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Das Video beweist: „Sie haben ganz gut mitgemischt“

Schlägerei beim Saurier-Cup – 48-jähriger Angeklagter erhält zwei Monate auf Bewährung

Aus „generalpräventiven Gründen“ ist der Angeklagte im Fall der Massenschlägerei beim Holzmadener Saurier-Cup gestern zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Außerdem muss er 1 000 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.

Andreas Volz

Kirchheim. Was Richterin Franziska Hermle-Buchele mit den „generalpräventiven Gründen“ meinte, erläuterte sie in ihrer Urteilsbegründung: „Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe soll ein Signal sein.“ Bei einem Jugendfußballturnier sollte es eigentlich um die Freude der Kinder am Sport gehen. Die Kinder sollten dabei Fairness lernen sowie einen ordentlichen und freundschaftlichen Umgang miteinander, sagte die Richterin. In diesem Fall aber sei am 30. Juni 2013 ein Fußballturnier abgebrochen worden – weil sich Szenen abgespielt hätten, „die nicht schön waren“. Es sei sehr bedenklich, den Kindern ein schönes Erlebnis zu nehmen und sie mit den unschönen Bildern einer Schlägerei zu konfrontieren, „nur weil man sich nicht zurückhalten kann“.

Der Anlass für die Diskussion, die schließlich in die Massenschlägerei überging, sei nichtig gewesen – so nichtig, dass es gar keine Rolle spiele, ob der 15-jährige Schiedsrichter vor einem Jahr nun ein Foul gepfiffen oder einen Einwurf gegeben habe. Gleich unwichtig sei die Frage, ob diese Entscheidung richtig oder falsch war. Falsch war definitiv das Verhalten des Angeklagten: „Wir haben mehrere unbeteiligte Zeugen gehört, die Sie als ausgesprochen aggressiv erlebt haben.“

Zwei Zeugen seien sich sogar sicher gewesen, dass der 48-jährige Angeklagte auf andere eingeschlagen habe. Für die Richterin gab es auch keinerlei Zweifel daran, dass der erste Schlag vom Angeklagten ausging: „Dass Sie zu irgendeinem Zeitpunkt auch selbst eingesteckt haben, steht außer Frage. Aber nicht zu Beginn, denn der Beginn war anders.“

Damit trat Franziska Hermle-Buchele allen Versuchen des Angeklagten entgegen, sich selbst wegen seiner erheblichen Verletzungen als das eigentliche Opfer der Schlägerei darzustellen. Das gehe auch aus einem kurzen Video hervor, das von der Schlägerei entstanden ist: „Das alles ging über viele Minuten, und das Video zeigt lediglich den Rest des Geschehens. Aber dabei ist deutlich zu sehen, dass Sie eben nicht benommen am Spielfeldrand lagen, sondern ganz gut mitgemischt haben.“

Im Gerichtssaal in Kirchheim wird das Video gezeigt. Die Zuschauer können lediglich den Ton hören. Die ganze Zeit über ist der Ton ein Stimmengewirr, dem eigentlich nichts zu entnehmen ist. Dann plötzlich der Kommentar eines Zuschauers: „So ein Pack!“ Diese Aussage wird vor Gericht natürlich nicht gewertet. Sie dürfte aber durchaus dafür stehen, wie die Öffentlichkeit über solche Schlägereien aus nichtigem Anlass denkt – völlig unabhängig davon, wer im Einzelfall damit begonnen haben mag, Hiebe auszuteilen.

Im vorliegenden Fall zeigte sich jedenfalls, dass jemand, der austeilt, mitunter auch heftig einstecken muss. Die Richterin wertete denn auch die Verletzungen, die der Angeklagte sich bei der Schlägerei zugezogen hatte, als strafmildernd. Wie diese Verletzungen entstanden sind, lasse sich nicht mehr sagen. Auch die beiden Brüder, die der Angeklagte zuerst verletzt hatte, hätten dazu keine klärenden Angaben gemacht. Dass diese Brüder aber tatsächlich schlichtend eingreifen wollten, ergibt sich für Franziska Hermle-Buchele aus den Zeugenaussagen. Die Aussagen von zwei Freunden der Brüder seien durchaus mit Vorsicht zu genießen. Gerade deshalb sah es die Richterin auch nicht als eindeutig erwiesen an, dass der Angeklagte tatsächlich auf den älteren Bruder mit einer Flasche eingeschlagen hat.

Weil dies nicht zweifelsfrei geklärt sei, verurteilte sie den 48-Jährigen auch nicht wegen gefährlicher Körperverletzung. Die zwei Monate auf Bewährung erhielt er „nur“ wegen vorsätzlicher Körperverletzung. Die Strafe wird für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Als Geldauflage kommen noch 1 000 Euro hinzu, die der Angeklagte in Raten an „Agapedia“ zu überweisen hat. „Das passt ganz gut“, stellte die Richterin fest. „Die Stiftung von Jürgen Klinsmann kümmert sich um Kinder, und außerdem steht Klinsmann als Fußballspieler für den Fair-Play-Gedanken.“

Gerade die Kinder, die da in Holzmaden den Saurier-Cup gewinnen wollten, spielten beim Antrag der Staatsanwältin eine wichtig Rolle: Der Angeklagte habe wegen einer Lappalie Streit gesucht – „bei einem Kinderturnier“. Und dabei sei er selbst eigentlich nur eine Randfigur gewesen, weil nicht einmal sein eigener Sohn mitgespielt habe. Lediglich der Neffe des Angeklagten sei auf dem Platz gestanden. Sie forderte deshalb „als deutliches Zeichen“ aus generalpräventiven Gründen eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und eine Geldauflage von 3 000 Euro.

Der Verteidiger dagegen hatte auf Freispruch plädiert, weil sich objektiv nicht sonderlich viel beweisen lasse. Was gegen seinen Mandanten spreche, seien allenfalls subjektive Einschätzungen von Zeugen. Im Zweifelsfall sei für den Angeklagten zu entscheiden, der außerdem mit seinen eigenen Verletzungen schon genug gestraft worden sei.

Der Angeklagte selbst – der einen mehrfach zitierten Ausspruch, ob man denn zu einem „christlichen Italiener“ halten könne, weit von sich wies – hatte in seinem letzten Wort an die Gerechtigkeit der Richterin appelliert, weil er sich nach wie vor selbst in der Opferrolle sieht. Inwieweit er das Urteil gestern als gerecht empfand, ließ sich während der Urteilsbegründung nicht erkennen.