Lokales

Furcht vor Schwerlaster-Schwemme

Stadt Kirchheim fordert Vollanschluss der großen ICE-Baustelle auf die A 8 und Tempo 120

Tempo 120 auf der Autobahn und Vollanschluss der großen ICE-Baustelle – das fordern Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Andreas Schwarz, Abgeordneter der Grünen im Landtag. Die beiden nutzten die Gunst der Stunde, als Regierungspräsident Johannes Schmalzl gestern die Autobahnmeisterei in Kirchheim besuchte.

Geht es nach dem derzeitigen Willen des Regierungspräsidiums Stuttgart, fahren die Baustellenfahrzeuge in Fahrtrichtung Stuttgar
Geht es nach dem derzeitigen Willen des Regierungspräsidiums Stuttgart, fahren die Baustellenfahrzeuge in Fahrtrichtung Stuttgart von der ICE-Baustelle nicht direkt auf die Autobahn, sondern mehrere Kilometer durch das Stadtgebiet. Foto: Jean-Luc Jacques

Iris Häfner

Kirchheim. Mit großen Plänen bewaffnet, verdeutlichte Angelika Matt-Heidecker im Aufenthaltsraum der Autobahnmeisterei, wo aus Sicht Kirchheims die ICE-Baustellenplanung deutlich verbessert werden kann. Andreas Schwarz, Kirchheimer Landtagsabgeordneter der Grünen und Vorsitzender des Arbeitskreises Verkehr und Infrastruktur in Landtag, hatte bereits im September vergangenen Jahres in einem Schreiben sowohl an den Innenminister des Landes als auch den Verkehrsminister die Finger auf die Wunde gelegt.

Auf Höhe der Firma Küchen Leicht im Kirchheimer Gewerbegebiet Bohnau wird auf der gegenüberliegenden Autobahnseite bei Nabern ein Betonwerk und ein Containerdorf für die ICE-Trasse entstehen. An dieser Stelle soll das Portal für den Albvorlandtunnel errichtet werden, und hier ist die komplette Baustelleneinrichtung samt dem Abtransport der Erdmassen aus dem später acht Kilometer langen Tunnel vorgesehen.

Um die Belastungen für die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten, fordern Andreas Schwarz und Angelika Matt-Heidecker einen Vollanschluss der Baustelle an die Autobahn. Vollanschluss heißt: Zufahrt und Abfahrt auf beiden Fahrbahnrichtungen, also vier Anschlüsse. Derzeit sind jedoch nur drei geplant. Die unzähligen 40-Tonner-Lkw sollen deshalb nach dem Willen des Regierungspräsidiums von der A 8 über die Tannenbergstraße, Einsteinstraße, auf der Jesinger Straße am Stadion vorbei und auf Höhe des Freibads auf die B 297 zur Autobahn-Anschlussstelle Kirchheim Ost fahren. „Wir wissen nicht, wie viele Lkw nötig sein werden, um 1,9 Millionen Kubikmeter Aushubmaterial abzutransportieren“, erklärte Angelika Matt-Hei­decker. Erst das Ausschreibungsergebnis wird zeigen, in welche Richtung der Abraum entsorgt wird. „Geht es in Richtung Osten, ist Kirchheim weniger belastet. Anders sieht es dagegen aus, wenn alles über die Stadt läuft. In dem Fall müssen die Lärmwerte zwingend eingehalten werden. Schon allein aus diesem Grund muss ein Vollanschluss möglich sein“, fordert die Oberbürgermeisterin. Sie denkt dabei nicht nur an die Anwohner der Umgehungsstraße, die sich über die fehlende Lärmschutzwand beklagen, nachdem sie auf einer Seite realisiert wurde.

Große Sorge bereitet den beiden Politikern die Sicherheit der Radfahrer aus Nabern, sollte es zu dem Schwerlastverkehr quer durch die Stadt kommen. Davon betroffen wären insbesondere die Schüler, die nach der Grundschule in Kirchheim die weiterführenden Schulen besuchen. Die derzeitige Feld- und Radwegbrücke liegt mitten im neuen Betriebsgelände, weshalb in Richtung Kirchheim eine Behelfsbrücke entstehen soll. Doch kurz danach – oder davor – kommt es auf Kirchheimer Seite unweigerlich zum Kreuzungsverkehr von Radfahrern und schweren Baufahrzeugen. „Hier muss es Sicherheit für die Radfahrer geben. Das fordert nicht nur die Stadt Kirchheim, sondern auch der Ortschaftsrat Nabern und die betroffenen Eltern“, machte Angelika Matt-Heidecker deutlich. Ins gleiche Horn blies auch Andreas Schwarz, weshalb für ihn nur ein Vollanschluss in Frage kommen kann.

Eine weitere Forderung der beiden lautet eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Kilometer pro Stunde auf der A 8 bei Kirchheim. „Das ist zur Vermeidung von Unfällen zwischen schnellen Autos und langsamen Baustellenfahrzeugen aus Gründen der Verkehrssicherheit dringend geboten“, erklärte Andreas Schwarz. Noch einen Schritt weiter ging der CDU-Landtagsabgeordnete Karl Zimmermann, der bei dem Gespräch in der Autobahnmeisterei mit dabei war: „Tempo 120 ist während der Bauzeit zu viel.“

„Die Kommune ist stark belastet durch den Baustellenverkehr außerhalb der Autobahn“, ist sich Klaus Trautmann, Polizeidirektor und Stellvertreter des Verkehrsreferats im Regierungspräsidium Stuttgart, bewusst. Trotzdem sprach er sich bislang nicht für den Vollanschluss aus. Ihm ist die Verkehrsmenge an dieser Stelle zu groß. „Stichhaltig ist die Sicherheitsfrage. Jeder zu langsam fahrende Verkehr verursacht Stau, und Stau produziert Unfälle“, so Klaus Trautmann. Außerdem hält er die Strecke zwischen Baustelleneinfahrt und Autobahnausfahrt für zu kurz. „Bis ein 40-Tonner beschleunigt, braucht er eine lange Strecke“, erklärte er. Dem widersprach Andreas Schwarz klar und verwies auf die Situation bei Denkendorf: „Hier beginnt die Einfahrt in die A 8 von der Rastanlage kommend mit einem Verflechtungsstreifen, der nach etwa 900 Metern an der Ausfahrt Esslingen endet. Das Beispiel zeigt, dass man solch eine Konstellation durchaus verkehrssicher gestalten kann.“

Bezüglich der Radwegverbindung ist Klaus Trautmann überzeugt, dass der Radverkehr sicher geführt werden kann: „Man muss genau darauf achten, wo die Begegnung von Radfahren und Lkws stattfindet. Im Zweifel gibt es eine Signalanlage.“

Um schweren Unfällen auf der A 8 vorzubeugen, wie sie auf dieser Strecke immer wieder passieren, wollen Angelika Matt-Heidecker und Andreas Schwarz auch über die Baustellenzeit hinaus ein Tempolimit von 120. „Das lehne ich nicht kategorisch ab. Der Paragraf 45 lässt uns da aber wenig Spielraum – auch wir würden uns da mehr wünschen“, erklärte dazu Regierungspräsident Johannes Schmalzl. In der Straßenverkehrsordnung auf der Internetseite von dejure.org ist bei Paragraf 45 unter anderem nachzulesen, dass zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken beschränken können.

Für Andreas Schwarz stirbt die Hoffnung zuletzt: Die Gesprächsbereitschaft seitens des RP wertet er als positives Signal.

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