Lokales

Bernauers backen keine Brötchen mehr

Bäckerei und Café in Notzingen sind nach rund 50 Jahren endgültig geschlossen – Geschäftsaufgabe aus Altersgründen

Seit Ende Februar sind Bäckerei und Café Bernauer in Notzingen geschlossen. Ehrentraud Bernauer stand rund 50 Jahre im Geschäft.
Seit Ende Februar sind Bäckerei und Café Bernauer in Notzingen geschlossen. Ehrentraud Bernauer stand rund 50 Jahre im Geschäft.Fotos: Jean-Luc Jacques

Notzingen. Im Café Bernauer ist es dunkel. Die Jalousien sind geschlossen, auf den Tischen fehlen Tischdecken und Zuckerstreuer. An einem Zweig, der an der Decke befestigt ist,

hängt noch die Weihnachtsdekoration. Frühlingsdeko aufzuhängen lohnt sich hier nicht mehr: Bäckerei und Café Bernauer sind seit Ende Februar geschlossen.

Schon jetzt fehlt die Bäckerei mit ihrem Holzofenbrot und den selbst gebackenen Kuchen vielen Notzingern – und vor allem auch den Wellingern, die es jetzt noch weiter haben bis zum nächsten Bäcker. Der Notzinger Stammtisch, der sich bis zuletzt im Café getroffen hat, muss sich ebenso wie diverse andere Vereine einen neuen Treffpunkt suchen.

Über fehlende Kundschaft konnten sich die 86 Jahre alte Ehrentraud Bernauer und ihr Sohn Markus also nicht beklagen. Es war die Gesundheit der Seniorchefin, die zuletzt nicht mehr mitgespielt hat. Daran hat sie immer noch zu knabbern. „Ich hätte gern weitergeschafft“, sagt Ehrentraud Bernauer, die das Geschäft Mitte der Sechzigerjahre mit ihrem Mann aufgebaut hat.

Ihren Ehemann, einen Bäcker, hat Ehrentraud Bernauer, die 1929 im Sudetenland geboren wurde, auf dem 100-jährigen Feuerwehrfest in Kirchheim kennengelernt. Über den entsetzten Ausruf ihrer Mutter, als sie ihr den Freund vorstellte, muss sie noch heute lachen: „Was, einen Bäcker? Ich hab‘ dir doch gesagt, dass du dir einen Beamten suchen sollst. Dann bekommst du eine schöne Pension“. Ihren Segen gab die Mutter trotzdem, und so bauten sich die Bernauers ihre Existenz auf – zunächst mit einer gepachteten Bäckerei in Jesingen, später im eigenen Geschäft in Notzingen.

„Als wir in Notzingen gebaut haben, war hier alles grün“, erinnert sich Ehrentraud Bernauer. Selbst das Rathaus war noch unten im Ort. Der Steuerberater der Familie riet dringend von dem Standort auf der grünen Wiese ab, er sorgte sich um fehlende Kundschaft. „Es ist aber von Anfang an gut gelaufen, auch schon bevor das Baugebiet und das Rathaus kamen“. Ihr Mann stand in der Backstube, sie selbst im Geschäft, das nicht nur Bäckerei, sondern auch Tante-Emma-Laden war.

Ihr erstgeborenes Kind hat Ehrentraud Bernauer zu ihrer großen Trauer überlebt: 1976 verstarb Sohn Volker mit nur 17 Jahren an Lymphdrüsenkrebs. 1988 erlag ihr Mann einem Herzleiden – für die Familie ein schwerer Schlag, sowohl privat als auch beruflich. Sohn Markus Bernauer, der aufgrund des schlechten Gesundheitszustands des Vaters zu diesem Zeitpunkt schon seit einiger Zeit die Lücke in der Backstube füllte, erinnert sich: „Wir haben damals gesagt, dass wir noch zehn Jahre weitermachen, bis meine Mutter das Rentenalter erreicht hat“. Aber irgendwie seien 30 Jahre daraus geworden, sagt Markus Bernauer und muss selbst darüber lachen.

In diesen 30 Jahren ist Ehrentraud Bernauer mehr als einmal gestrauchelt, aber sie hat sich immer wieder gefangen und ist an die Ladentheke zurückgekehrt. Im Jahr 2000 erlitt sie einen Herzinfarkt und musste drei Bypässe gelegt bekommen. Anschließend konnte Sohn Markus ihr immerhin ein paar Zugeständnisse abringen. „Anschließend haben wir das Café abends nicht mehr geöffnet, sodass sie nicht mehr bis um Mitternacht dort stehen musste“. Bernauers verpachteten kurzzeitig an einen Filialisten, aber die Backwaren wurden von den Notzingern nicht gut angenommen. Anschließend stellte sich Markus Bernauer wieder selbst in die Backstube, die im Jahr 2000 mit einem gestellten Holzbackofen ausgestattet wurde.

Seit Ende Februar ist der Ofen jedoch endgültig kalt. „Meine Mutter hat sich nach ihrem Schlaganfall vor zwei Jahren zwar gut erholt, aber es geht jetzt einfach nicht mehr“, sagt Markus Bernauer, der seine Mutter versorgt, wenn sie nicht gerade in der Tagespflege ist. „Ich gehe gern dorthin, dort wird man gut unterhalten“, sagt Ehrentraud Bernauer. Als sie unten im leeren Café steht, ist sie dennoch wehmütig. „Es war eine schöne Zeit, vor allem auch mit meinen Mitarbeiterinnen. Dass das jetzt vorbei ist, ist sehr traurig“.

Café Bernauer in Notzingen hat zugemacht. Gespräch mit der 86-jährigen Edeltraut Bernauer
Café Bernauer in Notzingen hat zugemacht. Gespräch mit der 86-jährigen Edeltraut Bernauer