Lokales

Das Schweigen der Rotoren

Bisher gibt es rund um die Teck keine Windräder – Laut Windatlas ist Potenzial vorhanden

Nach Fukushima wird der Ausbau der erneuerbaren Energien so stark vorangetrieben wie nie zuvor. Die neue grün-rote Landesregierung will dabei vor allem auf Windenergie setzen. Doch bis sich rund um die Teck die Windräder drehen, könnte es noch eine Weile dauern.

Windkraft , Windrad , Strom , Energie , Wind
Windkraft , Windrad , Strom , Energie , Wind

Kreis Esslingen. Auf dem Teckberg und am Breitenstein weht eine frische Brise. Mit sieben Metern pro Sekunde oder Stärke vier bläst der Wind über den Albtrauf hinweg. Verglichen mit den Windstärken an der Nordsee ist das nicht viel. Aber Ulrich Mach, Klimaschutzmanager und NABU-Mitglied in Kirchheim, ist dennoch überzeugt, dass der Windenergie rund um die Teck die Zukunft gehört. „Rein technisch gesehen reicht der Wind in Lenningen und Bissingen für 165 Windanlagen aus“, sagt Ulrich Mach und beruft sich dabei auf den kürzlich erschienenen Windatlas und eine Studie des Regionalverbands aus dem Jahr 2000.

Mit 1,5 Megawattmaschinen, die mit einer Nabenhöhe von 100 Metern in den Himmel ragen, könnten pro Jahr 730 Gigawattstunden Strom (730 Millionen Kilowattstunden) generiert werden, rechnet Ulrich Mach vor. Zum Vergleich: Die privaten Haushalte rund um die Teck verbrauchen etwa 90 Gigawattstunden pro Jahr. Dem Klimaschutzmanager ist klar, dass 165 Anlagen praktisch kaum umsetzbar wären. „Wenn man stärkere Maschinen nimmt, reduziert sich das Ganze natürlich“.

Auch bei der Firma Windreich in Wolfschlugen ist man vom Potenzial des Albtraufs überzeugt. „Mit Windkraftanlagen, die speziell für solche Gebiete konzipiert sind, also relativ große Rotoren im Vergleich zur Nennleistung der Maschine haben, könnte wirtschaftlich sinnvoll Windenergie gewonnen werden“, sagt Sprecher Tobias Aichele.

Warum sich trotz dieses Potenzials rund um die Teck kein einziges Wind-rat dreht, ist schnell erklärt. Windkraftanlagen dürfen in Baden-Württemberg nur in sogenannten Vorranggebieten errichtet werden. Außerhalb dieser Gebiete ist die Nutzung der Windenergie verboten – so auch im gesamten Landkreis Esslingen.

Wo Vorranggebiete liegen, das hat die Regionalversammlung der Region Stuttgart, in der viele Bürgermeister, Oberbürgermeister und andere Vertreter der Kommunen sitzen, im Jahr 2004 beschlossen. „So etwas folgt zunächst einmal technischen Einschätzungen“, erklärt Thomas Kiwitt, der beim Regionalverband Stuttgart zuständig für Regionalplanung ist. Dann gebe es Dinge, die zwingend zu berücksichtigen seien, also Lärmschutz und Naturschutz. Bevor ein Vorranggebiet festgelegt werde, würde außerdem die betroffene Gemeinde beteiligt sowie die Bürger angehört.

Während Wirtschaft und Verbände Vorranggebiete prinzipiell für sinnvoll halten, um den Ausbau der Windenergie geordnet voranzutreiben und Wildwuchs zu verhindern, stößt die Umsetzung auf Kritik. „Da, wo es Vorranggebiete gibt, gibt es nicht genügend Wind“, sagt Dr. Walter Witzel, Landesvorsitzender des Bundesverbands Windenergie. Seiner Meinung nach steckt System dahinter. Ministerpräsident Erwin Teufel habe die Vorranggebiete einst eingeführt, um den Ausbau der Windkraft zu blockieren. „Das Land hat zwar den Regionen den Auftrag erteilt, Vorranggebiete auszuweisen“, sagt Walter Witzel, „aber die haben in der Regel so ausgewiesen, wie es erwünscht war.“

Auch Tobias Aichele von der Windkraft AG kritisiert die Ausweisung von Vorranggebieten. „Die Ausschlusswirkung außerhalb von Vorranggebieten ist kontraproduktiv“, findet er. Gemeinden sollten mehr Entscheidungsspielraum bekommen. Dieser Meinung ist auch Walter Witzel. „Dort, wo Windkraftanlagen erwünscht sind, sollten die Gemeinden außerhalb der Vorranggebiete Bauleitpläne aufstellen dürfen“, sagt er.

Doch sind Windräder überhaupt irgendwo erwünscht? Als die Region vor ungefähr zehn Jahren neue Vorranggebiete ausweisen wollte, unter anderem auf der Schopflocher Alb im Gebiet „Hochbuch“, stießen diese Pläne auf massiven Widerstand. Der Gemeinderat sprach sich gegen diesen Plan aus, eine Bürgerinitiative sammelte Unterschriften und schrieb Protestbriefe. Der Ornithologe Dr. Wulf Gatter brachte eine weitere Dimension in die Debatte. Er wies darauf hin, dass das Gebiet „Hochbuch“ von vielen Vogelarten passiert würde, die von den Rotoren regelrecht geschreddert würden. Das Ergebnis des Widerstands: Die Region ließ den Standort fallen, die Schopflocher Alb blieb verschont.

Walter Witzel glaubt, dass sich die Zeiten geändert haben. „Viele Leute beginnen einzusehen, dass man erneuerbare Energien nicht ohne Einschränkungen bekommen kann.“ Er plädiert jedoch dafür, Windkraftanlagen zunächst dort zu bauen, wo die Kommunen es wollen. Außerdem müsse man fragen, an welchen Stellen Windräder umwelt- und landschaftsverträglich seien. „Natürlich kann man argumentieren, dass der Albtrauf eine sensible Zone ist, die man freihalten will“, sagt er. Aber wenn man bestimmte Gegenden freihalten wolle, müsse man alternative Standorte nennen.

Auch Thomas Kiwitt vom Regionalverband Stuttgart plädiert dafür, abzuwägen. Man müsse sich schon fragen, ob man den Albtrauf mit Windrädern vollstellen wolle, oder ob es nicht vielleicht einen anderen Standort gebe, an dem das Landschaftsbild weniger beeinträchtigt werde. „Windräder an der Autobahn finden meistens eine hohe Akzeptanz“, weiß der Regionalplaner. „Auf der Teck oder dem Neuffen würde man vermutlich eher davon absehen.“ Bei der Windreich AG sieht man ein weiteres Hindernis in der dichten Besiedelung im Landkreis. „Damit Windkraftanlagen genehmigt werden, müssen bestimmte Abstände zu Gebäuden eingehalten werden, um Lärmgrenzen nicht zu überschreiten“, sagt Tobais Aichele. „Dazu sind Abstände von circa 900 bis 1 000 Metern erforderlich. Das ist in dieser Region oft schwierig.“

In den schon heute ausgeschriebenen Vorranggebieten ist das nicht das Problem. Thomas Kiwitt verweist darauf, dass dort noch Flächen frei sind. Dennoch weiß er, dass sich die Region nicht darauf ausruhen kann. „Aufgrund der Ergebnisse des Windatlases und der geänderten Stimmung in der Bevölkerung muss geklärt werden, ob wir mehr Vorranggebiete ausweisen wollen.“ Anfang Mai wird sich der Planungsausschuss der Regionalversammlung damit beschäftigen.

In Lenningen verfolgt man diesen Prozess gespannt. Die Gemeinde am Albtrauf ist eine der Kommunen im Landkreis Esslingen, in der es laut Windatlas genügend Wind gäbe, um Strom daraus zu gewinnen. Bürgermeister Michael Schlecht hält es jedoch für verfrüht, über Vor- und Nachteile zu sprechen. „Dass auf der Schwäbischen Alb der Wind weht, ist nichts Neues“, sagt er. Bevor man in die Diskussion mit Gemeinderat, Ortschaftsrat und Bürgerschaft eintrete, müssten verlässliche Informationen her. Eine Forderung stellt Michael Schlecht aber: „Wir wollen an dem Prozess beteiligt werden.“