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Ein Gastarbeitersohn wird Rechtsanwalt: Ömer Savas hat es geschafft (7)

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Kirchheim. Wenn Ömer Savas den Mund aufmacht, wissen seine Gesprächspartner sofort, woher er kommt. Um an dieser Stelle keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Der junge Mann spricht schönstes Schriftdeutsch. Nur schwäbelt er ein wenig. Das kommt nicht überall gut an. „Als ich neulich in Berlin war, wurde ich ganz schön schief angeguckt“, sagt Ömer Savas und lacht. Stören tut es ihn nicht. Soll doch jeder hören, was für ein Landsmann er ist.

Ömer Savas sitzt in einem Büro der Rechtsanwaltskanzlei Nau & Kollegen. In dem Regal hinter ihm stapeln sich juristische Wälzer, in dem kleinen Wintergarten sirrt ein Ventilator. Seit fünf Wochen arbeitet Ömer Savas hier als Rechtsanwalt. Den Job hat er schon viel länger in der Tasche. „Als ich während meinem Referendariat hier gearbeitet habe, haben sie mir die Stelle angeboten“, sagt er. In seinem Jahrgang war das keine Selbstverständlichkeit. „Viele meiner Kommilitonen sind jetzt noch auf der Suche nach einem Job.“

Ömer Savas wird 1982 in Kirchheim geboren. Die Eltern stammen aus Anatolien. Wie so viele seiner Landsleute ist der Vater in den 70er-Jahren nach Deutschland ausgewandert, um in der Fremde sein Glück zu versuchen. Ömer Savas verbringt seine Kindheit in Schlierbach und Holzmaden. Auf der Straße spielt er hauptsächlich mit deutschen Kindern. „In Holzmaden gab‘s gar nicht so viele türkische Kinder“, erinnert er sich. Er geht bei den Nachbarn ein und aus, lernt, wo sich die Kulturen unterscheiden. „Den Sonntagskuchen bei Nachbars Oma, den fand‘ ich damals schon toll“, erzählt er. „So etwas gab‘s bei uns nicht.“ Ömer Savas ist schon als Kind auf Deutschland fixiert – und er will dazugehören. Wenn er in den Sommerferien mit seinen Eltern in die Türkei fliegen muss, um dort sechs Wochen bei den Verwandten zu verbringen, ärgert er sich, dass er zu Hause das ganze Kinderferienprogramm verpasst. „Im Rückblick kann ich meine Eltern schon verstehen“, sagt er. „Aber als Kind war das für mich ganz schlimm.“

Seine Schulzeit hat Ömer Savas in guter Erinnerung, besonders die Zeit auf der Realschule in Weilheim. Dort ist er durchgängig Klassensprecher und zwei Jahre Schulsprecher. Sein bestes Fach ist Deutsch, aber auch Geschichte und Politik machen ihm Spaß. Nach der mittleren Reife be­ginnt Ömer Savas eine Ausbildung zum Sozialversicherungsfachangestellten. Allerdings merkt er schnell, dass ihn die Arbeit nicht erfüllt. „Ich wollte einen Beruf, in dem man selbstständiger arbeitet“, sagt er. Um bessere Wahlmöglichkeiten zu haben, holt er auf dem zweiten Bildungsweg sein Abitur nach. Nach zwei Jahren auf der Wirtschaftsoberschule in Stuttgart hat er die allgemeine Hochschulreife in der Tasche.

Lehramt oder Jura? Das ist nun die Frage. „Ich hätte mir vorstellen können, Deutsch, Geschichte und Politik auf Lehramt zu studieren“, sagt Ömer Savas. Was aber ist, wenn ihm der Lehrerberuf nach zehn Jahren keinen Spaß mehr macht? Er entscheidet sich für Jura, „weil das offener ist.“ Das Studium in Tübingen gefällt ihm, auch wenn die Welt der Jurastudenten eigentlich nicht seine Welt ist. „Viele definieren sich nur über Geld oder Klamotten“, sagt er.

2008 macht Ömer Savas sein ers­tes Staatsexamen, danach beginnt sein Referendariat am Landgericht Stuttgart. Anschließend schnuppert er drei Monate lang beim Bundestagsabgeordneten Michael Hennrich (CDU) Berliner Luft. „Am Ende des Referendariats darf man sich einen Bereich aussuchen, der eigentlich nichts mit rechtsanwaltlicher Tätigkeit zu tun hat“, erklärt Ömer Savas. Diese letzte Station hat ihm allerdings am besten gefallen, „wegen meinem Interesse an Politik war das ideal“.

Dass er einen Job in Kirchheim bekommen hat, ist für Ömer Savas wie der berühmte Sechser im Lotto. „Kirchheim ist für mich die ideale Stadt“, sagt er. Was ihn hier hält, sind auch seine vielen Ehrenämter, die er auf jeden Fall weiterführen möchte. „Mein Vater hat mir vorgelebt, dass es wichtig ist, anderen zu helfen und auch kulturelle Veranstaltungen zu organisieren“, sagt der Sohn über seinen Vater, der unter anderem Gründer des Vereins „Türkisches Volkshaus“ ist. Ömer Savas ist Mitglied des Kirchheimer Integrationsausschus­ses und organisiert im Club Bastion Jugendveranstaltungen, wie zum Beispiel den „Sturm auf die Bastion“ und den „Poetry Slam“. „Das macht einfach Laune und war schon während dem Studium eine super Abwechslung“, sagt Ömer Savas. In Tübingen war er zudem drei Jahre lang bei der Unicef-Hochschulgruppe aktiv.

Aus Deutschland wegzugehen, kann sich der junge Anwalt nicht vorstellen. „Meine Heimat ist Deutschland“, sagt Ömer Savas, der seit einigen Jahren den deutschen Pass hat. Die deutsche Kultur sei ihm vertraut, deutsch spreche er viel besser als türkisch. Ömer Savas bedauert es, dass viele Menschen, die in der dritten oder vierten Generation in Deutschland leben, immer noch nicht integriert sind. Bildung ist für ihn ein Schlüssel zur Integration. „Ich glaube, dass die Eltern Interesse an der Bildung ihrer Kinder haben müssen“, sagt er. Seine Eltern hätten ihn immer unterstützt, obwohl sie keine höhere Ausbildung genossen haben. Wie aber hilft man denen, die den Stellenwert der Bildung für die Zukunft ihrer Kinder nicht erkennen? Vielleicht, indem man ihnen zeigt, dass es ein Gastarbeitersohn aus der Türkei sehr wohl zum Anwalt bringen kann.