Lokales

Pfarrer Graf verlässt Oberlenningen

Nach 16 Jahren wechselt Pfarrer Karlheinz Graf nach Nürtingen-Zizishausen – Verabschiedung am kommenden Sonntag in Oberlenningen

„Dogmatik“ und „Kirchengeschichte“ steht auf den großen Bücherkartons im Pfarrbüro. Mittendrin sitzt Pfarrer Karlheinz Graf und trinkt Mate-Tee. So, wie er es in Argentinien gelernt hat. Doch die Ruhe täuscht: Der Weggang aus Oberlenningen ist für ihn und seine Frau Ulrike ein Kraftakt.

Pfarrer Karlheinz Graf und Ulrike Graf, vor der Martinskirche in Oberlenningen
Pfarrer Karlheinz Graf und Ulrike Graf, vor der Martinskirche in Oberlenningen

Lenningen. „Viele meiner Vorgänger sind hier in den Ruhestand gegangen“, sagt Karlheinz Graf. Doch für den 58-Jährigen ist nach 16 Jahren nochmals ein Wechsel dran. Das sieht der Verstand ganz klar. Das Herz ist neben Dankbarkeit auch mit viel Wehmut erfüllt. Graf weiß, dass das nicht nur für ihn gilt: „Wir merken, dass die Leute traurig sind. Da ist ein tiefes Vertrauen gewachsen.“ Nochmals aufzubrechen und weiterzuziehen, empfindet der Pfarrer als „unglaublichen Kraftakt“. Im Gegenzug dazu wuchs aber mit der Entscheidung die innere Ruhe, dass der Weg nach Zizishausen der richtige Weg ist. Es ist ein gemeinsamer Weg, die Grafs haben sich immer als „Tandem“ verstanden.

Familie Graf kam vor 16 Jahren von Hochwang herunter nach Oberlenningen. „Ich hatte Respekt vor dieser Stelle“, sagt Karlheinz Graf und erinnert an seine vielen „starken Vorgänger“. Doch er ist überzeugt: „Jeder füllt das Amt so aus, wie er ist. Ich ziehe neue Fußstapfen, sonst lebe ich ständig im Vergleichen.“ Spuren haben die Grafs sehr viele hinterlassen, gemeinsam mit einer gewachsenen Mitarbeiterschaft von mehr als 130 Leuten. „Wir trafen auf eine sehr offene Gemeinde, die bereit ist für Projekte“, sagt Graf, lobt den „sehr aktiven, kompetenten Kirchengemeinderat“ und die „sehr aufmerksame und hörbereite Gottesdienstgemeinde“. „Hier ist es schön, Gottesdienst zu feiern“, sagt Graf, was für ihn auch an der romanischen Martinskirche liegt, für ihn „eine der schönsten Dorfkirchen in unserem Umkreis“. Deren Kanzel hat Graf als „geschichtsträchtig“ empfunden, auch der Bußtagspredigt Julius von Jans wegen.

Aufgewachsen ist Graf in Kärnten. Er lernte Flaschner. Als „Spätberufener“ führte ihn sein fünfjähriges Studium an die Missionsschule in Unterweissach. Er blieb in Württemberg hängen, lernte hier seine Frau kennen. Er arbeitete in Ulm und Neuffen, zog dann mit seiner Frau und zwei Kindern im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) für sechs Jahre nach Argentinien, betreute die Kirche am Rio de la Plata in der Provinz Misiones. Ulrike Graf unterrichte an der spanischen Schule Deutsch. Aus Argentinien brachten die Grafs nicht nur einen weiten Blick und ein Herz für alles Fremde mit, sondern auch die Zubereitung des Mate-Tees.

In Oberlenningen schätzte Graf die ökumenische Ausrichtung der Kirchengemeinde: Es gibt einen ökumenischen Seniorenkreis, eine ökumenische Bibelwoche und einen ökumenischen Mittagstisch, der in knapp zehn Jahren über 10 000 Essen ausgegeben hat. Elf Jahre lang war Graf als Bezirksjugendpfarrer das „Scharnier“ zwischen Bezirksjugendwerk und den Pfarrkollegen und Mitentwickler des jährlichen Konficamps mit 500 bis 600 Konfirmanden auf der Dobelmühle. Er war einer von zwei Dekanstellvertretern, Mitglied im Diakoniestationsausschuss und Partnerschaftsbeauftragter für die slowakische Kirche. Jedes Jahr fuhr er für eine Woche in das Seniorat Nitra, um mit einem Bautrupp am Umbau eines alten Pfarrhauses zum Jugend- und Einkehrzentrum zu arbeiten. Senior – was dem Dekan entspricht – Ivan Elko arbeitete ebenfalls mit, er reist nun mit einer Delegation zu Grafs Verabschiedung an.

Graf war auch Zweiter Vorsitzender des Vereins „Lenninger Netz“, später des um die Stadt Owen erweiterten Vereins „Unser Netz“. Zudem gehörte er zum Kernteam des Männerstammtischs. „Die Leute, die der Bürgermeister als Bürger und wir als Gemeindemitglieder haben, sind dieselben“, sagt Graf, „wir brauchen ein gemeinsames Netz, das die Menschen trägt.“

Am 1. Oktober hat Graf seinen Dienst im Nürtinger Stadtteil Zizis­hausen angetreten. Er freut sich auf „eine überschaubare, selbstständige Gemeinde und einen sehr offenen Kirchengemeinderat“. Durch die räumliche Nähe kann Ulrike Graf Koordinatorin im ambulanten Hospiz in Kirchheim bleiben. Sie leitete in Kirchheim das Trauercafé, begleitete Trauernde und war, wenn der Pfarrer wieder einmal unterwegs war, zu Hause viel mehr als ein Anrufbeantworter. „Man hat das Leben miteinan­der geteilt“, sagt die Pfarrfrau, „wir haben ein Stück unserer Herzen hier gelassen.“

„Wir sind ein wanderndes Gottesvolk, da gibt es Veränderungen“, sagt Karlheinz Graf. Er versteht das nicht nur persönlich, warnt vor jeglicher Besitzstandswahrung: „Die Seelsorgeeinheiten werden größer werden, wir brauchen die Zusammenarbeit in den Distrikten.“ Wenn die Grafs nun, inzwischen ohne die beiden erwachsenen Kinder, nach Zizishausen ziehen, dann ist der Name der dortigen Kirche – Christuskirche – für Graf Programm: „Christus soll verkündigt werden, das Fundament unseres Glaubens.“ Das bleibe konstant, inmitten des Wandels.

Die Verabschiedung beginnt am Sonntag, 7. Oktober, um 13.30 Uhr in der Martinskirche Oberlenningen. Nach dem Gottesdienst folgen in der Turn- und Festhalle Grußworte, Kaffee und Kuchen und die Möglichkeit, sich von Familie Graf zu verabschieden.