Lokales

„Sparvariante“ oder „kein Hallenbad“

Entscheidung des Gemeinderats über einen Neubau wird auf nächstes Frühjahr vertagt

Die Hallenbad-Diskussion in Kirchheim geht weiter – vorerst aber nicht in öffentlicher Sitzung. Die Beschlussfassung war zwar noch vor Weihnachten vorgesehen. Der Termin wird jetzt aber um ein Vierteljahr verschoben. Vor der endgültigen Entscheidung für oder gegen einen Neubau gibt es noch eine Klausurtagung des Gemeinderats zur Haushaltskonsolidierung.

Hutteninsel - Freibad
Hutteninsel - Freibad

Andreas Volz

Kirchheim. Das große Problem beim Hallenbad-Neubau ist nicht das Wollen, sondern das Können, sagte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker in einem Gespräch mit dem Teckboten. Und auch beim Können geht es noch nicht einmal so sehr darum, ob sich die Stadt den Neubau leisten kann. Die Hauptschwierigkeit besteht darin, ob es sich die Stadt auf Jahre und Jahrzehnte hinaus leisten kann, ein solches Bad zu betreiben – mit Zuschüssen aus öffentlichen Mitteln, die derzeit auf rund zwei Millionen Euro veranschlagt werden, und das nicht einmalig, sondern jedes Jahr.

Zahlen und Fakten liegen längst auf dem Tisch. Sie sind auch in einer aktuellen Sitzungsvorlage des Gemeinderats zusammengefasst. Als Standort für das Hallenbad ist das bisherige Eingangsgebäude des Freibads vorgesehen, zu dem auch die „Hutteninsel“ gehört. Der Komplex würde also dem Neubau weichen. Auch die Frage, ob das neue Hallenbad – so es denn überhaupt kommen sollte – seinen Besuchern ganzjährig oder nur in der Wintersaison zur Verfügung steht, ist nicht entscheidend und fast schon beantwortet: Angesichts eines reinen Hallenbad-Defizits von 1,3 Millionen Euro zur Winterszeit, dem ein jährlicher Abmangel von 1,4 Millionen Euro bei Dauerbetrieb gegenübersteht, sagt die Oberbürgermeisterin: „Wenn, dann bauen wir ein Hallenbad, das sich das ganze Jahr über nutzen lässt.“

Das entscheidende Wort bei dieser Aussage ist aber das berühmte Wörtchen „Wenn“. Und genau deshalb gebe es vor der endgültigen Entscheidung auch noch entsprechenden Beratungs- und Gesprächsbedarf im Gemeinderat. Der Vorschlag der Verwaltung sieht bislang die kostengünstigere Variante eines Neubaus vor. Das Raumprogramm wäre gegenüber dem „Kirchheimer Bedarf“ abgespeckt. So würde es nur fünf Bahnen im großen Schwimmbecken geben, und das Lehrschwimmbecken würde ebenso kleiner und kostengünstiger ausfallen wie der künftige Kleinkindbereich. Statt 16,4 Millionen Euro, die für den vollständigen „Kirchheimer Bedarf“ vorgesehen sind, würde die „Spar-“ oder „Minimalvariante“ eben „nur“ noch Investitionen von 12,6 Millionen Euro erfordern.

Die dritte Variante, die auch noch zur Diskussion steht, ist für Befürworter eines neuen Hallenbads natürlich gar keine Variante, denn sie heißt: „kein Hallenbad“. Trotzdem verschlingt sie immer noch stattliche 3,4 Millionen Euro. Diese Kosten setzen sich zusammen aus Sanierungsarbeiten, die am Freibad ohnehin anstehen und die deshalb auch in den beiden anderen „Hallenbad“-Varianten enthalten sind. Zusätzlich aber kämen bei der dritten Variante Kosten von 1,2 Millionen Euro hinzu, um Kiosk, WC und Umkleiden im Freibad auf  Vordermann zu bringen. Letzteres wäre bei einem Hallenbad-Bau nicht nötig, weil sich diese Einrichtungen dann für Hallenbad und Freibad gleichermaßen nutzen ließen.

Die Investitionen sind aber nur die eine Seite der Medaille, und sogar die erfreulichere, weil sie nur einmal anfallen – von Folgeinvestitionen abgesehen. Was die Entscheidung des Gemeinderats von Grund auf beeinflussen dürfte, sind die jährlichen Zusatzkosten, die sich aus den Bau- und Betriebskosten zusammensetzen. Beim „Kirchheimer Bedarf würden sich die Kosten – nach bisherigen groben Schätzungen – auf zwei Millionen Euro im Jahr belaufen. Darin enthalten seien zwar auch Abschreibungen, Zins und Tilgung, gibt Angelika Matt-Heidecker zu. „Aber“, stellt sie fest, „das sind eben die realen Kosten, und das muss deutlich gesagt sein.“ Bei der „Sparvariante“ kämen nach derzeitiger Zahlenlage 1,7 Millionen Euro auf den jährlichen Haushalt zu. Wenn die Stadt lediglich ein Freibad betreibt, zahlt sie dafür jedes Jahr 790 000 Euro drauf.

Wenn es zum Schwur kommt, gibt die Oberbürgermeisterin zunächst einmal ein klares Bekenntnis ab: „Ja, ich bin für ein Hallenbad.“ Sie schränkt das aber sofort ein und fügt hinzu: „Dann müssen wir allerdings Wege finden, wie wir an anderer Stelle einsparen können.“ Immerhin steht in der Sitzungsvorlage ein kurzer, aber folgenreicher Satz: „Die jährliche Abdeckung der Fehlbeträge wird den Ergebnishaushalt der Stadt nachhaltig belasten.“

Die Möglichkeit, den Fehlbetrag über die Eintrittsgelder „reinzuholen“, schließt Angelika Matt-Heidecker von vornherein aus: „Wenn das funktionieren sollte, müssten wir durchschnittlich mindestens 8 Euro pro Badegast verlangen. Dann kommt aber keiner mehr.“ Gerechnet wird mit einem durchschnittlichen Eintrittspreis von 2,50 Euro – unter anderem bedingt durch verschiedenste Nachlässe und Ermäßigungen.

Einen Nachlass kriegt jetzt noch der Gemeinderat – aber nur einen zeitlichen: Bis März kann er sich im Zuge der Haushaltskonsolidierung Zeit lassen, um schließlich zu einer Entscheidung zu gelangen, ob und wie sich die Stadt ein neues Hallenbad leisten will und kann. Sollte es zu einem „Ja“ fürs Hallenbad kommen, wäre mit dem Baubeginn zwei Jahre später zu rechnen, also im Frühjahr 2017, und mit der Fertigstellung weitere zwei Jahre später. Im Frühjahr 2019, also rund acht Jahre nach Schließung des alten Hallenbads, könnte sich in Kirchheim somit wieder überdacht schwimmen lassen.

Das Gleichnis von der FamilieKommentar

Die Debatte um ein neues Kirchheimer Hallenbad lässt sich vergleichen mit der Dis­kussion in einer Familie, ob ein neues Auto angeschafft werden soll oder nicht. Das Vorgängermodell, das es ersetzen soll, hat schon lange keinen TÜV mehr und wird auch keinen einzigen Meter mehr fahren. Jetzt geht es also für die meisten Familienmitglieder allenfalls um die Frage, ob der neue Wagen ein Spritfresser sein soll, der natürlich – von den Kosten abgesehen – nur Vorteile mit sich bringt, oder ob nicht auch ein kleineres Fahrzeug genügt, das nur wenig Sprit verbraucht, das aber abgesehen von diesem Vorteil mit der einen oder anderen Einschränkung verbunden ist.

Welch einen Aufschrei aber gibt es in der Familie, wenn jemand, der aufs Budget blickt, feststellt, dass es am besten wäre, man würde weder das eine noch das andere Auto kaufen, sondern lieber Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen! Das wäre die Aussage der finanziellen Vernunft. Die Gegenargumente kommen natürlich sofort: Mit einem Auto kann man aber sperrigere Dinge transportieren. Man kommt schneller und bequemer von A nach B, man hat es auf dem Weg trocken und warm. Und überhaupt: Eine Familie wie wir sollte doch unbedingt ein repräsentatives Auto haben! Es muss ja nicht das teuerste sein.

Der Finanzplaner der Familie müsste dann aber sagen: „Das Problem ist gar nicht so sehr die Anschaffung des neuen Autos, das kriegen wir schon irgendwie hin. Das Problem sind die Spritkosten, und selbst für die Spritkosten des Kleinwagens mit niedrigem Verbrauch reicht unser Geld nur, wenn wir dafür in Zukunft auf den Kühlschrank verzichten, oder auf die Waschmaschine, oder auf das warme Wasser, oder auf den Fernseher, oder auf den Strom zwischen 20 Uhr abends und 7 Uhr morgens, oder, oder, oder.“

Und genau vor diesem Problem und vor dieser Frage steht der Kirchheimer Gemeinderat beim Hallenbad noch ein Quartal lang: Auf welche Gewohnheit oder auch auf welche sinnvolle Ausgabe können die Kirchheimer künftig verzichten, wenn sie sich stattdessen ein neues Hallenbad leisten wollen?ANDREAS VOLZ