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Eltern brauchen dringend Entlastung

Der Landkreis will für Kurzzeitpflege und Ferienbetreuung schwerbehinderter Kinder etwas tun

Eltern, die ein schwer behindertes Kind haben, sind das ganze Jahr durch belastet. Der Landkreis Esslingen erstellt nun auf Antrag der CDU-Kreistagsfraktion eine Konzeption, die Möglichkeiten eröffnet, damit betroffene Familien ihre Kinder für ein paar Tage oder Wochen betreuen lassen können.

Kreis Esslingen. In den Urlaub zu fahren und auszuspannen, ist für Eltern von schwerbehinderten Kindern kaum drin. Um wenigstens ein paar Tage im Jahr durchschnaufen zu können, bleibt Familien aus dem Landkreis bislang nichts anderes übrig, als sich an Einrichtungen in Stuttgart, Ulm, Heiningen oder im Rems-Murr-Kreis zu wenden. Weil die Plätze dort rar sind und vorrangig Bewohner aus dem jeweiligen Stadt- oder Landkreis zum Zug kommen, müssen insbesondere Zeiten in den Sommerferien schon ein Jahr im Voraus gebucht werden.

„Wir sind bei diesem Thema nicht gut aufgestellt“, gab der stellvertretende Landrat Matthias Berg im Sozialausschuss des Kreistags zu. In einer ersten Stufe gelte es, Möglichkeiten zur Entlastung der Eltern zu finden. Über eine Konzeption solle dann dauerhaft etwas Verlässliches entstehen.

Den Antrag, Kurzzeitpflege, Ferien- und Ganztagsbetreuung für schwerbehinderte Kinder im Landkreis auf den Weg zu bringen, hatte die CDU-Fraktion gestellt. „Rückenwind“, eine Gruppe von Eltern des Esslinger Vereins für Körperbehinderte, deren Kinder ganz unterschiedliche mehrfache Behinderungen haben, war mit dem Anliegen auf die Christdemokraten zugegangen. „Wir waren geschockt, dass hier wenig Hilfe erfolgt ist, obwohl die Familien seit Jahren um Unterstützung bitten“, sagte CDU-Kreisrätin Ursula Merkle in einem engagierten Statement. „Als gut aufgestellter Landkreis müssen wir nach Lösungsmöglichkeiten schauen.“ Oft seien die Familien rund um die Uhr im Einsatz für ihre schwerbehinderten Kinder. „Es gibt Mütter, die schlafen nachts über Jahre lediglich drei oder vier Stunden.“ Entlastung hielt Ursula Merkle deshalb für dringend geboten. Die CDU beauftragte die Verwaltung unter anderem, zu prüfen, ob eine Angliederung eines Hauses, das sich auf Kurzzeit- und Ferienbetreuung behinderter Kinder spezialisiert, an der Rohräckerschule in Esslingen möglich wäre.

In den vergangenen drei Jahren hatten im Landkreis 65 Familien über die Eingliederungshilfe für die Kurzzeitunterbringung insgesamt 195 000 Euro bekommen. Zu den durchschnittlichen Betreuungskosten in Höhe von 2 900 Euro kommen noch Leistungen aus der Pflegeversicherung. Sie gewährt jährlich maximal 1 550 Euro für höchstens vier Wochen. Dieser Betrag reiche für die Kurzzeitpflege in Ulm beispielsweise gerade einmal 8,6 Tage, so Ursula Merkle.

Wie Sozialdezernent Dieter Krug erläuterte, könnte sich die Situation im Landkreis Esslingen durch mehrere Bausteine entspannen. So wurde mit der Diakonie Stetten und in Zusammenarbeit mit Eltern von behinderten Kindern eine Konzeption zur Kurzzeitunterbringung in Gastfamilien erstellt. Der Landkreis erwartet, dass Familien mit Kindern, die weniger schwerwiegende Einschränkungen haben, auf diese Möglichkeit zurückgreifen würden.

Eine weitere Variante ist, als Übergangslösung Kurzzeitplätze bei der Diakonie Stetten in Kernen im Rems-Muss-Kreis auszubauen. Gedacht ist an ein Kontingent für Eltern aus dem Kreis Esslingen. Bereits jetzt nutzen einzelne Familien aus dem Landkreis das Angebot von fünf Plätzen. Als längerfristige Option stellte Krug zur Diskussion, eine stationäre Einrichtung mit angeschlossenen Kurzzeitplätzen im Landkreis zu schaffen. „Wir sind deshalb in Verhandlungen mit der Diakonie Stetten“, sagte Krug. „So eine Einrichtung müsste in zwei Jahren fertig sein.“ Gegenwärtig werden acht Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene zwischen zehn und 24 Jahren in Kernen in Zuständigkeit der Eingliederungshilfe des Landkreises Esslingen betreut. Ob Umzüge gewünscht sind, müsste entsprechend geklärt werden.

In punkto Ferienbetreuung verweist die Verwaltung auf Angebote beispielsweise der Lebenshilfe auch in Kirchheim. Unter anderem werde derzeit mit dem Staatlichen Schulamt geklärt, ob auch schulische Möglichkeiten bestehen. Als Schulträger würde der Landkreis an Sonderschulen und Schulkindergärten Räume bereitstellen.

Margarete Schick-Häberle (Grüne) drückte aufs Tempo: „Die Schaffung einer Einrichtung darf kein entferntes Ziel sein. Wir müssen es näher herholen.“ Dagegen stellte Joachim Gädeke (Freie Wähler) eine Realisierung in ein bis zwei Jahren in Frage. Solveig Hummel (SPD) betonte: „Es gibt einen rechtlichen Anspruch, den wir nicht einlösen. Ich bin erstaunt, dass wir uns erst jetzt auf den Weg machen.“ Brigitte Chyle (Liga) gingen die Überlegungen des Kreises nicht weit genug. Sie regte an, bei der Planung auch andere Träger einzubeziehen.

Bei einer Enthaltung beauftragte der Sozialausschuss die Verwaltung, eine Konzeption zu erstellen, um die Betreuungssituation für Familien mit schwerbehinderten Kindern und Jugendlichen zu verbessern sowie die finanziellen Voraussetzungen dafür zu schaffen.