Lokales

Die Sache mit dem Auerhahn

Umweltminister Untersteller diskutiert mit Bürgern und Bürgermeistern über Windkraft

Umweltminister Franz Untersteller hat in der Kirchheimer Stadthalle über die Pläne der Landesregierung, die Windkraft in Baden-Württemberg auszubauen, gesprochen. Konkrete Standorte nannte er nicht.

Schwäbische Alb, Strom, Sonne, Energie, Windräder, Windkraft, alternative Energie, ÜberlandleitungStrommasten
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Franz Untersteller - UmweltministerWindenergie vor Ort
Franz Untersteller - UmweltministerWindenergie vor Ort

Kirchheim. Die Landesregierung will die Städte und Gemeinden beim Ausbau der Windenergie mit ins Boot holen. Deshalb hatte der Landtagsabgeordnete Andreas Schwarz neben dem Umweltminister den Lenninger Bürgermeister Michael Schlecht sowie den Kirchheimer Bürgermeister Günter Riemer aufs Podium gebeten. Mit von der Partie waren außerdem zwei Vertreter der Windreich AG aus Wolfschlugen.

„Es wäre naiv, zu glauben, man könne den Strom, der bisher aus Atomkraft gewonnen wurde, mit Windenergie ersetzen“, sagte Franz Untersteller. Dennoch könne die Windenergie gemeinsam mit Solarstrom, Biomasse und Wasserkraft, eine relevante Rolle spielen. „Wenn man sich die Windstärken in 130 bis 150 Metern Höhe anschaut, ist Baden-Württemberg in Teilen Windenergieland“, sagte Untersteller.

Zu diesen ertragreichen Gebieten gehöre neben dem Schwarzwald und der Hohenlohe unter anderem auch die Schwäbische Alb. Selbst wenn man die Gebiete abziehe, in denen Belange des Naturschutzes oder der notwendige Abstand zu Wohngebieten der Windkraftnutzung entgegenstehen, blieben noch genügend Standorte, um Windräder zu bauen. Ziel der Landesregierung ist es, zehn Prozent des baden-württembergischen Strombedarfs mit Windenergie zu decken. Bisher ist es laut Untersteller noch nicht einmal ein Prozent.

Ästhetische Argumente lässt der Umweltminister nicht gelten. „Um Rheinland Pfalz machen die Touristen doch auch keinen Bogen“, sagte er. In Rheinland Pfalz seien allein im vergangenen Jahr 76 neue Anlagen gebaut worden, in Baden-Württemberg „gigantische neun Anlagen“. Schuld sind laut Untersteller die konservativen Vorgängerregierungen, die über das Landesplanungsgesetz den Ausbau der Windkraft verhindert hätten. „Bisher sind 99 Prozent der Landesfläche sogenannte Ausschlussgebiete, also für Windkraft gesperrt“, so der Minister. Nur auf einem Prozent der Landesfläche, in den sogenannte Vorranggebieten, darf gebaut werden.

Von dieser Schwarz-Weiß-Lösung will die Landesregierung weg. Im Mai soll ein neues Landesplanungsgesetz in Kraft treten, das Untersteller die „Weiß-Grau-Lösung“ nennt. Es sieht vor, dass die Regionalverbände zwar weiterhin Vorranggebiete für Windkraft ausweisen, es aber abgesehen von Naturschutzgebieten und Kernzonen von Biosphärengebieten keine Ausschlussgebiete mehr geben darf. Vogelschutzgebiete seien nicht grundsätzlich tabu, stellte der Minister klar. Nicht jeder Vogel sei von Windkraftanlagen bedroht. „Der Auerhahn fliegt zum Beispiel nur, wenn er aufgescheucht wird, und das auch höchstens 15 Meter hoch“, sagte Untersteller. Bei einer modernen Windkraftanlage, die um die 150 Meter hoch ist, sei das nun wirklich kein Problem.

Neu ist auch, dass die Gemeinden im Rahmen des Flächennutzungsplans zusätzlich Vorranggebiete ausweisen können. Um den Kommunen mehr Zeit einzuräumen, tritt die Weiß-Grau-Lösung erst 2013 in Kraft. „Ich nehme an, dass auf Lenninger Markung Standorte ausgewiesen werden“, sagte Lenningens Bürgermeister Michael Schlecht in seinem Statement. Für ihn ist der Umgang mit erneuerbaren Energien nichts Neues. Schließlich hat die Gemeinde vor Kurzem ein Energieversorgungsunternehmen gegründet. Dazu kommen drei Bürgersolaranlagen und einige Wasserkraftanlagen auf Len­ninger Markung. „Ich stehe der Windkraft positiv gegenüber und gehöre nicht zu den Menschen, die Anlagen nur im Schwarzwald fordern“, sagte Schlecht. Allerdings ist er überzeugt: „Die Ausweisung von Standorten wird ein ganz schwieriger Prozess, der gemeinsam mit den Menschen gegangen werden muss.“ Nun sei erst einmal der Verband Region Stuttgart am Zug, einige Mitarbeiter seien auch schon vor Ort gewesen, um Standorte zu sichten. „Wir warten als Gemeinde aber noch etwas ab“, sagte Schlecht. Gutachten kosteten schließlich auch Geld.

Wichtig ist Michael Schlecht, dass es eine „gerechte Abwägung der Schutzgüter mit der Privilegierung der Windkraft“ gibt. „Die Albhoch­fläche erfreut sich teilweise gleich mehrfacher Beschützung“, sagte Schlecht in Anspielung auf Naturschutz-, Vogelschutz-, Flora-Fauna-Habitat und andere Gebiete, „und das aus gutem Grund.“ Das müsse bei der Ausweisung von Standorten berücksichtigt werden. Der Bürgermeister ist überzeugt: „Wenn es nach einer transparenten Abwägung zur Ausweisung von Standorten kommt, wird das die Akzeptanz der allermeisten Menschen finden.“

Ein Akzeptanzproblem wird Günter Riemer wohl eher nicht bekommen. „Als Kirchheimer fällt es mir leicht, über Windräder zu sprechen“, sagte der Kirchheimer Bürgermeister. „Bei der Windstärke sind wir höchstens bei den ganz hohen Anlagen am Rande der Wirtschaftlichkeit.“ Riemer kann sich jedoch durchaus vorstellen, dass die Stadt in Zukunft mit einer anderen Kommune ein gemeinsames Windrad betreibt. Allerdings hat die Windkraftnutzung für ihn seine Grenzen. „Energieerzeugung soll vor Ort stattfinden, aber Natur und Umwelt haben ebenfalls ihre Rechte.“

Abgesehen davon hat die Stadt Kirchheim gemeinsam mit 13 weiteren Kommunen eine Potenzialanalyse in Auftrag gegeben, die aufzeigen soll, wo und in welchem Umfang sich erneuerbare Energien nutzen lassen. Außerdem, so Riemer, sei die Stadt intern „in gewissen Überlegungen“, ob Stadtwerke zu gründen sind.