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Kranke Bäume müssen weg

Stadt rechtfertigt Baumfällungen – Naturschutz fürchtet um ökologisches Gleichgewicht

Die etlichen Baumfällungen an Kirchheimer Gewässern sorgen bei den Naturschutzverbünden BUND und NABU für Empörung und Unverständnis. Bürgermeister Günter Riemer will trotzdem am alten Kurs festhalten: Die Verkehrssicherheit habe oberste Priorität.

Baumfällungen sorgen in Kirchheim für Diskussionen. Wie hier am Jauchertbach sind viele markiert - mit ungewissem Ende.Foto: Jea
Baumfällungen sorgen in Kirchheim für Diskussionen. Wie hier am Jauchertbach sind viele markiert - mit ungewissem Ende.Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Wie im „Hau-Ruck-Verfahren“ seien innerhalb des vergangenen Jahres bis zu 1 000 Bäume entlang der Kirchheimer Gewässer gefällt worden, beklagt Jürgen Lewak von der BUND Ortsgruppe Kirchheim. Damit raube man dem Stadtbild ein seit jeher prägendes Element und gefährde das ökologische Gleichgewicht in der Region: Denn die Pflanzen würden nicht nur die Wassertemperatur der zahlreichen Bäche im Umfeld beeinflussen, sondern sich auf das ganze lokale Klima auswirken. Die Fällungen wurden im Zuge der Verkehrssicherungspflicht der Stadt vorgenommen. Etwa 10 000 Bäume wurden dabei insgesamt markiert. Die Zukunft der noch stehenden, betroffenen Bäume ist noch offen.

Am Beispiel des Fischbestands in Kirchheim lassen sich die Konsequenzen leicht veranschaulichen: Eine Wassertemperatur von etwa 18 Grad ist der Normalfall in den Fließgewässern. In letzter Zeit sei die Temperatur auf bis zu 20 Grad angestiegen, erklärt der Vorsitzende des Fischereivereins Wendlingen, Günter Richter. Bei zu hoher Temperatur oder großen Schwankungen zwischen Tag und Nacht würden heimische Arten wie die Bach- und Regenbogenforelle bald die hiesigen Gewässer verlassen. Um die Temperatur in den Bächen und damit die Artenvielfalt zu wahren, müssten in etwa 80 bis 85 Prozent der Bäche beschattet sein – Baumfällungen seien also im Moment sehr heikel.

Die Naturschutzverbünde fordern daher die Entwicklung eines grundlegenden Baumpflegekonzepts, um sicherzustellen, dass andere Möglichkeiten der Baumpflege gut abgewägt werden, bevor man zu solch radikalen Mitteln greift. Das Fällen, betont Jürgen Lewak, sollte die letzte Möglichkeit sein.

Bürgermeister Günter Riemer verteidigt die getroffenen Maßnahmen: „Wir tun nichts Anderes, als was wir tun müssen.“ Die Baumpflege in Kirchheim sei 40 Jahre lang absolut vernachlässigt worden. Daher bestehe im Moment akuter Handlungsbedarf. Außerdem würde man bei der Baumpflege sehr differenziert vorgehen und „in jede einzelne Baumhöhle schauen“. Doch manche Bäume ließen sich nicht mehr retten.

„Wo Gefahr im Verzug ist, muss man schnell handeln“, betont Martin Zimmert, Leiter der Abteilung für Grünflächen und Tiefbau der Stadt Kirchheim: „Und wenn man persönlich für die Verkehrssicherheit verantwortlich ist, möchte ich den sehen, der anders reagiert“. Wenn Bäume in schlechtem Zustand also eine Gefährdung für Menschen darstellen, müssten sie weg.

Neuanpflanzungen sind im Konzept der Stadt nur in Notfällen vorgesehen, weil sie zu große Risiken beinhalten und man nicht sicherstellen kann, dass sie standortgerecht gepflanzt werden und wirklich heimisch sind. In Zukunft wollen Stadt und Naturschutzverbünde trotzdem enger zusammenarbeiten. Davon, dass die Verkehrssicherheit im Moment oberste Priorität habe, sagt Günter Riemer, weiche er jedoch keinen Zentimeter ab.