Lokales

Ohne Bildung keine Zukunft

Interview mit Andreas Jetter zu den Themen Bildung und Ehrenamt

Am 18. Juni ist Anmeldeschluss für den Ehrenamtspreis „Starke Helfer“ der Stiftung Kreissparkasse und des Teckboten. Das Motto lautet dieses Mal: „Bildung! Gleiche Chancen für alle“. Teckboten-Redakteur Andreas Volz hat den früheren Schulleiter des Ludwig-Uhland-Gymnasiums, Professor Dr. Andreas Jetter, zu den Themen Bildung und Ehrenamt befragt.

Adrian GoedeckemeyerKlasse 8f, Ludwig-Uhland-Gymnasium, LUGgewinnt 1. preis beim Landeswettbewerb Mathematik Baden-Württemberg r

Adrian GoedeckemeyerKlasse 8f, Ludwig-Uhland-Gymnasium, LUGgewinnt 1. preis beim Landeswettbewerb Mathematik Baden-Württemberg rechts Schulleiter Dr. Andreas Jetter Auszeichnung, Urkunde

Welcher Stellenwert sollte der Bildung in unserer Gesellschaft Ihrer Meinung nach zukommen, und was wäre noch zu tun, damit die Bildung diesen Stellenwert erreichen kann?

Eine Gesellschaft, die dem Thema Bildung keine herausgehobene Bedeutung zumisst, verspielt ihre eigene Zukunft. Abgesehen davon, dass ein gutes Bildungsangebot eine grundlegende und permanente gesellschaftliche Verpflichtung darstellt, müssen gerade die aktuell vorliegenden und übereinstimmenden Ergebnisse namhafter nationaler und internationaler Vergleichsstudien noch viel deutlicher kommuniziert und hinsichtlich ihrer Brisanz vermittelt werden. Sie dokumentieren einen nicht hinnehmbaren Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg und verweisen zudem auf dessen Zuspitzung angesichts großer demografischer Veränderungen.

Während der Bevölkerungsanteil der unter 20-Jährigen in den kommenden Jahren deutlich rückläufig ist, nimmt die Anzahl junger Menschen mit Migrationshintergrund stetig zu. So verzeichnen wir in der Schulbevölkerung Baden-Württembergs derzeit noch circa 35 Prozent an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, bei den 0- bis 5-Jährigen sind es jedoch bereits 41 Prozent. Dem daraus erwachsenden spezifischen Förderbedarf vor allem im Bereich der Sprachförderung wird derzeit noch keineswegs ausreichend entsprochen. Es bedarf hierbei zeitnah zielgerichteter, individuell fördernder und entwicklungspsychologisch früh ansetzender Bildungsangebote, flächendeckender Sprachstandsfeststellungen und dis­paritätsmindernder Konzepte, deren Wirksamkeit empirisch nachgewiesen ist.

Können wir uns die bestmögliche Bildung überhaupt leisten?

Wir müssen es. Andernfalls zahlen wir einen ungleich höheren Preis, nämlich jenen von verlorenen, weil nicht gleichberechtigt am Bildungssystem beteiligten Generationen. Das in Deutschland gefasste Ziel, bis 2015 zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Bildung und Forschung auszugeben, war überfällig und weist den richtigen Weg. Sich die bestmögliche Bildung zu leisten, bedeutet jedoch auch, getroffene Maßnahmen regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zu überprüfen. Eine unabgestimmte Projektitis gilt es ebenso zu vermeiden wie unreflektierten Aktionismus. Ich halte vielmehr ein flammendes Plädoyer dafür, verstärkt empirisch validierte Verfahren einzusetzen.

Wie wichtig ist private Nachhilfe in der heutigen Bildungslandschaft?

Nachhilfe ist interventiv immer dann sinnvoll, wenn dadurch innerhalb eines überschaubaren Zeitraumes ein ausreichender Lernstandsanschluss wieder hergestellt werden kann. Den individuell richtigen Lernzugang, ein angemessenes Lerntempo und einen ausgewogenen Lernrhythmus zu finden, sollte jedoch im präventiven Sinne vorrangiges Ziel sein.

Welche Hilfe können Eltern ihren Kindern geben, welche sollten sie geben? Und welche Hilfeleistungen sollten sie sich besser verkneifen?

Zuvorderst sollten Eltern ihren Kindern eine konzentrationsfördernde häusliche Lernumgebung bereitstellen und sichern. Darüber hinaus ist es wichtig, am Kindergarten- und Schulalltag der Kinder Interesse zu zeigen, sie damit kontinuierlich das Erfahrene kommunizieren und das Gelernte reflektieren zu lassen. Bei Hausaufgaben gilt es, die Selbstständigkeit und die Erfolgszuversicht des Kindes zu fördern. Lehrer wollen nicht wissen, was die Eltern können. Hausaufgaben sind vielmehr für die eigenständige Erledigung durch die Schülerinnen und Schüler gedacht. Gerade darin noch erhaltene Fehler geben den Lehrerinnen und Lehrern oft die entscheidende Rückmeldung bezüglich schon erreichter oder noch nicht erreichter Kompetenzen.

Welche Rolle spielt das Ehrenamt in unserem Bildungssystem?

Auf dem Hintergrund eines dringend notwendigen Ausbaus von Ganztagsschulen und der qualitativen Ausgestaltung kommunaler Bildungsregionen kommt auch dem Ehrenamt ein immer größeres Gewicht zu. Die Bedeutung multipler Bezugspersonen für Kinder und Jugendliche ist erwiesenermaßen gerade beim Erwerb sozialer Kompetenzen nicht hoch genug einzuschätzen. Bereits jetzt leistet das Ehrenamt Unverzichtbares sowohl in Form konkreter personaler Unterstützung als auch durch vielseitige Förder-, Beteiligungs- und Anerkennungsmaßnahmen für Kinder und Jugendliche. Hier gibt es vorbildhaftes Engagement etwa in Kindergärten, Schulen, auf kommunaler Ebene und in der Erwachsenenbildung. Die ehrenamtliche Beteiligung in Fördervereinen, Schulmensen, bei Lernpaten- und Mentorenprogrammen, Vorleseinitiativen et cetera ist ein zentrales Element einer sich zur Gesamtverantwortung bekennenden Gesellschaft.

Gibt es Aufgaben, mit denen Ehrenamtliche überfordert wären?

Ja, in allen Aufgabenbereichen, in denen professionell ausgebildetes Personal unverzichtbar ist. In der Kernaufgabe Unterricht etwa ist die Lehrerexpertise niemals durch das Ehrenamt ersetzbar.

Wie lässt sich ehrenamtliches Engagement in der Bildung stärken und fördern?

Durch eine nachhaltige gesellschaftliche Anerkennungskultur und durch Wettbewerbe wie etwa den aktuellen Ehrenamtspreis 2011 des Teckboten und der Stiftung Kreissparkasse.

INFO

Professor Dr. Andreas Jetter war von 2003 an sieben Jahre lang Rektor des Kirchheimer Ludwig-Uhland-Gymnasiums. Im September 2010 wechselte er als Leiter des Fachbereichs „Schulentwicklung und empirische Bildungsforschung“ ans Landesinstitut für Schulentwicklung. Für den Ehrenamtspreis 2011 des Teckboten und der Stiftung Kreissparkasse mit dem Thema „Bildung! Gleiche Chancen für alle“ hat er sich freundlicherweise bereit ­erklärt, als Fachjuror mitzuwirken.

Bewerbungen für den Ehrenamtspreis nimmt der Teckbote unter folgender Adresse entgegen: Alleenstraße 158, 73230 Kirchheim. Weitere Informationen zur Ausschreibung sind im Internet unter den Adressen www.teckbote.de oder www.ksk-es.de erhältlich.