mussten uns ja nur bei der Ernährung einschränken. Noch härter ist es, wenn man noch andere Löcher stopfen muss.“