Lokales

Energie vom Acker

Auch rund um die Teck werden immer mehr Landwirte zu Biogasproduzenten

Weil sich die Milch- und Getreideproduktion immer weniger lohnt, werden auch rund um die Teck viele Landwirte zu Stromproduzenten – mit dem Bau von Biogasanlagen. In der Bevölkerung stoßen sie damit häufig auf wenig Gegenliebe.

Besichtigung der Biogasanlage - Hof Maier -  in Krebsstein fŸr Serie "Erneuerbare Energien"
Besichtigung der Biogasanlage - Hof Maier - in Krebsstein fŸr Serie "Erneuerbare Energien"
Besichtigung der Biogasanlage - Hof Maier -  in Krebsstein fŸr Serie "Erneuerbare Energien"
Besichtigung der Biogasanlage - Hof Maier - in Krebsstein fŸr Serie "Erneuerbare Energien"

Lenningen. Wer auf dem schmalen Sträßchen von Schopfloch nach Krebsstein fährt, kann sie gar nicht übersehen: Die Biogasanlage von Helmut Maier, die sich mit ihrem turmförmigen Gasspeicher und den beiden Behältern rechter Hand gegen den Wald abzeichnet. Seit ein paar Tagen ist der Landwirt, der den Aussiedlerhof in zweiter Generation betreibt, nicht nur Besitzer von 70 Rindern, sondern auch Energieproduzent. In seiner Biogasanlage wird aus Gras, Mais und Rindergülle Strom und Wärme.

Vor allem in den ländlichen Regionen Deutschlands sind in den letzten Jahren viele Biogasanlagen entstanden, die zum Teil ganze Dörfer mit Energie versorgen. Im Landkreis Esslingen gibt es aktuell acht Biogasanlagen, alle von kleinerem Format. Doch das Konzept ist umstritten. Selbst die Grünen, die erneuerbaren Energien naturgemäß positiv gegenüberstehen, lehnen es als unethisch ab, Pflanzen wie Mais als Energieträger zu verwenden.

Dieses Argument will Helmut Maier, der seine Biogasanlage hauptsächlich mit Gras betreibt, nicht stehen lassen. „Gras kann man über einen Wiederkäuer verwerten oder über eine Biogasanlage“, sagt er. „Warum soll ich mir noch mehr Rinder anschaffen, wenn es eh schon zu viele gibt?“ Darüber hinaus sei Biogas ertragreicher als Milch. Als Landwirt sei man heutzutage gezwungen, nach neuen Ertragsquellen zu suchen.

Ulrich Mach, BUND-Vorsitzender in Kirchheim, steht Biogasanlagen prinzipiell positiv gegenüber. Allerdings kritisiert er, dass der verstärkte Anbau von Energiepflanzen zu Monokulturen führt und den Rückgang der Artenvielfalt vorantreibt. Mais oder Gras gezielt anzubauen, um es später in Biogasanlagen zu verbrennen, lehnt er ab. „Man forscht im Moment an Wildkräutermischungen, die denselben Ertrag bringen wie Mais“, so Mach. Das Argument, dass es unethisch sei, Lebensmittel zu verbrennen, will er allerdings für Deutschland nicht gelten lassen. „Unsere Gesellschaft schmeißt 50 Prozent der Lebensmittel weg“, kritisiert Mach. Das halbe Kornfeld wandere damit in den Mülleimer.

Helmut Maiers Biogasanlage ist von Wiesen und Feldern umgeben, so weit das Auge reicht. Dort produziert der Landwirt das Futter für seine Rinder – und für die Biogasanlage. Einmal täglich befüllt er den sogenannten Feststoffdosierer mit einer Mischung aus Gras, Maissilage und Rindergülle. Mithilfe einer Zeitschaltuhr wird das Material, auch Substrat genannt, nach und nach an das Herzstück der Biogasanlage, den Fermenter, abgegeben. Dort produzieren Bakterien Biogas. Der Generator des Blockheizkraftwerks (BHKW) verwandelt das Gas in Strom. Der Gärrest wird gesammelt und als fruchtbarer Dünger auf den Feldern ausgebracht.

Den Strom speist Helmut Maier in das Netz des Albwerks Geislingen ein. Pro Kilowattstunde bekommt er 22 Cent. Kein schlechtes Geschäft: Mit der 250-Kilowatt-Anlage generiert der Landwirt 2,19 Megawattstunden Strom pro Jahr. Diese Menge reicht aus, um den Bedarf von 600 Privathaushalten zu decken. Damit ließen sich theoretisch fast alle Haushalte in Schopfloch versorgen.

Bei der Umwandlung des Gases in Strom entsteht jedoch auch Wärme. Ein Teil davon wird verwendet, um den Fermenter zu beheizen. Einen Teil der überschüssigen Wärme wollte ursprünglich die Firma Dietz abnehmen, die in Schopfloch ansässig ist. Daraus wurde im letzten Moment nichts. Jetzt heizt Helmut Maier damit seinen eigenen Hof, den Stall und die Werkstatt. Ein Unternehmer will einen Teil der Abwärme nutzen, um Stückholz zu trocknen. Allerdings wäre anschließend immer noch Wärme übrig. Privathaushalte in Schopfloch mit Wärme aus der Biogasanlage zu versorgen, ist allerdings nicht geplant. „Dafür bräuchte man eine Leitung, und das lohnt sich nicht“, so Maier.

Wer eine Biogasanlage bauen will, und das nicht unbedingt im absoluten Niemandsland, braucht starke Nerven. Denn für viele Anwohner ist diese Form der Energieerzeugung ein absolutes Reizthema. Helmut Maiers Biogasanlage stieß in der Bevölkerung auf Akzeptanz – vielleicht auch deshalb, weil die Gegend um Schopfloch weniger dicht besiedelt ist und die Anlage 500 Meter vom nächsten Haus entfernt. In Bissingen erging es einem Landwirt, der 150 Meter vom Ortsrand entfernt eine Anlage errichten will, kürzlich anders. Bei einer Bürgerinformationsveranstaltung protestierten die Bürger gegen sein Vorhaben, weil sie mehr Lärm, mehr Verkehr und Geruchsbelästigung befürchteten. Der Gemeinderat verweigerte daraufhin sein Einvernehmen mit der Begründung, der Zufahrtsweg sei nicht ausreichend erschlossen. Die endgültige Entscheidung trifft das Landratsamt.

Auch in Nürtingen protestierten Bürger gegen eine Biogasanlage am „Großbettlinger Gatter“, weil sie Geruchsbelästigung befürchteten. Die Anlage, mit der Strom für 5 000 und Wärme für 700 Haushalte generiert werden sollte, war von den Stadtwerken und der Firma Re-Food initiiert worden. Statt Energiepflanzen sollten Lebensmittelreste und Abfälle aus lebensmittelverarbeitenden Betrieben, Gastronomie sowie Kantinen und Krankenhäusern verwertet werden. Nachdem der Planungsausschuss der Region den Standort abgelehnt hat, gilt das Vorhaben als gescheitert.

Helmut Maier kann die Vorbehalte nicht verstehen. Die meisten Menschen lehnten Atomkraft ab, aber eine Biogasanlage oder ein Windrad vor der Tür wollten sie noch weniger. Abgesehen davon rieche eine Biogasanlage überhaupt nicht. „Das Gas wird nicht in die Umwelt entlassen, sondern komplett verbrannt“, erklärt er. Das Abfallprodukt, das später auf den Äckern ausgebracht wird, rieche sogar weniger als normale Gülle.

Ulrich Mach glaubt, dass in der Produktion von Biogas auch rund um die Teck noch Potenzial steckt. Bis 2030 könnte der Anbau von Energiepflanzen auf Landwirtschaftsflächen um zehn Prozent steigen, weil aufgrund des demografischen Wandels weniger Anbauflächen für Lebensmittel benötigt werden. Am sinnvollsten findet er Biogasanlagen allerdings dann, wenn sie mit Reststoffen betrieben werden. Seiner Meinung nach wäre es zum Beispiel denkbar, an das Kompostwerk des Landkreises Esslingen, das in Kirchheim neben der A 8 steht, eine Biogasanlage anzuschließen.

Mit diesem Gedanken hat man sich im Landratsamt auch schon beschäftigt. „Wir haben mit verschiedenen Anlagenlieferanten Untersuchungen angestellt, unter welchen technischen Voraussetzungen und mit welcher Konzeption eine Umrüs­tung oder Nachrüstung des Kompostwerks zu einer kombinierten Vergärungsanlage mit nachgeschalteter Kompostierung möglich wäre“, so Rolf Hahn, Geschäftsführer des Abfallwirtschaftsamtes. Die Untersuchungen hätten ergeben, dass eine Umrüstung technisch möglich sei, sich aber wirtschaftlich nicht lohne. Hinzu komme, dass der Standort wegen eventueller Geruchslasten zu sensibel sei.

„Es gibt Überlegungen, ob wir als Landkreis eine engere Kooperation suchen sollten, falls unsere Nachbarn in Stuttgart eine solche Vergärungsanlage bauen“, so Hahn. Die Zusammenarbeit könnte beispielsweise so aussehen, dass der Landkreis den Bio­müll als Rohstoff für die Vergärung anliefert und im Gegenzug die Gärreste zu Kompost verarbeitet. Dass die Wärme, die ihm Kompostwerk quasi nebenbei generiert wird, nicht genutzt werden kann, findet Hahn schade. Man habe vor Jahren darüber nachgedacht, eine Fernwärmeleitung in das Gewerbegebiet Kruichling zu legen. „Aber das hätte sich nie und nimmer gerechnet.“