Lokales

Kein bisschen Frieden

Bundestagskandidaten diskutieren mit Kirchheimern über Auslandseinsätze und Rüstungsexporte

Wie stehen die Bundestagskandidaten der fünf großen Parteien zum Thema Auslandseinsätze der Bundeswehr? Sind sie dafür, Rüstungsexporte zu verbieten? Das waren die Themen einer Podiumsdiskussion, zu der die Kirchheimer Friedensbewegung ins Gemeindehaus Sankt Ulrich geladen hatte.

Waren mit einer Ausnahme thematisch schwer voneinander zu trennen (von links): Rainer Arnold (SPD), Michael Hennrich (CDU), Clau
Waren mit einer Ausnahme thematisch schwer voneinander zu trennen (von links): Rainer Arnold (SPD), Michael Hennrich (CDU), Claudia Haydt (Die Linke), Matthias Gastel (Bündnis 90/Die Grünen) und Renata Alt (FDP). In der Mitte Moderator Christoph Tangl.Foto: Jean-Luc Jacques

Antje Dörr

Kirchheim. Friedenspolitik ist nichts, mit dem sich die Massen an einem heißen Sommerabend hinterm Feierabendbier hervorlocken lassen. Deshalb waren unter den Zuhörern der Podiumsdiskussion hauptsächlich bekannte Gesichter aus den Reihen der Bastion, Pax Christi, der Friedensgesellschaft und den Parteien. Die Friedensbewegten waren an diesem Abend ganz schön angriffslustig – anders als die Bundestagsabgeordneten und -kandidaten, die bei der Podiumsdiskussion eigentlich miteinander streiten sollten. Mit einer Ausnahme herrschte auf dem Podium über weite Strecken Frieden. Zwischen Publikum und Podium dagegen kein bisschen.

Für die Bundestagskandidatin der Linken, Claudia Haydt, die als Einzige mit einer pazifistischen Grundhaltung auftrumpfen konnte, war die Veranstaltung gewissermaßen ein Heimspiel. Rüstungsexporte lehnte sie als Einzige rundweg ab, auch die Rüstungsproduktion solle „angegangen“ werden. Die Begriffe Engagement und Verantwortung mit militärischen Einsätzen gleichzusetzen geißelte sie als „Perversion“; Hunger, Krankheiten und Lebensmittelspekulation könnten auch auf anderen Wegen bekämpft werden. Die Linke wolle erreichen, dass Diplomatie gestärkt und Verantwortung mit zivilen Mitteln übernommen werde.

Auch die Kandidaten der anderen Parteien, die sich im Gegensatz zur Linken schon einmal mit Regierungsverantwortung herumschlagen mussten oder aktuell in der Regierung sind, sprachen sich dafür aus, der Diplomatie immer erst den Vorrang einzuräumen. Rainer Arnold (SPD), als verteidigungspolitischer Sprecher seiner Bundestagsfraktion Experte auf diesem Gebiet, der CDU-Abgeordnete Michael Hennrich sowie die Kandidaten Matthias Gastel (Grüne) und Renata Alt (FDP) waren sich aber einig, dass militärische Mittel notwendig sind, wenn die Diplomatie an ihre Grenzen gekommen ist.

„Keinen drängt es, Soldaten ins Ausland zu schicken“, sagte Rainer Arnold. Aber manchmal sei ein Auslandseinsatz der Bundeswehr eben das letzte Mittel. „Militär kann nicht allein einen Konflikt beenden, aber es kann ein Zeitfenster für Gespräche öffnen“, sagte er. Das habe beispielsweise in Bosnien Herzegowina oder in Osttimor funktioniert. „Wenn irgendwo ein Völkermord passiert, hat die Staatengemeinschaft eine Schutzverantwortung. Dann kann militärisches Eingreifen notwendig sein“, sagte Matthias Gastel, der darauf hinwies, dass die Grünen keine reine Friedenspartei, sondern auch eine Menschenrechtspartei sind.

Michael Hennrich haben die Erfahrungen in Ruanda und Srebrenica gezeigt, „dass militärisches Eingreifen möglich sein muss“. „Dort, wo Deutschland aktiv ist, gelingt es, Regionen einigermaßen zu stabilisieren“, sagte er mit Blick auf die Eindämmung des Terrorismus und die Stärkung der Rolle der Frau in Afghanistan. Renata Alt nannte den Konflikt in Mali als Positivbeispiel für die Rolle der Bundeswehr.

Bis dahin hatten sich die Zuhörer weitgehend friedlich verhalten, aber in der anschließenden Fragerunde platzte einigen der Kragen. Die Schwelle für Militäreinsätze werde doch in Wahrheit immer niedriger, wetterte ein Zuhörer. Ein anderer warf den Abgeordneten vor, dass das Menschenrechtsargument bei vielen Militäreinsätzen nur vorgeschoben sei. Konkrete Beispiele nannte er jedoch nicht. „Wie können wir verhindern, dass wirtschaftliche Interessen in der Außenpolitik immer mehr in den Vordergrund rücken?“, wollte ein Zuhörer wissen. Ein anderer wies darauf hin, dass für den Militäretat 33  Milliarden Euro veranschlagt seien, für zivile Konfliktforschung dagegen nur 30 Millionen Euro. „Das ist ein Klacks“, sagte er.

Besonders Rainer Arnold wollte einige der Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen. „Die UNO hat 17 Friedensmissionen. Deutschland beteiligt sich an drei mit einer Handvoll Soldaten“, sagte er. Im Sudan habe Deutschland überhaupt keine geostrategischen Interessen. Das koste nur Geld. „Ich bin trotzdem dafür, dass wir noch mehr UN-Missionen unterstützen“, sagte er. Arnold wehrte sich gegen den pauschalen Vorwurf, dass vor dem militärischen Eingreifen nicht alle diplomatischen Mittel ausgeschöpft würden. „Mit wem will ich in Mali noch verhandeln?“, fragte er in die Reihen der Zuhörer. Auch im Sudan sei „bis zum Erbrechen“ verhandelt worden. Matthias Gastel stimmte ihm zu. „Wo sind Deutschlands Interessen in Afghanistan oder Mali? Ich kann sie nicht erkennen“, sagte er.

Michael Hennrich musste sich wegen der Enthaltung des deutschen Außenministers bei der Libyen-Resolution rechtfertigen. „Wir haben aus Irak und Afghanistan gelernt, dass man immer wissen muss, was danach kommt“, so Hennrichs Antwort.

Weil die hitzige Diskussion über die Auslandseinsätze der Bundeswehr so viel Zeit in Anspruch genommen hatte, ließ Moderator Christoph Tangl das Publikum darüber abstimmen, ob man noch über Atomwaffen oder Rüstungsexporte diskutieren wolle. Die meisten hoben für das Thema Rüstungsexporte ihre Hand. „Wer jegliche Waffenexporte verbieten will, sollte auch sagen, dass er aus der NATO austreten will“, sagte Rainer Arnold und erntete unerwünschten Applaus von seiner Kollegin Claudia Haydt. Waffen in NATO-Staaten und NATO-gleichgestellte Staaten zu liefern, müsse weiterhin möglich sein. Arnold kritisierte jedoch die Panzerlieferung der Bundesregierung an Saudi Arabien. Er sprach sich für ein parlamentarisches Kontrollgremium aus, wandte sich aber wie Michael Hennrich gegen das Ansinnen seines grünen Kollegen, künftig das Parlament über Waffenexporte abstimmen zu lassen.

Die Grünen wollten Waffenexporte nicht verbieten, aber massiv einschränken, sagte Gastel. Die Menschenrechtssituation im Empfängerland müsse in Betracht gezogen werden. Außerdem solle die Zuständigkeit vom Wirtschaftsministerium ins Auswärtige Amt übergehen, damit nicht wirtschaftliche Kriterien über das „Ja“ oder „Nein“ entscheiden.

Auch Michael Hennrich wandte sich gegen ein vollständiges Verbot, „weil Waffenexporte ein Teil der wirtschaftlichen Gesamtbeziehungen sind“. Allerdings seien nur ein Prozent der Exporte aus der Bundesrepublik Waffenexporte.

Mehr Transparenz forderte insbesondere Claudia Haydt. „Wir bekommen die Informationen, welche Waffen wohin geliefert worden sind, immer erst mit zwei Jahren Verzögerung. Dann kann man nicht mehr viel machen.“ Renata Alt hielt mehr Transparenz für unrealistisch. „Aus Sicherheitsgründen dürfen nicht alle Karten auf den Tisch.“