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Fachkräfte dringend gesucht

Bewerber, die bisher wenig Chancen auf einen Job hatten, kommen wieder eher zum Zug

Der demografische Wandel macht sich schon heute auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar. Unternehmen klagen über Fachkräftemangel. Arbeitnehmer, die bisher schlechte Chancen auf dem Arbeitsmarkt hatten, könnten jedoch von dem Bevölkerungsschwund profitieren.

Verkehrte Welt: Immer häufiger sind es die Betriebe, die sich um die immer kleiner werdende Schar an Bewerbern bemühen müssen, w
Verkehrte Welt: Immer häufiger sind es die Betriebe, die sich um die immer kleiner werdende Schar an Bewerbern bemühen müssen, wie zum Beispiel bei der Berufsinfomesse der Jugendagentur.Archivfoto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Wie sich der demografische Wandel auf den Arbeitsmarkt auswirkt, ist in Zahlen nicht zu erfassen. Praktisch ist er schon heute mit Händen zu greifen. „In Kirchheim fehlt besonders im verarbeitenden Gewerbe qualifiziertes Personal“, sagt Tobias Krause, Leiter der Agentur für Arbeit Kirchheim. Auch im Pflegebereich könnten viele Arbeitsplätze nicht besetzt werden. Und auf dem Lehrstellenmarkt gebe es mehr Stellen als Bewerber. „Wenn der demografische Wandel voll durchschlägt, wird sich der Fachkräftemangel noch verstärken“, ist Tobias Krause überzeugt.

Für die Unternehmen ist das eine bedrohliche Situation. Für Bewerber, die bisher Schwierigkeiten hatten, einen Job zu finden, könnte der Bevölkerungsschwund jedoch eine Chance sein. „Der demografische Wandel führt dazu, dass die Betriebe umdenken“, sagt Tobias Krause. Gerade im Lehrstellenbereich senkten die Unternehmen angesichts des immer kleineren Pools an Bewerbern ihre Notenanforderungen.

Folglich hätten auch schwächere Schüler eine Chance. „Früher hat man auf dem 2er-Kandidaten bestanden. Heute nimmt man unter Umständen auch den 3er-Kandidaten, wenn man die Lehrstelle besetzen will“, sagt Tobias Krause. Bei schwächeren Auszubildenden bekämen die Betriebe von der Agentur für Arbeit gegebenenfalls ausbildungsbegleitende Hilfen gewährt, zum Beispiel Zusatzunterricht oder sozialpädagogische Betreuung. „Ziel ist es, dass die Ausbildung auf jeden Fall abgeschlossen wird“, sagt Tobias Krause.

Der Fachkräftemangel führt außerdem dazu, dass auch ältere Arbeitnehmer bei der Stellenvergabe wieder öfter zum Zug kommen. „Die Unternehmen merken einfach, dass sie Kompromisse eingehen müssen“, so Tobias Krause. Ziel der Arbeitsagentur sei es, das vorhandene Potenzial zu nutzen. „Ältere Arbeitssuchende werden bei uns genauso individuell betreut wie jüngere“, sagt er. Wenn Qualifikationen wie zum Beispiel Computerkenntnisse fehlten, könnten im Einzelfall auch Fortbildungen gewährt werden.

Ein weiteres Handlungsfeld der Agentur für Arbeit ist die Qualifizierung von Frauen, die nach der Erziehungsphase in ihren Beruf zurückkehren wollen. „Da liegt ein riesiges Fachkräftepotenzial“, sagt Tobias Krause. Die Frauen würden durch Fortbildungsmaßnahmen und Coaching auf den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vorbereitet.

„Menschen, die einen Berufsabschluss haben, sind auf Dauer besser untergebracht“, sagt Tobias Krause. Deshalb versucht die Agentur für Arbeit, Ungelernte zu qualifizieren. „In Kirchheim haben wir seit 2010 achtzig Menschen einen Berufsabschluss finanziert“, sagt Tobias Krause. Da die meisten von ihnen nicht mehr ganz jung seien, laufe die Qualifizierung nicht über eine Ausbildung, sondern über einen Bildungsträger. Auch gering Qualifizierte, die in Betrieben angestellt seien, bekämen Fortbildungen, um einer Ar­beitslosigkeit vorzubeugen. „In den vergangenen Jahren haben wir vor allem im Pflegebereich qualifiziert“, sagt Tobias Krause. Dort seien vor allem viele Ältere ungelernt beschäftigt gewesen. Realistischerweise müsse man aber auch sagen, dass nicht jeder Mensch in der Lage sei, einen Berufsabschluss zu erwerben. Das könne intellektuelle oder finanzielle Gründe haben. „Wir investieren aber viel, um gering Qualifizierte auf das Niveau der Fachkräfte zu bekommen“, so Tobias Krause.