Lokales

Reisen ohne Grenzen

Rollstuhlfahrer Christoph Rieker hat mit seiner Familie eine Urlaubsregion auf Barrierefreiheit getestet

Duschen ohne Sitz, Spiegel, die zu hoch hängen, Türen mit Schwellen: Solche Hindernisse können Menschen, die auf Rollstühle angewiesen sind, ordentlich den Urlaub vermiesen. Der Notzinger Christoph Rieker hat die Erfahrung gemacht, dass angeblich barrierefreie Ferienwohnungen oft gar nicht barrierefrei sind. Und hat beschlossen, etwas daran zu ändern.

Wenn die absenkbare Badeplattform kommt, kann auch Christoph Rieker am Walchsee baden gehen. Seine Söhne Nathanael und Elia geni
Wenn die absenkbare Badeplattform kommt, kann auch Christoph Rieker am Walchsee baden gehen. Seine Söhne Nathanael und Elia genießen jetzt schon mal die Abkühlung. Foto: Martin Raffeiner

Notzingen. Wenn der Berg ruft, können die Riekers nicht widerstehen. Wandern, in Bergseen baden und auf Almen zünftig vespern: So sieht für Christoph und Anke Rieker mit ihren drei Kindern Nathanael (9), Elia (8) und Thalia (4) der ideale Urlaub aus. Dass Vater Christoph im Rollstuhl sitzt, kann die Familie nicht bremsen. Auch vor Wanderwegen machen die Fünf nicht halt. Meistens fahren sie mit der Bergbahn hoch und wandern oder rollen dann bergab. „Es ist anstrengend, aber es geht“, sagt Christoph Rieker, der seit einem unverschuldeten Motorradunfall vor 17 Jahren querschnittsgelähmt ist.

Allerdings trifft Christoph Rieker im Urlaub auch immer wieder auf Hürden, die sich nicht so einfach überwinden lassen. Im vergangenen Sommer hatten seine Frau und er in Ellmau in Tirol eine barrierefreie Ferienwohnung gebucht. „Es war gar nicht so leicht, etwas zu finden, das barrierefrei ist und für Kinder geeignet. Meistens ist es das eine oder das andere“, sagt der Notzinger. In Ellmau angekommen, musste Rieker auf dem Weg in die Ferienwohnung erst einmal eine Türschwelle hinauf. In der Dusche der Ferienwohnung fehlten Haltegriffe und Duschsitz, der Spiegel war so hoch gehängt, dass Christoph Rieker sich nicht darin sehen konnte. „Damit war die Wohnung nicht barrierefrei“, sagt er. Statt eines Duschsitzes bekam er einen Gartenstuhl in die Dusche gestellt. „Ich bin damit zurechtgekommen, weil ich beweglich bin. Für andere wäre es wahrscheinlich schwierig geworden“, sagt Christoph Rieker.

Seit diesem Erlebnis hat sich der Notzinger das Thema Barrierefreiheit auf die Fahnen geschrieben. „Das ist nicht nur für Rollstuhlfahrer wichtig, sondern aufgrund des demografischen Wandels auch für einen immer größeren Teil der restlichen Bevölkerung“, sagt er. Rieker wurde gleich vor Ort aktiv. Er wies die Vermieter der Ferienwohnung auf Mängel hin und gab Verbesserungstipps. Die Vermieter wandten sich an Kornelia Grundmann, Geschäftsführerin von „Gabana“, einem Unternehmen, das Tourismusorganisationen, Gemeinden, Hotels und Gastronomie rund um das Thema Barrierefreiheit berät.

Vom Erfolg dieser Zusammenarbeit konnten sich die Riekers diesen Sommer überzeugen: Alle Mängel waren beseitigt, die Ferienwohnung ist mittlerweile mit dem europäischen Gütezeichen „RAL barrierefrei“ ausgezeichnet. Auf Einladung von vier Tourismusverbänden durften die Riekers weitere Urlaubsangebote in den Kitzbüheler Alpen testen. Mit der barrierefreien Bergbahn Scheffau ging es auf 1 650 Meter Seehöhe, auf der Wochenbrunner Alm durften die Kinder Rotwild streicheln und füttern. Zu Abend gegessen wurde auf der barrierefreien Brenner Alm.

Weitere Highlights waren ein Ausflug zum Walchsee, wo ein barrierefreier Seezugang entstehen soll. Eine absenkbare Badeplattform soll Rollstuhlfahrern und anderen Menschen mit eingeschränkter Mobilität das Schwimmen und Baden erleichtern. Auch ein Stadtbummel durch Kitzbühel stand auf dem Programm. Einmal ging es für Christoph Rieker sogar in die Luft: Seine Frau Anke hatte ihm einen Gleitschirmflug mit Helmut Schermer, in Ellmau „King of the Air“ genannt, spendiert. Für den querschnittsgelähmten Notzinger ein ganz besonderes Erlebnis. Über den Praxistest der Familie ist eine Geschichte entstanden, die in österreichischen Zeitungen veröffentlicht wird und auf Reha-Messen ausliegt.

Christoph Rieker will sich auch in Zukunft dafür einsetzen, dass Menschen im Rollstuhl mit weniger Hürden zu kämpfen haben. Und er möchte dafür sorgen, dass barrierefreie Angebote besser bekannt werden. „Es gibt ja viele barrierefreie Unterkünfte, aber man findet sie oft nicht so leicht“, sagt er. Eine gute Adresse sei www.gemeindenfueralle.info, ins Leben gerufen von Kornelia Gundmann. Auf dieser Seite präsentieren sich barrierefreie Orte, Hotels und Ferienwohnungen. Detailliert ist beispielsweise aufgelistet, mit welchen Hilfsmitteln die einzelnen Bereiche der Hotels ausgestattet sind. Orte in Deutschland sind auf der Internetseite allerdings noch nicht zu finden. Daran will Christoph Rieker mitarbeiten: „Wenn barrierefreie Einrichtungen oder Hotels sich auf der Seite präsentieren wollen, können sie sich an mich wenden“, so der Notzinger. Seine E-Mail-Adresse lautet: christoph@rieker-info.de.