Lokales

Ein Kanal darf zum Fluss werden

Scheck aus Stuttgart unterstützt Kirchheims Bemühen um mehr Lebensqualität durch die Lauter

Schritt für Schritt mausert sich der enge, unwirtliche Lauterkanal zum munter plätschernden Flüsschen. Als nächstes wird ab Herbst das Areal vor der Brücke in der Unteren Max-Eyth-­Straße auf Vordermann ­gebracht. Dafür gab‘s gestern eine Finanzspritze vom Land.

Lauter-Brücke  - Ministerialdirektor Meinel übergibt Matt-Heidecker Fördergeld für "Renaturierung der Lauter" im Bereich Bruckmü
Lauter-Brücke - Ministerialdirektor Meinel übergibt Matt-Heidecker Fördergeld für "Renaturierung der Lauter" im Bereich Bruckmühle

Irene Strifler

Kirchheim. „Sie machen die Flüsse in Kirchheim zu Erlebnisräumen für die Bevölkerung“, lobte Ministerialdirektor Helmfried Heinel die Kirchheimer Stadtverantwortlichen. Er machte sich vor Ort ein Bild vom Kanalabschnitt zwischen Bruckmühle und Post, der nun renaturiert werden soll. Gleichzeitig überbrachte er einen Scheck des Umweltministeriums. Die Landesbehörde übernimmt die Hälfte der fast 370 000 Euro umfassenden Kosten für die wasserrechtlichen Baumaßnahmen. Insgesamt sollen 750 000 Euro investiert werden, um die Lauter im innenstädtischen Bereich erlebbar zu machen.

„Das ist wahrlich eine Generationenaufgabe!“, betonte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker. Der Kanal wird in vielen Einzelschritten endlich wieder Flusscharakter erreichen. Matt-Heidecker formulierte das Ziel der Stadt, Wasser als Lebensquelle wahrnehmbar zu machen. Dies erhöhe die Lebensqualität in der alternden Gesellschaft beachtlich, ebenso den Wohnwert in der Innenstadt und es diene letztlich dem Klimaschutz.

Schon in den 90er-Jahren hat man in Kirchheim erkannt, dass Wasser wichtig ist für die Stadt. So erinnerte die Stadtchefin an das für Kirchheim charakteristische „blaue Ypsilon“, das sich aus dem Zusammenfluss von Lauter und Lindach ergibt. Auch als es seinerzeit nicht gelang, die kleine Gartenschau nach Kirchheim zu holen, hielt man am Konzept der Freilegung der Kanäle fest. In vielen Bereichen ist die Lauter heute schon kaum wiederzuerkennen, sogar planschende Kinder vergnügen sich an manchen Stellen darin.

Das könnte bald auch vor dem Schlachthof und der Bruckmühle der Fall sein. Bereits im Jahr 1998 hatte der Gemeinderat, aus dessen Reihen ebenfalls einige Mitglieder gestern den Landesvertreter begrüßten, die Renaturierung der Lauter in diesem Areal beantragt. Dann stellte der Beschluss zum Erhalt der Bruckmühle die Planungen auf den Kopf. Umso mehr freute sich Matt-Heidecker, nach erneuter Antragsstellung im Juni jetzt schon den Scheck des Landes im Empfang nehmen zu dürfen.

Bürgermeister Günter Riemer ging kurz auf die veränderte Wahrnehmung von Wasser in heutigen Zeiten ein, indem er an die ursprüngliche Funktion des Kanals erinnerte: Selbiger diente als Triebwerkskanal und transportierte nichts anderes als Abwasser. Das ist längst Geschichte. Zur verbesserten Wasserqualität wird ab Frühling 2015 ein charmantes Umfeld kommen. Gemäß den Plänen der Garten- und Landschaftsarchitekten Geitz und Partner aus Stuttgart, wird das Auge des Betrachters von der Brücke aus bald nicht mehr auf Mauern fallen, sondern auf gefällige Böschungen und einen leicht gebogenen Flusslauf, an dem man sich gerne aufhalten wird.

Helmfried Meinel führte aus, dass Probleme mit Trink- oder Hochwasser lange Zeit klar im Mittelpunkt des politischen Handelns gestanden hatten. Zwar könne Baden-Württemberg auch auf gewässerokologische Erfolge stolz sein, dennoch bestehe hier Nachholbedarf. Diesen Rückstand aufzuholen, lässt sich das Land einiges kosten: Meinel rechnete vor, dass etwa 750 000 Euro zur Unterstützung der städtischen Renaturierungsbemühungen seit 2005 nach Kirchheim geflossen seien.

Angelika Matt-Heidecker nutzte die Chance, mit dem Gast aus Stuttgart einen nachhaltigen Blick in die Zukunft zu werfen: Auf der anderen Seite der Postbrücke sollen die Lauter und ihre Umgebung beim „Löwenwehr“ neu geplant werden. „Wir wollen hier weitermachen“, sagte die Oberbürgermeisterin und nannte das ehrgeizige Ziel, auch diesen Bereich schon bis zum Jahr 2017 wieder naturnah zu gestalten. „Wir kommen wieder“, kündigte sie daher an, alsbald wieder beim Umweltministerium vorstellig zu werden. – Eine „Drohung“, die der Ministerialdirektor wohlwollend zur Kenntnis nahm. Er freue sich, dass die Stadt den Schatz, den sie mit ihren Gewässern habe, erkenne und pflege, meinte er mit Blick auf die Stadträte.

Die Lauter in Zahlen

Die „Lenninger Lauter“ ist ein rechter Nebenfluss des Neckars. Sie entsteht etwa 1,5 Kilometer oberhalb von Oberlenningen aus dem Zusammenfluss der Weißen Lauter, die bei Gutenberg entspringt, und der Schwarzen Lauter, die wiederum ihren Ursprung in Schlattstall hat. Der Weg der Lauter führt insgesamt 27,5 Kilometer weit durch die Gemeinden Lenningen, Owen, Dettingen und Kirchheim bis nach Wendlingen. In Kirchheim mündet die Lindach in die Lauter, die sich dann als Gewässer erster Ordnung im Eigentum des Landes befindet. Die Lauter-Renaturierung wird im ganzen Verlauf seit Jahren verfolgt. Ein Gewässerentwicklungskonzept hat der Kirchheimer Gemeinderat Anfang der 90er-Jahre angestoßen. Seit 2005 sind 750 000 Euro vom Land in die Kirchheimer Renaturierung geflossen und noch mehr seitens der Stadt.ist