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Für ein Leben mit Jesus entschieden

Wie Menschen den Ruhestand verbringen – Heute: Die Aidlinger Diakonissen Friedhilde und Adelheid

Die Schwestern Adelheid (links) und Friedhilde an ihrer alten Wirkungsstätte: Im Kirchheimer Krankenhaus waren die beiden Aidlin
Die Schwestern Adelheid (links) und Friedhilde an ihrer alten Wirkungsstätte: Im Kirchheimer Krankenhaus waren die beiden Aidlinger Diakonissen viele Jahre in der Pflege tätig.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim/Bad Überkingen. Wer Schwester Adelheid Kolle und Schwester Friedhilde Ernst gegenübersitzt, blickt in zwei strahlende Gesichter. Die beiden Aidlinger Diakonissen, die stolz ihre Tracht tragen, ruhen in sich selbst, verströmen Zufriedenheit und Fröhlichkeit.

Seit neun Jahren ist Schwester Friedhilde nun im Ruhestand, Schwester Adelheid startete ein Jahr später in die dritte Lebensphase. Beide waren viele Jahre in der Pflege im Kirchheimer Krankenhaus tätig: Schwester Adelheid in der HNO- und Augenabteilung und ihre „Kollegin“ auf der Intensivstation. „Die Diakonissen, die im Krankenhaus tätig sind, hören spätestens mit 65 Jahren auf“, sagt Schwester Renate Mosch, ebenfalls Mitglied der evangelischen Schwesternschaft und stellvertretende Pflegedirektorin im Kirchheimer Krankenhaus, in dem es derzeit 6,5 Stellen für Aidlinger Diakonissen gibt. „Wenn sie dann noch körperlich fit sind, werden sie in unseren eigenen Tätigkeitsbereichen eingesetzt.“

Im Falle von Schwester Adelheid und Schwester Friedhilde bedeutete dies, dass sie vom Schwesternhaus in der Seminarstraße in Kirchheim auf die Schwäbische Alb in den Bad Überkinger Ortsteil Oberböhringen zogen. Dort leben sie in der Freizeit- und Begegnungsstätte Michelsberg der Aidlinger Diakonissen, in der sieben Schwestern tätig sind und in der Familien, Gruppen und Einzelpersonen dem Alltagsstress entfliehen und „Orientierung in Lebensfragen durch Gottes Wort“ erhalten können. So entschied es das Mutterhaus der Aidlinger Diakonissen – und die beiden Schwestern waren sofort begeistert von dem Vorschlag, in der Begegnungsstätte Michelsberg mitzuhelfen und dort ihren „tätigen Ruhestand“ zu verbringen, wie sie sagen.

Ganze 40 Jahre hatte sich Schwester Adelheid im Kirchheimer Krankenhaus um die Patienten gekümmert. Auch Schwester Friedhilde verbrachte eine lange Zeit – nämlich knapp 30 Jahre – in der Teckstadt. Beiden fiel der Abschied zwar schwer, allerdings sei er auch mit einer gewissen Erleichterung verbunden gewesen, sagen sie unisono.

„Ich war sehr gerne im Krankenhaus tätig“, blickt Schwester Friedhilde zurück. Die Arbeit sei aber auch belastend gewesen, da „man viel mit dem Tod konfrontiert war“, erzählt sie vom Alltag auf der Intensivstation. „Außerdem wollte ich den Weg für die jungen Schwestern frei machen.“ Schwester Adelheid fügt hinzu, dass es damals durch Reformen im Gesundheitswesen größere Umstellungen gegeben habe. Deshalb sei es ihr leicht gefallen, die „Reise“ nach Oberböhringen anzutreten. Darüber hi­naus sei es auch schön gewesen, neue und ganz andere Aufgaben zu übernehmen.

In ihrem Ruhestand einfach nichts zu tun und nur ihren Hobbys nachzugehen, wäre für die Schwestern Adelheid und Friedhilde unvorstellbar. „Wir sind eine große Familie. Die Mithilfe in unseren Einrichtungen ist uns ein Bedürfnis und bedeutet Erfüllung“, betont Schwester Friedhilde. Alles andere würde niemals „zu unserer Einstellung passen“, fügt sie hinzu. Freilich sei es aber keineswegs so, dass die Diakonissen arbeiten bis zum Umfallen. „Wenn wir den Eindruck haben, dass es nicht mehr geht, dann äußern wir das natürlich“, sagt Schwester Adelheid.

Während sie in der Begegnungsstätte in Oberböhringen im Speisesaal mithilft, kümmert sich Schwester Friedhilde um alle Verwaltungsangelegenheiten, die anfallen. Dazwischen nehmen die Frauen, die sich beide im Alter von 23 Jahren für ein Leben mit Jesus entschieden hatten, regelmäßig an Andachten teil und verbringen – jede für sich – „stille Zeiten“ mit der Bibel.

Die Schwestern haben aber auch freie Tage zur Verfügung. Diese nutzt Schwester Friedhilde, um zu lesen – nicht nur in der Bibel, sondern auch in Zeitungen und christlichen Zeitschriften. „Schließlich will ich wissen, was auf der Welt läuft“, betont sie. Die Aidlinger Diakonissen würden sich nicht von der Welt abwenden, sondern bewusst in der Gesellschaft wirken. Außerdem sitzt Schwester Friedhilde gerne am Computer und geht regelmäßig in den Abendstunden auf der Alb spazieren. „Das ist ein Genuss“, schwärmt die 69-Jährige, die an ihren freien Tagen morgens auch gerne etwas länger im Bett liegen bleibt. Denn an Arbeitstagen klingelt der Wecker der Diakonissen in der Begegnungsstätte schon um 6 Uhr.

Auch Schwester Adelheid verbringt ihre freien Tage oft draußen in der Natur. Immer wieder greift sie zu den Nordic-Walking-Stöcken, aber auch das Wandern alleine oder in der Gruppe hat es der 71-Jährigen angetan. Darüber hinaus hat sie sich dem Stricken und Fotografieren verschrieben.

Beide können sich keinen schöneren „tätigen“ Ruhestand vorstellen. Allerdings wissen sie auch, dass die Tage der Begegnungsstätte in Oberböhringen unter der Leitung der Aidlinger Diakonissen gezählt sind. „Wir sind noch bis zum Jahr 2014 oben auf der Alb“, erzählt Schwester Friedhilde. Die Diakonissen suchen derzeit einen neuen, christlichen Träger, der die Einrichtung weiterführt. Weil die Aidlinger Schwestern Nachwuchsprobleme haben, sind sie dazu gezwungen, die Begegnungsstätte aufzugeben.

Wie es dann für die Schwestern Friedhilde und Adelheid weitergeht, wissen sie noch nicht. „Wir lassen uns überraschen“, sagt Schwester Friedhilde. Sicher ist jedenfalls, dass die beiden ihr Leben auch im Ruhestand weiterhin voll und ganz „Jesus zur Verfügung stellen werden“.

Die Aidlinger Diakonissen

Den Aidlinger Diakonissen gehören derzeit 274 Schwestern an. Sie leben in größeren und kleineren Gemeinschaften und arbeiten in vielen diakonischen Bereichen. Sie praktizieren Gütergemeinschaft und einen einfachen Lebensstil. Außerdem leben sie in Ehelosigkeit und beziehen kein Gehalt. Auch die staatliche Rente treten sie an das Diakoniemutterhaus in Aidlingen (Landkreis Böblingen) ab. Von diesem erhalten sie aber alles, was sie brauchen und ein Taschengeld. Das Diakonissenmutterhaus unterhält drei Gästehäuser, in denen Menschen ihren Urlaub verbringen können. Neben Oberböhringen befinden sich diese Häuser in Titisee-Neustadt und Villingen.alm/rh