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„Sprache ist besser als eine Burka“

Die Pionierin der feministischen Sprachkritik, Luise Pusch, referierte im Rahmen der Frauenkulturtage im Spitalkeller

Kirchheim, VHS, Spital,  Vortrag "Die Frau ist nicht der Rede Wert?!" von Prof. Dr. Luise F. Pusch
Kirchheim, VHS, Spital, Vortrag "Die Frau ist nicht der Rede Wert?!" von Prof. Dr. Luise F. Pusch

Kirchheim. „Das Deutsche ist im Verstecken der Frauen besser als eine Burka. - Da sind wenigstens noch die Umrisse zu sehen.“ Ein Beispiel schickte Luise Pusch prompt hinterher: „Aus 99 Sängerinnen und einem Sänger werden im Deutschen 100 Sänger. Die Frauen sind nicht mehr zu sehen.“ Die habilitierte Sprachwissenschaftlerin bediente sich in ihrem Vortrag „Die Frau ist nicht der Rede wert?! - Sprache und Gerechtigkeit“ bisweilen drastischer Vergleiche, um aufzudecken, wie insbesondere die deutsche Sprache mit den Frauen umgeht. Mit 35 Jahren hatte sich die heute 67-jährige Professorin auf feministische Sprachkritik spezialisiert. Im voll besetzten Kirchheimer Spitalkeller referierte sie im Rahmen der Frauenkulturtage auf Einladung von Frauenliste, Volkshochschule, des Vereins Frauen unternehmen, der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen sowie der SPD-Landtagsabgeordneten Sabine Fohler.

Die Wissenschaftlerin nutzte das Forum in Kirchheim unter anderem dazu, erstmals ihr neuestes Buch „Deutsch auf Vorderfrau“ vorzustellen. Auf 140 Seiten versammelt sie darin sprachkritische Glossen. Eine Frau will nicht länger „der Vormund“ sein, eine andere findet, „der Azubi“ passe nicht zu ihr, „die Azubine“ erst recht nicht.

Ergebnis Luise Puschs frauenspezifischer Forschung sind auch ihre seit 1987 erscheinenden Kalender „berühmte Frauen“. Woche für Woche und Tag für Tag stellt sie darin bedeutende Frauen vor, die jeweils ein Jubiläum feiern. „Insgesamt habe ich 32 000 Datensätze zu bedeutenden Frauen gesammelt“, so die Wissenschaftlerin. Damit wolle sie auch Männern etwas entgegensetzen, die lediglich Frauen wie Queen Elizabeth und Marilyn Monroe für berühmt halten. „Es macht Spaß, Frauen präsent zu machen. In der Sprache und in allen anderen Bereichen“, erklärte Luise Pusch einen ihrer Gründe, sich intensiv mit Biografien von Frauen zu beschäftigen.

Unter der Überschrift „Die rote Falke und die Bundesadlerin“ verwies die Linguistin darauf, dass Falkinnen die schnellsten Vögel seien und bei den Greifvögeln die Weibchen die Männchen im allgemeinen an Größe überträfen. „Adlerinnen symbolisieren seit jeher männliche Herrschaft“, so die Ironie. „Die Bundeskanz- und die Adlerin passen gut zusammen“, schlussfolgerte Luise Pusch. Im Umkehrschluss könne man bei der Bezeichnung der Männchen künftig wählen zwischen „Falkerich und Drittel“.

Auch im theoretischen Teil ging es alles andere als bierernst zu. In einer patriarchalisch geprägten Grammatik werde zwar behauptet, die Bezeichnungen Dichter, Schweizer oder Schauspieler seien geschlechtsneut­ral. Doch entlarvte die Pionierin der feministischen Sprachkritik die Deutung auf ihre Art: „Stellen Sie sich mal einen geschlechtsneutralen Schweizer vor.“ Frauen würden durch eine derartige Sprache vielmehr ausge­blendet. „Der Mann ist die Norm, die Frau die Abweichung davon.“ Bekömmlich sei das für beide nicht. Ob „Strichmännchen“ oder „Marsmännchen“ - der typische Mensch sei stets ein Mann. Das zeige sich selbst dann, wenn die Hündin ein „Männchen macht“.

Als „unerträglich“ geißelte Luise Pusch das Wort „Ehrenmord“. „Dieses Verbrechen hat mit Ehre nichts zu tun.“ Schwester- oder Tochtermord seien im Übrigen noch nicht besetzt. „Dagegen gelten Bruder- und Vatermord als Inbegriff einer ruchlosen Tat“, gab die Professorin zu bedenken.

Was Luise Pusch ebenfalls auf die Palme bringt, ist die Tatsache, dass Frauen weltweit zwei Drittel der Arbeit leisten, jedoch nur ein Zehntel des Lohns bekommen und gerademal ein Hundertstel des Weltvermögens besitzen. „Das ist die Ausgangslage einer Revolution“, stellte sie trocken fest. „Warum lassen wir uns das bieten?“ Die Linguistin rief dazu auf, die Sprache zu ändern - dadurch ändere sich auch die Vorstellung, was sich wiederum auf Handlungen auswirke. Eine feministische Grundregel laute demnach: „Eine Frau wird nicht mit einem Maskulinum bezeichnet.“ Stilblüten wie „Beatrix ist meine ruhende Polin“ sorgten bei Referentin und Zuhörerinnen indes gleichermaßen für Erheiterung.

Den Antrag der Linken im hessischen Landtag, den Weltfrauentag am 8. März zum Feiertag zu erheben, unterstützt Luise Pusch. Denn auch der 17. Juni habe sicher dazu beigetragen, die Teilung Deutschlands zu überwinden, so die Linguistin.